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Gerlinde Kuppe Gerlinde Kuppe: Lächelnd auf dem Weg ins Abseits

Von HENDRIK KRANERT 11.09.2009, 18:39

MAGDEBURG/MZ. - Da reicht der Pförtner. Der ungewöhnliche Eingang existiert seit dem Umbau des Gebäudes zur Jahrtausendwende, doch derzeit ist seine Wirkung besonders eigenartig: Es scheint, als wolle sich die Sozialministerin so vor allem Übel dieser Welt schützen.

Ärger gab und gibt es in Kuppes zweiter Amtszeit genug: Die Pannenserie der Sozialdemokratin ist beachtlich. Und wenn man sich den derzeitigen Umgang der Partei mit Kuppe anguckt, entsteht der Eindruck, dass die SPD ihre Ministerin mehr oder minder zum Rücktritt auffordert.

In der vergangenen Woche erlebten die sozialdemokratischen Kuppe-Beschimpfungen ihren bisherigen Höhepunkt: Erst hackte Fraktionschefin Katrin Budde auf Kuppe ein, dann folgte eine heftige verbale Attacke von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) im Landtag. Auslöser waren zwei Kündigungsschreiben an soziale Träger, die Kuppe vor Abschluss der Etatberatungen in Kabinett und Landesparlament versandt hatte (die MZ berichtete).

Eine Woche später sitzt Gerlinde Kuppe in ihrem Büro und lächelt tapfer. Sie wirkt trotz ihrer 63 Jahre noch immer mädchenhaft. Doch das Lächeln ist nur Fassade - dahinter kommt eine dicke Mauer. Kuppe antwortet nicht auf Fragen, sie gießt Stereotype in ellenlange Sätze. Die Ministerin spricht viel und sagt wenig. Wo Spitzenpolitiker sich in ähnlicher Lage verärgert zeigen, räsoniert sie über die Solidarität in ihrer Partei. Doch solidarisch ist die SPD schon lange nicht mehr mit Kuppe. Hintertrieben wäre das bessere Wort.

Etwa in der Geschichte mit den Briefen an die Vereine. Kuppe soll, so heißt es, in der Fraktion erklärt haben, welche Folgen die Sparpolitik für Sozialverbände hätte und dass die gewarnt werden müssten. "Das halten wir aus, wir stehen zu dir", sei ihr geantwortet worden. Das Gegenteil war der Fall. Es ist nicht das erste Mal, dass Kuppe sich in der eigenen Fraktion eine blutige Nase holte.

Beim Nichtraucherschutz etwa setzte die SPD gegen den erklärten Willen ihrer Ministerin Ausnahmen durch; beim Kinderschutzgesetz wurde ihr Entwurf auch von der eigenen Fraktion als zu dünn und verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft. Und bei einer geplanten Reduzierung von Schwangerschaftsberatungsstellen stellte SPD-Fraktionschefin Budde ihr gar ein Ultimatum, die Pläne wieder zurückzunehmen. Während dies in Kuppes Umgebung als "einzigartiger Affront" eingestuft wurde, beißt die Ministerin die Zähne zusammen, lächelt und formt Sätze wie: "Vom Grundsatz her sind wir uns schon einig, nur nicht über den Weg". Immerhin: "Manchmal vermisse ich Rückhalt."

Das war mal anders. Als Kuppe von 1998 bis 2002 Sozialministerin war, galt sie als zielstrebig und durchsetzungsstark. "Sie wusste, was sie wollte", erinnert sich der Vorsitzende des Sozialausschusses, Detlef Eckert (Linke). "Damals hatte sie einen ganz anderen Schwung, eine ganz andere Begeisterung", findet auch FDP-Sozialexpertin Lydia Hüskens. Und heute? Heute führe sie nette Gespräche und sei orientierungslos, so Eckert. Hüskens Urteil fällt kaum besser aus: "Ihre Durchsetzungskraft geht gegen Null."

Die Ursache dafür ist auch im Sozialministerium selber zu suchen: In ihrer ersten Amtszeit verfügte sie über einen starken Staatssekretär, der ihr den Rücken frei hielt und im Haus gut vernetzt war. Jetzt hat Kuppe eine Staatssekretärin namens Christiane Dienel. Die Demografie-Expertin war Kuppe von Finanzminister Bullerjahn ins Haus gedrängt worden. Das Experiment scheiterte, bevor es richtig begann. Dienel ging kurz nach ihrem Amtsantritt in den Schwangerschaftsurlaub. Wieder im Amt, fiel sie mit Nonsensmeldungen auf. So plädierte sie etwa für Musikunterricht in Schulbussen. Ihr Plan, Studenten aus Sachsen-Anhalt mit Ostprodukt-Paketen zurück zu holen, brachte ihr den Spitznamen "Heimatschachtel" ein. Jetzt seufzt selbst Bullerjahn im kleinen Kreis, dass er "ratlos" sei. Dienel liege wohl das Teamspiel nicht. "Kuppe lässt sie aber auch nicht", heißt es aus der SPD-Fraktion. Offiziell schweigt man lieber zu Kuppes Amtsführung.

Die Ministerin verliert bei der Frage nach Dienel einen Moment die Fassung, aus dem Lächeln werden spitze Lippen: "Wir haben alle gewusst, dass wir keine Verwaltungsfachfrau bekommen. Das ist aber der Preis, den wir für Vorzüge anderer Art zahlen." Für Kuppe ist das schon ein deutlicher Satz.

Die Folge: Gerlinde Kuppe führt ihr Ministerium mit einer Art Küchenkabinett, dem im Höchstfall drei Vertraute angehören. Die Stimmung im Haus sei miserabel, heißt es. Der Krankenstand soll einer der höchsten unter allen Ministerien sein.

Für die Sozialdemokraten wird so die Sozialministerin immer mehr zum Problem, je näher die nächste Landtagswahl rückt. Um wieder an Profil zu gewinnen, will sich die SPD - wie zu hören ist - nach der Bundestagswahl in der Sozialpolitik neu aufstellen. "Aus der konzeptionellen Arbeit ist das Ministerium raus", tönt es. Gerlinde Kuppe wohl auch.