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Hallesche Band „Kurts Kombüse“ „Unterstützt eure Helden!“

Musik, die Menschen zusammenführt: Die hallesche Band „Kurts Kombüse“ legt die Platte „Was bleibt“ vor. Sänger Kurt Reißner erzählt, was ihn und seine Kollegen antreibt.

Von Mathias Schulze 24.10.2024, 10:07
Steffen Petzold, Klaus Goritz, Kurt Reißner und Thomas Gänsewig sind „Kurts Kombüse“ (von links).
Steffen Petzold, Klaus Goritz, Kurt Reißner und Thomas Gänsewig sind „Kurts Kombüse“ (von links). (Foto: Mathias Müller)

Halle/MZ. - Sangerhausen, 1997: Vor dem Auftritt von Gerhard Gundermann spielt die hallesche Gruppe „Dumb“. Mit dabei ist Kurt Reißner, Jahrgang 1978 und aufgewachsen in Mansfeld. Erinnerungen: „Ich kannte Gundi damals nicht, der hat mich aber beeindruckt. Er kam mit gelber Jogginghose zum Soundcheck, hat danach zu mir gesagt, dass ich mir eine neue Band zusammenstellen soll“, erzählt Reißner.

Ungeschliffene Energie

Erlebt man den Sänger und Gitarristen Reißner heute mit seiner Band „Kurts Kombüse“, sieht man einen Musiker, der sich mit geschlossenen Augen in seine Songs legt, der mit ungeschliffener Energie begeistert. Die Signatur der Vorbilder – Rio Reiser oder Gundermann – ist im Stil der Band, in der Leidenschaft und in den Texten zu spüren. Das Gras, der Himmel, der Regen oder der Fluss: Es ist die Natur, die Zivilisationsschäden und Verletzungen heilen soll.

„Und ich fall aus allen Wolken / In den Tag hinein / Ich hab mich an dir verwundet / Vielleicht soll es ja so sein“, heißt es im Song „Aus allen Wolken“, den Reißner mit vom Leben heiser geriebener Stimme so inbrünstig vorträgt, dass man alle Narben lebensbejahend annimmt. Dieses und fünf andere hörenswerte Lieder sind nun auf der neuen EP „Was bleibt“ festgehalten.

Ein großer Schritt für eine Band, die Klaus Goritz, Thomas Gänsewig, Steffen Petzold und Reißner durch die kleinen, aber feinen Veranstaltungsstätten Ostdeutschlands führt. Gespielt werden neben eigenen Songs auch Stücke von Rio Reiser oder Ton Steine Scherben. Musik als verbindendes Element, das die Leute zusammenführt.

Reißner, der als Erzieher in einem halleschen Hort arbeitet, ist bei seinem Leib-und Magenthema angekommen. Schonungslose Rückblicke: „Musik war immer schon mein Lebensretter. Wenn du als Jugendlicher auf dem Land bunte Haare hast, auch mal eine sensiblere Art an den Tag legst, brauchst du etwas, woran du dich festhalten kannst. Als ich mit 14 meine eigene Gitarre hatte, konnte ich mich abgrenzen.“

Noch in Mansfeld gründete Reißner Bands, seine Erinnerungen an die Wendezeit sind ehrliche Einblicke: „Für mich war das früher kein großes Thema, ich habe mich über MTV gefreut.“ Mit 20 Jahren ging Reißner nach Halle: Gelegenheitsjobs, Organisation von Kulturveranstaltungen, die Band „Dumb“ entstand, man tingelte durch Tschechien oder Österreich. Musik als Lebensrettung: „Ich habe mir damals die meisten Möbel vom Sperrmüll gezogen. Wesentlich wichtiger war der Plattenspieler“, sagt Reißner.

2004 schloss er sich als Clown und Musiker dem halleschen Wanderzirkus „Kala Shejtan“ an, seine damals eineinhalbjährige Tochter nahm er einfach mit. Danach, erzählt er mit dem Wissen darüber, dass seine heutigen Touren mit „Kurts Kombüse“ auch eine unstillbare Reiselust zu befriedigen versuchen, war das „Vagabundenleben vorbei“. Mit 27 Jahren fing er eine Ausbildung zum Erzieher an, für die Musik blieb nur noch wenig Zeit. Ein paar Solo-Auftritte, auch eigene Kindererziehung und die Band „Das zweite Ich“ folgten.

Im Februar 2020, mit der Geburtsstunde von „Kurts Kombüse“, war Reißner bei seinem aktuellen Herzensprojekt angekommen. Es ist schön, wenn die Songs mitgesungen werden und man mit den Leuten ins Gespräch kommt. Reißner betont noch mehr: „Wir haben hier im Osten unglaublich schöne Orte und interessante Menschen, die sich für Kultur einsetzen.“

Lebendige Treffpunkte

Reißner spricht vom soziokulturellen Zentrum „Zora“ in Halberstadt, vom „Irish Harp Pub“ in Wittenberg, von der Kulturscheune „Gasmühle Rotta“ oder vom Kulturzentrum „Reiche“ in Quedlinburg, von kleinen Theatern, Clubs, Kinos oder Kegelbahnen, die von Privatpersonen betrieben werden, die sich der kulturellen Massenware nicht beugen wollen: „Diese Treffpunkte leben und sterben mit den Leuten, die sich dafür den Arsch aufreißen. Leute, geht da hin, unterstützt eure lokalen Helden!“

Erfahrungen aus erster Hand: „Im ländlichen Raum ist es den Leuten scheißegal, ob jemand gendert. Wichtig ist dort, dass der Bus zur Stadt fährt, dass die Oma einkaufen kann. In der Stadt treffe ich Musiker, die ein Lied davon singen können, wie schwer es ist, als Künstler eine Existenz zu führen.“ „Kurts Kombüse“ am 26. Oktober in der „Kneipe Zwöö“ in der Reilstraße 107 in Halle und am 9. November im Irish Harp Pub in der Collegienstraße 71 in Wittenberg, jeweils 20 Uhr