Kraftwerks-Schornsteine Kraftwerks-Schornsteine: In nur zehn Sekunden gefällt
Vockerode/MZ. - Dem einschneidenden Tag in der Geschichte des Ortes hatte mancher Vockeroder entgegengezittert. Tatsächlich bringt der Sonnabendmorgen dann mehr als genug Ungewohntes. Besucher überschwemmen den Ort bei Dessau. Überall - selbst auf der Elbe - ist Polizei präsent.
Die Vertreter der Medien erhalten noch einmal die Möglichkeit, die 140 Meter hohen Schlote zu betrachten. Diese wirken unten wie entblößt. Denn sie werden nur noch von vier über 30 Meter hohen Stützen getragen. Vliesvorhänge an den nahen Gebäuden - so auch am Domizil der Vockeroder Feuerwehr - und Erdwälle bieten einen ungewöhnlichen Anblick. Und da sind dann auch noch weiße mit Wasser gefüllte Schläuche. Ihre Sprengung soll die Staubausbreitung mindern.
Während dieser Besichtigung geben hochrangige Vertreter der Vereinigten Energiewerke AG (Veag) Statements. Arbeitsdirektor Martin Martiny betont, dass die Sprengung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten als notwendig erachtet wurde. Die Veag sei doch kein Denkmalschutzverein. Während solchen Erklärungen am Ort des künftigen explosiven Geschehens - über 200 Kilogramm Sprengstoff sind auf über 800 Bohrlöcher verteilt - stehen bereits Neugierige am Hafen.
Je näher die Zeiger der Uhr in Richtung Sprengtermin rücken, desto mehr Menschen besiedeln auch die Autobahnbrücke und deren Umfeld. Rudolf Bergkemper, Geschäftsführer der für den Abriss zuständigen Thyssen-Veag Flächenrecycling GmbH, und Hans-Georg Richter, Prokurist dieses Unternehmens, erläutern in einer ruhigen Minute, was geschehen wird: Erst kippt der obere Teil des ersten Schornsteins in Richtung Westen, dann wird unten gesprengt, und dieser Teil legt sich gen Osten. Eine raumsparende Methode also.
Warnsignale sind zu vernehmen. Dann ist es einige Sekunden vor 11 Uhr. Jemand zählt rückwärts. Eine Staubwolke ist zu sehen, ein Knall zu hören. Es kippt der erste Schornstein. Der zweite Schornstein folgt. Beim dritten löst sich oben ein Ring. Ehe die Tatsache richtig wahrgenommen wird, ist auch schon der vierte Schornstein von der Bildfläche verschwunden. Einige klatschen Beifall. Die Glocken der nahen Kirche ertönen. Die Neugierigen verlassen den Ort. An den Straßen diskutieren Einheimische. Einige sind den Tränen nahe. Klaus Bebber, ein einstiger Energiewerker, sagt: "Ein Stück Geschichte in wenigen Sekunden auszulöschen, halte ich nicht für richtig." Etwa eine Stunde nach dem Schornsteinfall herrscht fast schon wieder Normalität in dem Ort. Es ist ruhig.