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Jüdische Gemeinden Jüdische Gemeinden: Die Hoffnung aus dem Prüfbericht

Von Steffen Könau 03.04.2003, 19:18

Halle/Magdeburg/MZ. - Was für ein Vertrauensbruch,schimpft Peter Ledermann. "Dieser Bericht",kommentiert der Chef des Landesverbandes derJüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt diedurchgesickerten Inhalte einer Prüfung derGemeindefinanzen durch den Landesrechnungshof(die MZ berichtete), "hätte nie veröffentlichtwerden dürfen." Ledermann: "Hätten wir gewusst,wie das benutzt wird, hätten wir nie zugestimmt."

Die Gemeinden im Land aber hätten nichtszu verbergen. "Unsere Buchhaltung liegt offen,kein Problem für uns, die Prüfer dort hineinschauenzu lassen." Was die Experten fanden, bringtdie Führungsfiguren der Gemeinden im Landnun jedoch in Erklärungsnot. Schlechte Buchhaltung,personelle Verflechtungen, nicht sachgerechtverwendete Mittel. Für die Gemeinde Hallelistet der Bericht 75 Kritikpunkte auf, wieder Vorsitzende Max Privorotzki einräumt.Auch in Dessau und Magdeburg blieben zahlloseFragen offen. "Gravierende Punkte", wie Rechnungshof-ChefRalf Seibicke findet. "Der Sache nicht angemessen",sagt Ledermann.

Die Frage sei nur, wessen Sache, meint KarlSommer, Vorsitzender der liberalen Synagogengemeindezu Halle. Sommer trennt zwischen Funktionärenund Gemeinden: "Seit Jahren haben wir daraufhingewiesen, dass hier Leute nach Gutsherrenartregieren." Wohlverhalten werde belohnt, Kritikbestraft. "Die meisten Mitglieder kommen ausRussland, sie wissen nicht um Zusammenhänge."

Eine Beschreibung, der Anna Trojanowskajavon der Synagogengemeinde Magdeburg zustimmt.Jahrelang seien Gemeindemitglieder desinformiertworden, die Gemeinde-Finanzierung habe Ledermannals sein Verdienst herausgestellt. ErgebeneMitglieder erhielten ABM-Stellen. "Wer widersprach,unterlag Mobbing und Rufmord."

Berichte, die Peter Ledermann über "juristischeSchritte nachdenken" lassen. Sein Blick aufdie Jüdischen Gemeinden im Land ist ein ganzanderer. Nach vielen Querelen funktionieredas jüdische Leben hervorragend, lobt er,auch die innergemeindliche Demokratie klappe.Sein eigenes Gehalt, vom Rechnungshof alszu hoch bezeichnet, habe nicht er selbst,sondern der Vorstand genehmigt. Auch die Wahlseiner Frau in die Repräsentantenversammlung,die den Vorstand kontrolliert, sei Ergebnisdemokratischer Wahlen. "Alle wussten, dasssie meine Frau ist."

Wo aber ist das Geld geblieben? Wo ist derjüdische Kindergarten? Die jüdische Schule?,fragt Anna Trojanowskaja: "Dafür haben wirdas Geld doch bekommen." Ihr mache der PrüfberichtHoffnung, dass jetzt endlich Mechanismen geschaffenwerden können, durch die das Land als GeldgeberVerantwortung übernehme. "Die wahrhaft ehrlichenGemeindemitglieder allein schaffen es nicht."

Aufgrund des Staatsvertrages mit den Gemeindensei die freiwillige Bitte um Prüfung die einzigeMöglichkeit des Landes, die Verwendung derMittel nachzuvollziehen, erklärt Kultus-StaatssekretärWinfried Willems. Diese Prüfung sei erfolgt,jetzt müssten die Gemeinden Stellung nehmen.An einer "lückenlosen Aufklärung" führe keinWeg vorbei. Willems: "Der nächste Schrittwird sein, zu sehen, welche Regeln künftiggelten sollen."

Eine Frage, in der Peter Ledermann Entgegenkommensignalisiert. "Die Frage der externen Prüfungmuss neu geregelt werden", sagt der Landesvorsitzendediplomatisch. Geschaffen werden müssten klareBewertungskriterien, die "beiden Seiten mehrSicherheit durch weniger Interpretationsspielraum"geben. "Wir sind bereit, eine Ergänzung zumStaatsvertrag mit dem Land auszuhandeln."Seine Bedingung sei jedoch, sagt der Landesvorsitzendeselbstbewußt, "dass es nicht der Landesrechnungshofist, der uns prüft".