Kommentar zu Intel Aus der Traum vom Wirtschaftswunder in Magdeburg
Nach der Verschiebung der Milliarden-Investition in Magdeburg ist es unwahrscheinlich geworden, dass die Chipfabriken von Intel überhaupt gebaut werden, meint MZ-Kommentator Kai Gauselmann.
Es gab zwar einige radikale Anhänger der freien Marktwirtschaft, die wegen der Subventionen nörgelten, aber im Grunde waren vor zwei Jahren in Politik und Gesellschaft alle aus dem Häuschen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), als promovierter Naturwissenschaftler normalerweise eher ein nüchterner Typ, sagte nach der Intel-Entscheidung für Magdeburg euphorisch: „Dass es geklappt hat, ist ein wirklich gewordener Traum.“ Der Bau der Intel-Fabriken werde „über Jahrzehnte hinweg“ die wirtschaftliche Entwicklung, das Image und die Branchenstruktur Sachsen-Anhalts prägen. Und nun? Aus der Traum vom Wirtschaftswunder in der Börde. Offiziell verschiebt der Konzern die Milliardeninvestition zwar nur um zwei Jahre. Aber rings um das Projekt gibt es so viele Ungewissheiten, dass eine Umsetzung sehr unwahrscheinlich ist.
Intel-Chef Gelsinger muss den Fuß vom Gas nehmen
Das liegt vor allem an Intel. Der Konzern ist massiv ins Trudeln geraten und muss sparen. Magdeburg sollte ein Befreiungsschlag werden und Intel auf Augenhöhe mit der Konkurrenz aus Taiwan und den USA bringen. Intel-Chef Pat Gelsinger hat die Mischung aus Milliarden-Einsparungen, dem Abbau von 15.000 Stellen und den geplanten Milliardeninvestitionen mal so beschrieben: „Es ist, wie gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse zu treten.“
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Der Intel-Verwaltungsrat hat Gelsinger nun am Steuer gelassen, zwingt ihn aber, den Fuß vom Gas zu nehmen. Er soll den Konzern sanieren und im heimischen Markt USA stabilisieren. Dazu passt, dass Gelsinger im selben Atemzug mit der Magdeburg-Verschiebung einen Auftrag der US-Regierung über drei Milliarden Dollar verkündet hat. Washington hält Intel so flüssig, sichert dem Militär wichtige Technik und hält den Konzern in den USA. Intel wird nun bestehende US-Werke ausbauen.
Ob Donald Trump oder Kamala Harris: Für Intel gilt „America first“
Egal, wer ab November die USA regiert, für Intel wird dann immer mehr gelten: „America first“. Halbleiterprodukte sind der Goldstaub des 21. Jahrhunderts, die Chips werden für zahllose Hochtechnologie-Produkte und Anwendungen gebraucht, von Handys über Autos, Kampfjets und Drohnen bis zu KI. Deswegen wird Washington bemüht sein, Intel in den und für die USA produzieren zu lassen.
Ist überhaupt noch Geld für Milliarden-Subventionen da?
Und in Deutschland steht 2025 eine Bundestagswahl an. Die Ampel-Koalition hat sich mühsam auf die Milliarden-Subventionen geeinigt. Fraglich, ob das einer neuen Bundesregierung gelingt – und ob sie die nötigen Milliarden haben wird. Die gesamtwirtschaftliche Situation hat sich eingetrübt, die öffentlichen Finanzen entwickeln sich entsprechend schlechter. Und obendrein wird Bauen stets teurer, die nötigen Spezialmaschinen für die Chipfertigung ebenso: Am Ende müsste Intel also mehr investieren – und würde dann vermutlich auch noch höhere Subventionen fordern.
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Weder Magdeburg noch Berlin haben Schuld an dieser Entwicklung: Sowohl Landes- als auch Bundesregierung haben ihre Hausaufgaben gemacht und Intel den roten Teppich ausgerollt. Haseloff und Kanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich aber auch abhängig gemacht von Intel. Es gibt keinen Plan B. Der sollte nun schleunigst entstehen.
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Intel veranstaltet mit der Verschiebung um zwei Jahre eine Hängepartie, die man nicht einfach abwarten kann. Deshalb müssen die Regierungen zweigleisig fahren. Auf Landesebene gilt es, den Hightech-Park anders zu füllen und die finanziellen Risiken des Landes zu begrenzen. Auf Ebene von Bund und EU muss überlegt werden, wie Europa alternativ mit den wichtigen Chips versorgt werden kann. Die Botschaft vom Dienstag ist jedenfalls: Auf Intel kann man sich nicht verlassen.