1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. «Jägerhütte» in Ziegelroda: «Jägerhütte» in Ziegelroda: Viel Wild im Wald

«Jägerhütte» in Ziegelroda «Jägerhütte» in Ziegelroda: Viel Wild im Wald

Von margit boeckh 30.03.2012, 17:11

Halle (Saale)/MZ. - Erst recht seit dem Sensationsfund der Himmelsscheibe von Nebra. Gut, dass da auch so manche gastronomische Oase zur Einkehr lädt. Die älteste und bekannteste ist die "Jägerhütte" im Hermannseck. Rustikal und zünftig gibt sich das Lokal. Schließlich gilt es, eine Jahrhunderte alte Tradition zu bewahren. Bereits im 16. Jahrhundert nämlich stand hier eine Jagdhütte. Ehrensache, dass vor allem Wildbret die Speisekarte der heutigen "Jägerhütte" prägt.

Doch: Selbst im Wissen um die besondere Liebe der Köche zum Wild überrascht die Vielfalt der Speisekarte. Durchgängig gehalten das ganze Jahr und alles aus der Region, wie uns später Wirt Erich Klukas stolz versichert. Der erfahrene Gastronom betreibt auch das "Landhaus zum Rosental" im 16 Kilometer entfernten Reinsdorf, hat das "fast bis zur Ruine verkommene" Lokal im Hermannseck 1995 von der Treuhand gekauft und dann noch eine Millionensumme investiert, um das Haus wieder als gastliche Stätte öffnen zu können.

Nein, wir setzen uns nicht in das einladende, über und über mit Jagdtrophäen geschmückte Kaminzimmer. Die Vorfrühlingssonne lädt ein, auf der Veranda Platz zu nehmen. Vom Nebentisch ist ein verheißungsvolles "Schmeckt ja wirklich wunderbar" zu hören. Na, dann! Bei den Vorspeisen offeriert die Karte diverse Salatteller (zwischen 3,60 und 8 Euro) und fünf kleine warme Gerichte, alle zu fünf Euro bis auf die Shrimps in Knoblauchbutter, für die noch 50 Cent draufzulegen sind.

Angenehmes Tomatenkonfit

Doch heute wollen wir mit Suppe beginnen. Lieber die "Klare Waldpilzsuppe" mit feinen Streifen aus Sellerie, Schinken und Pilzen oder die "Ukrainische Soljanka"? Die wird hier, wie sich's gehört, mit Sahnehäubchen und Zitronenscheibe angerichtet. Dennoch wählen wir waidmannsmäßig passend eine "Jägersuppe Hermannsecker Art" und "Gefüllte Champignonköpfe, überbacken mit Schafskäse an Knoblauchsauce". Das Entree kommt flink und freundlich. Die Suppe wie bei Muttern auf tiefem Teller mit Unterteller. Gerade richtig temperiert, erweist sich die leicht gebundene Wildbrühe, in der viel Fleisch, Pilze, Wurzelgemüse und Paprikawürfelchen eine delikat gewürzte Verbindung eingehen, als deftige Angelegenheit, die gut und gerne auch als Hauptgericht durchgehen könnte.

Ebenfalls für den kleinen Hunger ausreichend sind auch die Champignons samt Schafskäse und Salat. Den krönt ein feinst gewürfeltes Tomatenkonfit, angenehm säuerlich, dabei geschmacklich so fein ausbalanciert wie der Knoblauch in der sämigen Sauce. Reichlich frisches Baguette liegt auch noch bei. Auf dem Tellerrand, von dem das rösche Gebäck leider in die Sauce rutscht. Schade! Ein Brotkörbchen hätte das Malheur vermieden.

Die Wahl des Hauptgangs ist wirklich keine Minutensache. Alleine beim Wild kann man unter 14 Möglichkeiten entscheiden, quer durch den Wald von Hirsch bis Hase. Dazu verzeichnet die Karte neben Zubereitungen von Rind und Lamm Gerichte vom Schwein "in seinen variantenreichsten Formen" - und das sind immerhin 15. Von Schnitzel (handgeklopft und frisch paniert, wird auf Nachfrage bestätigt) bis zum Räuberspieß. Dazu kommt noch Geflügel und Fisch. Eine Forelle mit dem schlichten Zusatz "nach Art des Hauses" fällt auf durch ihre Zubereitung: in Rotwein geschmort, mit Sojasauce und von buttergeschwenkten Currymandarinen umgeben. Klingt extravagant, oder? "Das ist mal ein ganz anderer Fischgeschmack", schwärmt Wirt Klukas.

Dass man in seinem auf den ersten Blick aufs Bodenständige bauenden Lokal durchaus auch Experimentierfreude in der Küche zeigt, hat wohl auch mit den Erfahrungen in der Schweizer Gastronomie zu tun, wo sich Wirtssohn Danny seit mehr als einem Jahrzehnt in jeder Wintersaison umtut. Zudem haben Vater und Sohn ihr gastronomisches Handwerk von der Pike auf gelernt bei dem international bekannten halleschen "maritim"-Küchenchef Henning Steller. Wir entscheiden uns für Wild - was sonst? Der Hirschbraten in Rotweinsauce füllt in fünf Tranchen den Teller. Butterzart das Fleisch, ohne aufdringlichen Wildgeschmack. Dazu haben wir Klöße und Apfelrotkohl gewählt. Denn im Preis als kundenfreundliches Extra inbegriffen ist, dass der Gast selbst aussuchen kann, was er gerne dazu essen möchte. Die Bezeichnung "Sättigungsbeilagen" auf der Karte hört sich zwar leicht antiquiert an, dafür ist aber alles frisch und hausgemacht, wie ein bisschen empört von der freundlichen Kellnerin versichert wird. Die handlichen Klöße lassen sich denn auch prima in das feine Sößchen tunken. Außer dem etwas süßlich geratenen Kohl gibt es noch Rohkost, fein abgeschmeckt und extra gut.

Sorgsam entbeinter Fasan

Zu jedem Gericht empfiehlt die Karte den passenden Wein, bevorzugt aus der Saale-Unstrut-Gegend. Zum Hirsch ist der vollmundige Freyburger Portugieser tatsächlich die passende Begleitung und auch für den halben Fasan passabel. Brust und Keule wird vom wilden Federvieh aufgetischt. Sorgsam entbeint wie alles, was hier auf den Tisch kommt. Die Brust gefüllt mit feiner Leberfarce, die Keule überbacken mit einer doch etwas zu mächtigen Kräuterkruste mit allzuviel Semmelbröseln, die den zarten Fleischgeschmack zurückdrängt. Dafür erfüllen die Bratkartoffeln ihr Versprechen, "nach Großmutterart" zubereitet zu sein perfekt - mit Zwiebeln und Kümmel.

Was noch so auf der Karte steht? Zwei gefüllte Wachteln mit Brot-Schinken-Apfel-Farce beispielsweise (16 Euro) oder mit Champignons und Käse gefüllte Hirschtaschen. Die sind ein Extra-Tipp vom Wirt auch wegen der wiederum leicht experimentellen Sauce, die mit etwas Lauch und Brombeeren abgeschmeckt wird. Unverkennbar eine Kreation vom Schweiz-erfahrenen Koch Danny Klukas.

Gut möglich, dass er auch die Idee für den von uns gewählten Nachtisch hatte: Vanilleeis mit heißen Pfefferkirschen. Auf die vereinzelten grünen Pfefferkörner stößt man allerdings erst, wen man sich durch einen reichlichen Sahneberg durchgegessen hat. Ach doch, das hätten auch ruhig ein paar mehr sein können.