Drei Haselnüsse für Aschenbrödel Phänomen Aschenbrödel - Ein ganzes Land in Märchenhaft
Fast 24 Stunden lang läuft der liebste Weihnachtsfilm der Deutschen auch in diesem Jahr wieder im Fernsehen, eine Ausstellung zieht Tausende an. Was fasziniert so viele an dem 50 Jahre alten Streifen?
Halle/MZ. - Es war einmal, so fangen alle Märchen an, und hier war es eine Wand. Keine gewöhnliche freilich, sondern eine voller Wünsche, die von den Mitarbeitern des Schlosses Moritzburg bei Dresden in die erfolgreichste Ausstellung des Märchenschlosses gehängt worden war. Jeder Besucher konnte seine Träume, Erwartungen und Hoffnungen aufschreiben und bunte Zettel anheften.
Und siehe da, die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, sie öffneten die Herzen. „Ich wünsche mir eine Freundin“, „ich will ein fliegendes Pony“, „Frieden für alle Menschen“ und „Mama soll ein Einhorn sein“, stand auf den Blättern. Dazu der Wunsch nach „dem derzeitigen Glück für den Rest meines Lebens“ und obendrauf eine „Weltreise plus gutem Schulabschluss“.
Wünschebaum im Märchenland
Ein Wünschebaum im Märchenland, der von der Sehnsucht nach einer Welt erzählt, die nicht heil ist, aber wieder heilen wird. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, von Fans nur „3hfa“ genannt, spielt in genau so einer Kulisse.
Vor 50 Jahren wurde die Adaption der aus der Märchensammlung „Pentameron“ stammenden Geschichte von Waisenmädchen, böser Stiefmutter, Prinzen und den drei Zaubernüssen als Co-Produktion der DDR-Defa und des tschechischen Filmstudios Barrandov gedreht.
Ein Kinoerfolg von Anfang an, der das Filmpaar Libuše Šafránková und Pavel Trávnícek zu Stars machte. Doch die kultische Verehrung, die der Streifen heute genießt, verdankt sich erst einem zweiten Leben, das Ende der 90er Jahre begann.
Mehr zum Thema: Interview mit Libuse Safránková aus Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Kleine Studiokinos waren es, die den Ost-Klassiker damals um die Weihnachtsfeiertage herum wieder ins Programm nahmen und über den Andrang staunten. Als die Firma Icestorm den Defa-Filmkatalog dann auf Videokassette herausbrachte, stach ein Werk bei den Verkaufszahlen alle anderen aus: 40.000 mal ging „Aschenbrödel“ im ersten Jahr weg.
"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel": Beginn einer Zeitenwende
In jenen Tagen liegt der Beginn der Zeitenwende, die aus dem halb vergessenen Kinohit der 70er Jahre einen Sehnsuchtsfilm für Millionen gemacht hat. Die dritten Programme der ARD, die „3hfa“ bis dahin nur gelegentlich zeigen, beginnen, „Aschenbrödel“ in der Weihnachtszeit rotieren zu lassen. Die Sängerin Annett Louisan leiht die Melodie der Titelmusik für ihren Hit „Das Spiel“. Theater führen „3hfa“ auf. 2009 startet das Schloss Moritzburg schließlich seine Winterausstellung zum Film.
So viel Präsenz wirkt. Jüngere stoßen auf das alte Werk. Ältere entdecken, dass der Streifen aus Kindertagen „immer noch sehr schön ist“, wie Kathrin Miebach sagt, die in Köln geboren wurde, den Defa-Klassiker als Kind zum ersten Mal im WDR sah und mit Mitte 30 feststellte, „dass er einfach perfekt ist – für mich der schönste Film aller Zeiten“.
82 Minuten voller Witz, Romantik, „mit schönen Menschen, tollen Kostümen“, beschreibt sie das Meisterwerk, das alles andere als ein Ostphänomen sei. Aschenbrödel habe längst deutschlandweit überall denselben Erfolg.
Lesen Sie auch: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ startet im TV - Sendetermine 2023 im Überblick
Selbst die böse Schwiegermutter, die verzweifelt auf der Jagd nach einem Ehemann für ihre Tochter Dorchen ist, müsse man ja eigentlich mögen. „Der Regisseur Václav Vorlícek hat sich später nicht ohne Grund standhaft geweigert, eine Fortsetzung zu drehen“, sagt Kathrin Miebach, „denn er war sich sicher, dass dieser Geniestreich nicht wiederholbar ist.“
Aschenbrödel über Jahrzehnte erfolgreich: Die Mischung macht es
Wissenschaftler haben versucht, die Ursachen des Phänomens zu ergründen. Liegt es an der „Mischung aus fantastischen und satirischen Elementen“, wie die Forscherin Jana Bischofová glaubt? Oder ist es Aschenputtels emanzipiertes Auftreten als „temperamentvolle und schlagfertige Protagonistin“, wie die Medienpädagogin Andrea Holler mutmaßt?
Für Kathrin Miebach ist es all das. Aber auch noch viel mehr. Die 50-Jährige, im Hauptberuf Lehrerin, hat in den vergangenen 20 Jahren eher zufällig die größte Internet-Sammlung mit Fakten, Anekdoten und Hintergründen zum liebsten Weihnachtsfilm der Deutschen aufgebaut. „Anfangs habe ich nur nach anderen gesucht, die den Film auch so lieben“, sagt sie, „aber dann hat es mich nicht mehr losgelassen.“
Zum letzten Grund dafür, dass die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Lichterglanz der Weihnachtszeit alles überstrahlen, ist sie noch nicht vorgedrungen. „Es gibt noch so viel zu erforschen“, sagt Kathrin Miebach, „und es macht immer noch Spaß.“
Start des TV-Marathons: diesen Sonntag, 12.35 Uhr, im Hessischen Rundfunk; bis 17 Uhr läuft der Film dann noch dreimal, weitere 15 Mal wird der Film bis Anfang Januar laufen.