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Peggy Parnass verstorben Eine Kämpferin für mehr Menschlichkeit

Die Autorin und Überlebende des Holocaust Peggy Parnass ist verstorben.

Von Carola Große-Wilde 12.03.2025, 16:21
Peggy Parnass wurde 97 Jahre alt.
Peggy Parnass wurde 97 Jahre alt. (Foto: Imago/Eventpress)

Hamburg/dpa - Über ihre Kindheit wollte Peggy Parnass nicht sprechen. „Alles, was ich zu sagen habe, habe ich aufgeschrieben. Das war schlimm genug“, sagte die Autorin, die in den 1970er und 1980er Jahren durch ihre Gerichtsreportagen berühmt wurde.

Drei Monate geht es ihr schlecht, als sie die Erinnerungen an ihre „Mutti“ und ihren Vater „Pudl“, die von den Nationalsozialisten ins Warschauer Ghetto deportiert und später im Konzentrationslager Treblinka ermordet wurden, für ihr Buch „Unter die Haut“ (1983) aufgeschrieben hat.

Jetzt ist die Publizistin mit dem roten Wuschelhaar, die zuletzt in einem Seniorenheim im Hamburger Stadtteil St. Georg lebte, im Alter von 97 Jahren gestorben. Ihr Leben lang kämpfte Parnass gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und das Vergessen. Dafür wurde sie 2021 vom deutschen PEN-Zentrum zum Ehrenmitglied ernannt.

Das Leben ein Alptraum

„Die ersten Jahre meines Lebens waren durch die Liebe meiner Eltern sehr schön. Die Zeit danach war ein einziger Alptraum“, sagte Parnass, die alle nur Peggy nannten, in einem Interview zu ihrem 80. Geburtstag. In Schweden wurde sie von ihrem Bruder getrennt, lebte in zwölf verschiedenen Pflegefamilien.

Als Heiligstes bewahrte sie Briefe und Fotos von ihrer Mutter in einem Schuhkarton auf, darunter die letzten Postkarten aus dem Warschauer Ghetto mit den Worten „Auf Wiedersehen! Schalom! Wir lieben Euch! Wir denken immer an Euch! Seid brav und nicht traurig!“. Weil sie davon angeblich trübsinnig wird, verbrannte ihr Vormund den Karton samt Inhalt.

Nach dem Krieg lebte Parnass zunächst in London, danach studierte sie in Stockholm, London, Hamburg und Paris. Eigentlich wollte sie nie nach Deutschland zurück, blieb aber bei einem Besuch ihrer Cousine in Hamburg hängen und „traf dort lauter dufte Leute, alles Linke, Antifaschisten und Widerstandskämpfer“. Mit dem Schriftsteller Peter Rühmkorf, „Konkret“-Gründer Klaus Rainer Röhl und Dick Busse lebte sie in einer Wohngemeinschaft, sie gründeten eine Studentenbühne und machten politisches Kabarett.

Scharf beobachtende Moralistin

Peggy Parnass konnte Ungerechtigkeiten nie akzeptieren. Sie engagierte sich politisch und war in etlichen Protestbewegungen aktiv, „weil es der Selbstrespekt verlangt, den Versuch zu machen, etwas zu bewegen“. 17 Jahre lang schrieb sie Gerichtsreportagen für die linke Zeitschrift „Konkret“, in denen sie sich als mutige und scharf beobachtende Moralistin erweist. Ihr Buch „Prozesse 1970-1978“ wurde vielfach ausgezeichnet.

„Eigentlich wollte ich über NS-Prozesse schreiben. Aber von den mehr als 500 Prozessen, über die ich berichtet habe, waren nur drei NS-Prozesse.“ Es folgten autobiografisch geprägte Anthologien („Unter die Haut“, „Süchtig nach Leben“), in denen sie von ihrem Leben voller Leidenschaft berichtet. Was gab ihr die Kraft, immer weiterzumachen? „Meine unbändige Freude am Leben“, lautete ihre Antwort.