Klaas Hübner und die IBG-Affäre Klaas Hübner und die IBG-Affäre: Schatten über Schloss Neugattersleben

Magdeburg/Halle/MZ - Ein prominenter Politiker steht auf Maßanzüge und Luxusuhren, wohnt in einem Schloss, besitzt Firmen und bekommt dutzende Millionen an öffentlichen Fördergeldern - das klingt nach klarem Fall: Die da oben können nix, außer sich bereichern. So schön einfach ist der Fall des früheren SPD-Bundestagsfraktionsvize Klaas Hübner nicht.
Der Teil mit Partei, Anzug und Uhren stimmt. Hübner wohnt auch im Schloss Neugattersleben. Genauer: Er lebt mit Frau, vier Kindern und zwei Hunden im Obergeschoss, den ehemaligen Gesinderäumen des Schlosses. Schon mit der Präzisierung verliert die Geschichte an Drive. Und es wird nicht besser, nur komplexer. Hübner besitzt Firmen oder hält Anteile. Es geht um fünf, aber nicht um ein Dutzend. Und diese haben teils auch Fördermillionen erhalten - nach Hübners Darstellung aber nicht geschenkt, sondern als verzinste Darlehen.
Für die aktuell zwölf Firmen des Verbundes „Schloss Neugattersleben“ sitzt die Finanzverwaltung auch in dem Schloss, das Hübner teilweise bewohnt. Außer ihm sollen die anderen Firmen Mitgliedern seiner Familie gehören. Dass er deswegen Schlagzeilen wie „Der geförderte Genosse“ bekommt und der Wirtschaftsminister die Förderung überprüfen will, kann er nicht nachvollziehen. In seiner Politikerzeit habe er keine Managementfunktionen gehabt und auch keine Förderanträge gestellt. „Die Anträge wurden von den einzelnen Gesellschaften gestellt, nicht von mir“, sagte Hübner der MZ. Und schon gar nicht habe er politische Funktion und wirtschaftliche Tätigkeit vermischt: „Nein, überhaupt nicht.“ Hübner hält die Förderung auch in der Sache für legitim. „Es ist ja wohl nichts Ehrenrühriges, in einer nicht besonders strukturstarken Region Arbeitsplätze zu schaffen.“ Diese Geschichte schwankt also zwischen geförderter Genosse und gemeinnütziger Genosse.
Sprecher der Grünen: "Haseloff muss die Vergabepraxis erklären"
Der Mangel an Durchblick und der Überfluss an Misstrauen hat zwei Gründe: Zum einen ist die Beteiligungsgesellschaft des Landes schon in der Kritik - weil der Geschäftsführer der Gesellschaft Good-Vent, die die Geschäfte der IBG besorgt, Dinnies Johannes von der Osten, eine private stille Beteiligung an Q-Cells hatte - bevor das Land die Solarfirma mit IBG-Millionen förderte. Zum anderen sind die Förder-Entscheidungen intransparent für Außenstehende. Für die Regierung nicht, darauf beruft sich Hübner: „Ich bin irritiert über die Einlassungen des Wirtschaftsministeriums. Alle Beteiligungen sind durch den Beteiligungsausschuss gegangen, in dem Wirtschafts- und Finanzministerium durch Spitzenbeamte vertreten sind. In den meisten Fällen hat sich damit auch der Aufsichtsrat der IBG befasst.“
Der Aufsichtsrat wird geführt vom Wirtschaftsminister, im fraglichen Zeitraum zwischen 2005 und 2011 vom heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). „Haseloff muss jetzt der Öffentlichkeit diese Vergabepraxis erklären“, forderte deshalb der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Christoph Erdmenger. Von Haseloff selbst war kein Statement zu erhalten. Sein Sprecher begnügte sich mit allgemeinen Sätzen: „Entscheidungen wurden grundsätzlich im Beteiligungsausschuss getroffen, der fachlich, nicht politisch besetzt war und ist und auf der Grundlage von Gutachten entscheidet.“ Das hilft nicht viel weiter. Selbst die CDU-Fraktion fordert von der Regierung eine „zügige Berichterstattung in einer Sonderausschusssitzung“ der Landtagsausschüsse für Wirtschaft und Finanzen. Bisher arbeitet die IBG quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Parlaments. Die Vergaben werden nicht durch Parlamentarier entschieden oder kontrolliert.
Good-Vent durfte nicht in notleidende Unternehmen investieren
Das Wirtschaftsministerium konnte gestern Fragen zur Vergabe nicht beantworten. Die Förderung für Gesellschaften der Firmengruppe Schloss Neugattersleben etwa soll aber nach Auskunft von mit der Sache vertrauten Personen so abgelaufen sein: Good-Vent erhielt jährlich etwa 100 Anfragen von Unternehmen, die Kapital suchten. Zunächst klopften Management und externe Prüfer das Geschäftsmodell, Wachstumsperspektiven, Marktlage und mögliche Patente der Unternehmen ab. So wurde der Wert des Unternehmens ermittelt und eine mögliche Beteiligungshöhe. Hoben die Good-Vent-Manager und die Prüfer den Daumen, kam es zu einem Vorvertrag. Danach wurde das Unternehmen dem IBG-Beteiligungsausschuss vorgestellt. Darin sitzen Beamte des Wirtschafts- und Finanzministeriums sowie externe Fachleute von der Universität Magdeburg, einer privaten Bank und einer Beratungsfirma. Sie entscheiden über die Beteiligung. Der Aufsichtsrat musste nur bei größeren Investments sein Ja geben. „Die Schwelle lag im niedrigen einstelligen Millionenbereich“, berichtet ein Insider. Das änderte sich mit der Wirtschaftskrise 2009. Danach musste der Aufsichtsrat jedes Investment, zwischen 20 bis 40 im Jahr, absegnen.
Eine Beteiligungs-Auflage für Good-Vent ist unter anderem gewesen, dass nicht in notleidende Unternehmen investiert werden durfte. Zum Zeitpunkt der Beteiligung sollen die Neugattersleben-Firmen dieses Kriterium erfüllt haben. Von den angeblich 40 Millionen Euro, die durch die IBG-Fonds in die Unternehmen ausgereicht wurden, sollen etwa 15 Millionen Euro bereits zurückgeflossen sein.
