Halle Halle: «Schwiegermuttersessel» nicht nur für Omas

Halle/dpa. - «Schwiegermutterstuhl»oder «Schwiegermuttersessel» werden die wegen ihres Umfangs und ihresstachligen Aussehens bekannten und ursprünglich aus Zentralmexikostammenden Kakteen genannt. Da der Kaktus vom Aussterben bedroht ist,wurde der «Schwiegermutterstuhl» von der Deutschen KakteenGesellschaft e.V. (DKG/Pforzheim) zum Kaktus des Jahres bestimmt.
«Einige besonders prächtige Exemplare davon haben wir hier beiuns», sagt der Kustos des Botanischen Gartens in Halle, MatthiasHoffmann, und zeigt auf die stacheligen Schönheiten.«Schwiegermuttersessel» werden bis zu 90 Zentimetern dick, etwa 1,30Meter hoch und können laut Hoffmann bis zu 150 Jahre alt werden. Derwissenschaftliche Name «Echinocactus grusonii» erinnere an denMagdeburger Industriellen Hermann Gruson (18211895), der seinerzeitdie größte Kakteensammlung Europas besaß. Auch heute noch finden sichin seinen alten Gewächshäusern in der Landeshauptstadt vieleExemplare.
Der Botanische Garten in Halle entstand 1698, vier Jahre nach derUniversitätsgründung, und war einer der ersten in Preußen. Zunächstbestand sein Zweck darin, Medizinstudenten mit den damals bekanntenHeilpflanzen als «horti medici» als Arzneigarten bekanntzumachen.Inzwischen erstreckt sich die Anlage inmitten der Stadt über ein 4,5Hektar großes Areal, auf dem rund 12 000 Arten kultiviert werden.«Für einen so begrenzten Raum sind das sehr viele Pflanzen»,beschreibt Hoffmann eine weitere Besonderheit des BotanischenGartens, der ab Mai nach der Winterpause wieder für alle Besucherzugänglich ist.
Nach Angaben von Experten gibt es in Deutschland 65 BotanischeGärten, zwei davon in Sachsen-Anhalt. So zähle neben Halle auch dasEuropa-Rosarium in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) dazu.Die ältesten Botanischen Gärten Europas seien um die Mitte des 16.Jahrhunderts in Italien angelegt worden, die ältesten deutschen seienin Leipzig (1580), Jena (1586) und Heidelberg (1593).
Eine Vielfalt an exotischer Flora gibt es in Halle auch in denhohen Gewächshäusern zu sehen. So ist es im Tropenhaus angenehm warm,die Luftfeuchtigkeit indes für europäische Verhältnisse sehr hoch.«Hier wird auch jeden Morgen gegossen», sagt ein Gärtner und zeigtbeispielsweise auf prächtig gedeihende Bananenstauden, Pfeffer- undKaffeepflanzen. Ein Bambus stößt sogar an das Glasdach: «Er wächst 20bis 30 Zentimeter am Tag und muss öfter gestutzt werden», ergänztGarten-Chef Hoffmann. Im benachbarten Victoria-Haus breitet dienamensgebende Riesenseerose ihre Blätter aus.
«Die eigentlichen Besonderheiten dieses Gartens liegen eher imVerborgenen», sagt Hoffmann und verweist auf den für dieÖffentlichkeit nicht zugänglichen Teil der Anlage, der für Lehr- undForschungszwecke bestimmt ist. In dem Komplex der vier sogenanntenExkursionshäuser werden Arten kultiviert, die von Wissenschaftlernauf Forschungsreisen gesammelt wurden. «Unsere Spezialität sind hier Pflanzen aus Zentralasien», sagt Hoffmann. Dazu zählten mongolischeHalbwüsten- und Steppenarten, die wegen ihres Vorkommens unterextremen klimatischen Bedingungen für Biologen interessant seien.Zudem gebe es seit Mitte des 19. Jahrhunderts Samenkataloge, ausdenen andere botanische Gärten in Halle bestellen können.