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DDR-Operette „Messeschlager Gisela“: Pop nach Plan

Axel Ranisch hat in Berlin die Operette „Messeschlager Gisela“ von Gerd Natschinski fabelhaft auf die Bühne gebracht: Das Publikum im Spiegelzelt vor dem Roten Rathaus ist begeistert.

Von Andreas Montag 21.06.2024, 16:38
Gisela Claus (Gisa Flake) und Fred Funke (Nico Holonics) lassen die Hüften kreisen.
Gisela Claus (Gisa Flake) und Fred Funke (Nico Holonics) lassen die Hüften kreisen. (Foto: Imago)

Warum sollte man sich das ansehen? Weil „Messeschlager Gisela“ eine fetzige Operette ist? Das trifft ohne Frage zu und ist die Hauptsache. Weil das populäre Genre oft etwas zu kurz kommt? Spielt auch eine Rolle. Weil die Musik vom DDR-Star Gerd Natschinski komponiert wurde, dessen Schlager ältere Ostdeutsche im Ohr haben? Ist nicht unwichtig. An den Defa-Wohlfühlfilm „Heißer Sommer“ aus dem Jahr 1968 mit Chris Doerk und Frank Schöbel, dessen Lieder Gerd Natschinski gemeinsam mit seinem Sohn Thomas schrieb, erinnern sich vermutlich alle Ost-Sozialisierten, die passende Geburtsjahrgänge vorweisen können.

Tausendsassa als Regisseur

Oder geht man hin um zu sehen, was Tausendsassa Axel Ranisch als Regisseur angerichtet hat? „Das sind 15, 16 richtige Knaller-Melodien, richtige Ohrwürmer“, sagt Ranisch über das Werk. Man kennt ihn als Darsteller aus Verfilmungen der in Halle spielenden „Zorn“-Krimis von Stephan Ludwig. Nun hat Ranisch an der Komischen Oper Berlin inszeniert. Deren Haus wird gerade saniert, weswegen man als Ausweichspielstätte unter anderem ein schickes Spiegelzelt zwischen Fernsehturm und Rotem Rathaus aufgeschlagen hat. Spektakulär auch das.

Und es gibt noch einen Grund, sich die 1960 entstandene DDR-Operette „Messeschlager Gisela“ anzusehen: Es geht hier eindeutig nicht um Nostalgie. Schon deshalb nicht, weil das von Gerd Natschinski und Jo Schulz (Libretto) geschaffene Meisterwerk der heiteren Unterhaltungskunst die ostdeutsche Republik samt Planwirtschaft mit viel Ironie auf die Schippe nimmt. Zwar wird dabei auch kräftig die Lebenslust gefeiert – aber fern des klebrigen Klischees, nicht alles sei schlecht gewesen.

Zeitgleich, knapp vor dem Mauerbau, drehte Billy Wilder seine geniale Ost-West-Komödie „Eins, zwei, drei“. Lilo Pulver als Sekretärin dort, Maria Danaé Bansen als überdrehte Sekretärin hier – finden Sie sieben Unterschiede! Beide Produktionen verschwanden, als die Mauer stand, aus dem Blick. Zu bitter war Wilders Witz für den Westen, zu westlich war „Messeschlager Gisela“ für Ostfunktionäre. So ging das im Kalten Krieg.

Die Operette erzählt vom „VEB Berliner Schick“: Der überforderte, untalentierte Robert Kuckuck (Thorsten Merten), der Chef ist, weil der Chef eben ein Mann sein muss, will einen „Messeschlager“ kreieren. Seine Sekretärin Marghueritta zieht es zu Höherem, aber sonst ist sie sehr nett. Gisela (Gisa Flake) kann wirklich Mode, aber ihr Chef bremst sie aus. Der linkische, gutmütige Gütekontrolleur Heinz (Johannes Dunz) liebt Marghueritta über alles. Emma (Andreja Schneider), die Werkstattleiterin, nimmt sich den Chef buchstäblich zur Brust. Und der Hallodri Fred Funke (Nico Holonics) ist in Gisela verknallt.

Wiedersehen mit Martin Reik

Dazu kommt der bauernschlaue Leipziger Messe-Herbergsvater Priemchen, köstlich verkörpert von Martin Reik, den Freunde der halleschen Bühnen in guter Erinnerung haben werden. Am Ende wird Priemchen mit Inge (Theo Rüster) sein Glück finden.

Überhaupt singen und spielen alle wunderbar. Auch Adam Benzwi (musikalische Leitung), Saskia Wunsch (Bühne), Alfred Mayerhofer (Kostüme) sowie das Orchester, die Chorsolisten und das Tanzensemble der Komischen Oper haben den starken, begeisterten Applaus des Publikums mehr als verdient. Und Axel Ranisch für seine Inszenierung sowieso.

Informationen und Tickets: komische-oper-berlin.de