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Russische Kosmonautin Erste Frau im Weltall: Valentina Tereschkowa - Die Möwe wird 80

Von Thomas Körbel 04.03.2017, 14:00
Die erste Frau im Weltraum: Valentina Tereschkowa 1963.
Die erste Frau im Weltraum: Valentina Tereschkowa 1963. dpa

Moskau/Berlin - Die Kosmonautin Valentina Tereschkowa, Funkname „Tschaika“ (Möwe), ist als erste Frau im All ein Vorbild für Generationen. Aber warum sind bis heute nur wenige russische Frauen ins All geflogen?

Die „First Lady des Kosmos“ und Raumfahrtikone Russlands hat in der Sowjetunion eine kommunistische Vorzeigekarriere hingelegt. Heute sitzt sie für die Kremlpartei Geeintes Russland im Parlament. Mehr als 50 Jahre nach ihrem historischen Flug gilt sie als lebende Legende. Doch trotz ihrer Pionierleistung spielen Frauen in der russischen Raumfahrt bis heute eine Nebenrolle. An diesem Montag wird die Möwe 80 Jahre alt.

Als die damals 26-Jährige am 16. Juni 1963 mit der Kapsel „Wostok 6“ zu fast 49 Erdumrundungen aufbricht, feiert die Sowjetunion sie als Volksheldin. Auf ihrem fast dreitägigen Flug nähert sie sich auf wenige Kilometer an die Kapsel „Wostok 5“ an, in der ihr Kollege Waleri Bykowski sitzt.

Flug der Kosmonautin Tereschkowa verlief nicht optimal

Der Flug der Möwe verlief nicht so perfekt wie geplant. Es stellte sich heraus, dass der Computer nicht korrekt programmiert war. Einige Male soll die Kosmonautin die Anweisungen des Flugleitzentrums missachtet haben.

Wegen eines Fehlers im Steuersystem, kann das Landemanöver zunächst nicht wie geplant eingeleitet werden und der Computer erhält neue Daten. Am 16. Juni 1963 landet sie dann wohlbehalten bei Nowosibirsk. Alle Berichte über die Fehler blieben aber bis 1991 geheim, man wollte sich vor dem Konkurrenten Nasa keine Blöße geben.

Es ist die Zeit, als die UdSSR im kosmischen Wettlauf gegen die USA Triumph an Triumph reiht: 1957 schickt sie den ersten Satelliten ins All; 1961 kreist Juri Gagarin als erster Mensch um die Erde. Die Erfolge beflügeln den Wettstreit der Supermächte im Kalten Krieg.

Tereschkowa: „Natürlich bin ich enttäuscht“

Doch was die Sowjet-Führung als „Beweis für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Sozialismus“ preist, bleibt lange Zeit eine Eintagsfliege. Zwar sind seit 1963 rund 60 Frauen ins All geflogen, aber nur vier Russinnen. Auch die Europäer steckten bislang nur drei Frauen in Raumanzüge, 46 Astronautinnen kommen aus den USA. Eine deutsche Astronautin gibt es bislang nicht. Bis zum Flug von Swetlana Sawizkaja 1982 bleibt Tereschkowa sogar die einzige Frau, die je die Erde verlassen hat.

„Natürlich bin ich enttäuscht“, sagte Tereschkowa 2015 bei einer Weltraumausstellung in London darüber, dass Russland viel weniger Frauen ins All geschickt hat als die USA. „Aber ich denke, das Verhältnis zu spezialisierten Frauen wird sich ändern.“ Mit einem Lächeln wendet sie sich dabei Agenturen zufolge an einen Vertreter der Raumfahrtbehörde Roskosmos: „Haben Sie mich gehört?“

Zwar flog zuletzt 2014 die Russin Jelena Serowa zur Internationalen Raumstation ISS, aber Moskauer Experten kritisieren, dass die Arbeit im All noch immer eine Männerdomäne ist. „Es ist eine Sache, Frauen die Sterne zu versprechen, aber eine völlig andere, ihnen zu erlauben, die Sterne zu erobern“, kommentiert der Journalist Sergej Leskow. „Raumfahrt ist nichts für Frauen“, meinte die Raumfahrtlegende Alexej Leonow noch vor wenigen Jahren.

Der Russe war 1965 als erster Mensch aus seinem Raumschiff an einer Sicherheitsleine ins All geschwebt. Schon Tereschkowas Flug habe gezeigt, dass Frauen dem Kosmos physisch nicht gewachsen seien, sagte er und spielte damit auf angebliche Gesundheitsprobleme an.

Valentinas Weg zu den Sternen nicht vorgezeichnet

Bester Gegenbeweis sind die 46 US-Astronautinnen mit Peggy Whitson an der Spitze. Die 57-jährige Biologin arbeitet derzeit auf der ISS und stellt mit ihrem dritten Raumflug Rekorde auf: als älteste Frau im All und als Frau - nach ihrer für Mai geplanten Rückkehr zur Erde auch als US-Bürger - mit dem längsten Weltraumaufenthalt.

Valentina Tereschkowa blieb ein zweiter Raumflug verwehrt. Dennoch wird sie sowohl in der Sowjetunion als auch im heutigen Russland für ihre Leistung verehrt. Die Staatsduma plant zu ihrem Geburtstag ein Fest. Dabei war ihr Weg zu den Sternen nicht vorgezeichnet. Geboren 1937 in einem Dorf im Gebiet Jaroslawl an der Wolga, wächst sie ohne Vater auf. Er war im Krieg gefallen. Als Jungkommunistin arbeitet sie zunächst in einer Textilfabrik. Doch will sie sich damit nicht begnügen. „Ich wollte dem Himmel nahe sein. Daher begann ich mit Fallschirmspringen“, erinnert sie sich.

An einer Abendschule bildet sie sich als Technikerin fort und bewirbt sich für das erste Team weiblicher Kosmonauten. Dass sie bei der Auswahl für den Flug den Vorzug gegenüber vier Kolleginnen erhält, hängt auch an ihrem Vorzeigeprofil als „einfache sowjetische Frau“. Kremlchef Nikita Chruschtschow soll sie protegiert haben, heißt es.

„Ich war bereit, mein Leben der Raumfahrt zu opfern“

Zu Sowjetzeiten steigt die Kosmonautin Tereschkowa zur ranghohen Funktionärin auf. Seit 2011 ficht die wertkonservative Frau mit der schwungvollen Föhnfrisur in der Staatsduma für die Sache von Präsident Wladimir Putin. Sie steht zum Kremlchef und schlug 2016 vor, ihm zum 64. Geburtstag einen Korb Rosen zu schicken. Noch im hohen Alter würde Tereschkowa am liebsten wieder ihren Funkcode „Tschaika“ (Möwe) von einst aus dem All zur Erde senden.

„Ich war bereit, mein Leben der Raumfahrt zu opfern, und ich bin es noch immer“, versichert sie. Der Mars mit seinen Rätseln und Mythen habe sie seit jeher fasziniert, sagt sie der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ zufolge 2016. „Ein Flug zum Roten Planeten - das war der Traum der ersten Kosmonauten“, erzählt sie. „Ach, wenn ich es doch machen könnte! Ich wäre bereit zu fliegen - auch ohne Rückkehr!“  (mz)

Valentina Tereschkowa auf einer Aufnahme aus  dem Jahr 2008.
Valentina Tereschkowa auf einer Aufnahme aus  dem Jahr 2008.
dpa