Dornburg Dornburg : Dornröschens Märchenschloss
Dornburg - Um Dornburg zu besuchen, orientiert man sich in Sachsen-Anhalt gewöhnlich gen Süden. Die drei Dornburger Schlösser bei Jena sind auch, aber nicht allein durch Goethes Aufenthalte weithin bekannt. Um zu einem faszinierenden Dornburger Schloss zu gelangen, kann man aber auch nach Norden reisen. Gut 20 Kilometer südöstlich von Magdeburg findet sich Dornburg. Das Herz des zur Stadt Gommern gehörenden Ortes bildet ein Schloss. Weil es aber wegen seiner Nutzung als staatliches Archiv vor 1989 und aufgrund des Leerstands nach der Wende in einen Dornröschenschlaf gefallen ist, ist die imposante Residenz kaum bekannt. Sehr zu Unrecht, denn Schloss Dornburg ist ein großartiges Beispiel für eine barocke Palastarchitektur. Dass es bislang noch keiner Nutzung zugeführt werden konnte, ist deshalb sehr bedauerlich. So empfinden es auch die Mitglieder der Stengel-Gesellschaft Dornburg (Elbe), ein Bürgerverein, der sich den Erhalt des baulichen Erbes derer von Anhalt-Zerbst-Dornburg auf die Ehrenamts-Fahnen geschrieben hat.
Auf die Frage, warum er sich in Dornburg engagiere, sagt Stefan Schüler aus Schönebeck, seines Zeichens Vorstandsmitglied der Stengel-Gesellschaft und vorzüglicher Kenner der Schlossgeschichte: „Seitdem ich 1976 bei einer Radtour das Schloss zum ersten Mal gesehen habe, bin ich von seinem Anblick und der Einbindung in die Elbauenlandschaft fasziniert. Noch heute ist es ein großes Abenteuer, die Geschichte zu erforschen und sie anderen Interessierten zugänglich zu machen.“
Anhalt-Zerbst auf der Weltbühne
Spannend wird die lange Geschichte von Dornburg mit Christian August von Anhalt-Zerbst. Verheiratet war er mit Johanna Elisabeth von Holstein-Gottorp. Aus dieser Ehe ging Tochter Sophie Auguste Friederike (1729-1796) hervor. Mit diesem Mädchen sollte Anhalt-Zerbst die Weltbühne betreten. 1744 kam die Prinzessin nach Russland, wo sie zum orthodoxen Glauben übertrat, den Namen Katharina annahm und den russischen Thronfolger heiratete. 1762 sollte Katharina II., die man bald „die Große“ nannte, ihren Gemahl, Zar Peter III., stürzen und Alleinherrscherin über das größte Reich der Welt werden.
In ihren Memoiren erinnert sich die Zarin auch an ihre Aufenthalte im Dornburger Schloss, zu ihrer Zeit noch ein Vorgängerbau jener Anlage, die heute zu bestaunen ist: „Sehr gern weilte ich in einem ländlichen Schloss meines Vaters in Anhalt, das zu seiner Apanage gehörte. Es hieß Dornburg und lag nicht nur schön, sondern war auch innen und außen so hübsch wie möglich hergerichtet.“
Das Schloss, durch das Katharina die Große als Kind streifte, brannte 1750 ab. Da ihre Mutter Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst einen Witwensitz benötigte, ging man sofort an die Planung einer neuen Anlage. Nur acht Wochen nach dem Brand wurde der Architekt Friedrich Joachim Stengel (1694-1787) – nachdem sich auch die Gesellschaft der Dornburg-Freunde benannte – mit dem Neubau des Schlosses beauftragt. Der aus Zerbst gebürtige Baumeister hatte sich zuvor mit seinem Entwurf für das Schloss in Saarbrücken einen Namen gemacht.
Die Fürstin, die Dornburg als Alterssitz wählen wollte, war auf Sparsamkeit bedacht: Sie drang darauf, dass nur ein Hauptgebäude ohne Flügel ausgeführt werden möge. Die dafür von Stengel ausgefertigten Baupläne, die als verschollen galten, fanden sich im Jahr 2002 in der Eremitage in St. Petersburg.
