Staatskapelle Halle Staatskapelle Halle im Theater: Musikstunde im Schauspiel
Der Dirigent Reinhard Goebel ist ein Star der Alten Musik, fremdelt jedoch nicht mit Orchestern, die auf „modernen“ Instrumenten spielen.
Halle/MZ. - Wenn man einem von der Art dieses großartigen Dirigenten als Musiklehrer begegnet wäre! Dann würde der Weg zum heiteren Hören und genussvollen Verstehen einfacher gewesen sein. Gut, schließlich sind viele der heute älteren Generation dort noch angekommen – zu ihrem Glück. Aber es hätte einfacher sein können und wäre schon früh von angstfreier Freude am Entdecken unvergleichlicher Schönheit begleitet gewesen. Egal, das ist vergossene Milch, und heute fällt der Musikunterricht oft gleich ganz unter den Tisch.
Eine feine Idee
Die Rede ist aber eigentlich von Reinhard Goebel, der in der vergangenen Woche als Artist in Residence (also ein häufig Anwesender) der Staatskapelle Halle im Großen Saal des neuen theaters die Reihe „DurchEinander“ eröffnet hat: Mit einem Gesprächskonzert und Mozarts Serenade in B-Dur, KV 361, der „Gran Partita“.
„DurchEinander“ – was soll das? Was zunächst nach einer Verrücktheit klingt, ist eine feine Idee und mutwillig im guten Sinne. So kommt es eben, dass das Orchester auf der Bühne des neuen theaters spielt, nachdem sich das Publikum bei freier Platzwahl auf der vom Schauspiel vertrauten Traverse eingerichtet hat. Freilich hätten es ein paar Leute mehr sein können. Schade für alle, die sich nicht auf den Weg gemacht haben.
Star der Alten Musik
Reinhard Goebel ist ein Star der Alten Musik, mit dem von ihm vor mehr als 50 Jahren gegründeten Ensemble Musica Antiqua Köln ist er berühmt geworden. Er setzt sich mit aller Leidenschaft für den perfekten Klang ein, der immer wieder neu zu entdecken ist – auch, wenn der 72-jährige, ebenso sensible wie temperamentvolle Dirigent einem Orchester vorsteht, das auf „modernen“, also nicht historischen Instrumenten musiziert.
Der Ton macht die Musik, was an diesem Abend in Halle einmal mehr fabelhaft bewiesen wird. Bevor es aber zur eigentlichen Sache geht, spricht Goebel über das Werk, das er und die bereits an ihren Pulten sitzenden Musikerinnen und Musiker zu Gehör bringen werden, zumal über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Komposition. Und er spricht über Wolfgang Amadeus Mozart, das erwachsen gewordene Wunderkind, das eine Anstellung suchte und sich endlich von seinem allgegenwärtigen Vater und aus der Salzburger Enge lösen wollte.
„Sie wissen: Eltern haften an Kindern“, kalauert Goebel, der dem alten Mozart aber auch Gerechtigkeit zuteil werden lässt: „Der Vater wusste, das wird eine Rakete!“ So salopp, gleichwohl respektvoll, wie Goebel das in seinem 20-minütigen, freien Vortrag macht, derart leicht und voller Witz, wird der Auftakt tatsächlich zur Musikstunde besonderer Art.
Der Dirigent beschreibt, wie Mozart dieses ursprünglich ungewöhnlich instrumentierte Stück auf der Reise von München nach Wien, dabei Salzburg mit Absicht umgehend, schrieb – und was er damit bezweckte.
„Neben zwei Oboen und zwei Klarinetten sind zwei Basset-Klarinetten gefordert“, teilt Goebel schon auf dem Programmflyer mit. Dazu kommen vier Hörner, zwei Fagotte und ein Kontrabass. Mozart habe in Wien den kunst– wie sinnenfreudigen Kaiser Joseph II. treffen wollen, der Goebel zufolge seiner, Josephs, Mutter Maria Theresia als Mitregent durch seinen lockeren Lebenswandel manchen Kummer bereitet haben muss.
Arbeit gegen die Zeit
Nach Mozarts Tod im Jahr 1791 kam der Musikverleger Johann Anton André aus Offenbach auf die Idee, das faszinierende, aber eben „sperrige“ Stück von dem Münchner Komponisten Franz Gleissner bearbeiten zu lassen, damit es sinfonischer klingen sollte. Man arbeitete schließlich gewissermaßen auch gegen die fortschreitende Zeit: „Beethoven scharrte schon mit den Hufen“, bringt Reinhard Goebel es auf den Punkt.
Und dann spielen sie das Werk in der Orchesterfassung, das eben doch eine Serenade, oft lyrisch und auch tänzerisch ist. Wunderbar! Nach dem langen Applaus scherzt Goebel: „Wenn Sie so eifrig klatschen, spielen wir das ganze Stück noch einmal!“ Aber dann fällt die Zugabe doch kürzer aus.