Schloss bereit für hohen Besuch, der nie kam
Stengel, der in Saarbrücken lebte, war nur zweimal vor Ort, das fertige Schloss hat er nie gesehen. Mit seiner 19 Achsen zählenden Fassade wirkt der Bau sehr imposant – und gleichzeitig ziemlich verloren in dem Dörfchen, das nur wenige Häuser zählt. Der Palast mit seinen 80 Zimmern war freilich nicht auf die Umgebung zugeschnitten, sondern auf die potenziellen Gäste, die er hätte beherbergen können. Schloss Dornburg sollte einer kaiserlichen Majestät wie Katharina der Großen würdig sein. Allerdings hat die russische Zarin niemals den Fuß in das Schloss ihrer Mutter gesetzt. Doch auch die Bauherrin verbrachte ihren Lebensabend nicht in Dornburg, sondern als politischer Flüchtling in Paris, nachdem König Friedrich II. von Preußen Anhalt militärisch besetzt hatte.
Von da an war Schloss Dornburg seiner Bestimmung beraubt. Nachdem der letzte Herrscher von Anhalt-Zerbst, Friedrich August, kinderlos gestorben war, wurde die Herrschaft 1797 auf die verbliebenen anhaltischen Fürstenhäuser Bernburg, Dessau und Köthen aufgeteilt. Dornburg und sein Schloss fiel durch Losentscheid an Köthen. Der letzte Herzog von Anhalt-Köthen nutzte einige Räume des Anwesens bis zu seinem Tod 1847 als Sommerresidenz.
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Leben zog erst wieder ein, als der Gutsbesitzer Justus Leopold Hühne 1872 das Rittergut samt Schloss erwarb. 1932 verpachtete es seine Enkelin Liselotte an die SA. Die nutzte es zunächst als Arbeitsdienstlager und auch als „wildes KZ“. Dornburg überstand den Zweiten Weltkrieg dank seiner abseitigen Lage fast unbeschadet; allein beim Vorrücken der US-Truppen im Frühjahr 1945 traf eine Granate das nördliche Treppenhaus.
Der fortschreitenden Zerstörung konnte erst Jahre später Einhalt geboten werden, als die Denkmalpfleger, Hans Berger und Heinrich Schuster sehr findig argumentierten, dass Dornburg durch seine Verbindung zu Zarin Katharina II. ein gebautes Zeichen der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft sei. Dieser Schachzug verhinderte den Abriss. 1954 konnte das Dach des ruinösen Gebäudes gesichert werden, und fünf Jahre später fand sich mit der Staatlichen Archivverwaltung Potsdam ein neuer Mieter. Wegen der Nutzung als Archiv wurde das Schloss abgeriegelt und durch einen noch heute zu sehenden Zaun gesichert, wie er auch an der innerdeutschen Grenze Verwendung fand. Bald machte deshalb das Gerücht vom „Geheimarchiv“ die Runde.
Schloss Dornburg geriet in der DDR in Vergessenheit. Im anderen Teil Deutschlands erinnerte man sich 1977 an den von Stengel errichteten Fürstensitz. Da man dessen Schloss in Saarbrücken rekonstruieren wollte, erhoffte man sich Rückschlüsse durch eine Begutachtung des Dornburger Schwesterbaues. Erich Honecker, der gebürtige Saarländer, gestattete die Reise in den damaligen Bezirk Magdeburg. Abgeordnete des Saarbrücker Stadtverbandes, Denkmalpfleger, Architekten, Journalisten und ein ARD-Kamerateam waren vom 29. Juni bis 2. Juli 1977 in der DDR und sahen sich in Dornburg um. Ein Beitrag über den Besuch war am 5. Juli in der „Landesschau“ des Saarländischen Rundfunks zu sehen.
Vor dem Verfall gerettet
Der Archivbestand (unter anderem Vorkriegs-Akten von Siemens) blieb bis 1992 im Schloss, wurde dann von der Bundesrepublik übernommen und abtransportiert. Das Gebäude schenkte man dem Land Sachsen-Anhalt. Mehrere Verkaufsversuche scheiterten. So wollte 1996 ein Investor das Schloss zur Seniorenresidenz umwandeln. Das Vorhaben zerschlug sich ebenso wie die im Jahr 2000 ins Spiel gebrachte Idee, das Objekt als Fundus für das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt zu nutzen. In dieser Zeit wurde wenigstens das Dach neu gedeckt, so dass das Gebäude vor dem Verfall gerettet ist.
Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist allerdings kein neuer Käufer für die imposante Anlage in Sicht. Umso wichtiger ist es daher, dass ein Verein wie die Stengel-Gesellschaft in Dornburg dafür Sorge trägt, dass dieses Kleinod barocker Palastarchitektur nicht aufs Neue in einen langen Dornröschenschlaf versinkt.
Führungstermine und Infos unter: www.stefan-schueler.de