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Diagnose Schlaganfall Diagnose Schlaganfall: Wenn der Partner mit einem Schlag ein Fremder wird

Von Bärbel Böttcher 11.04.2019, 10:00
Ein Arzt erklärt die Veränderungen im Hirn, ausgelöst vom Schlaganfall.  Um die Folgen eines Gehirnschlages  einzugrenzen, sollte bei ersten Anzeichen ein Arzt konsultiert werden. 
Ein Arzt erklärt die Veränderungen im Hirn, ausgelöst vom Schlaganfall.  Um die Folgen eines Gehirnschlages  einzugrenzen, sollte bei ersten Anzeichen ein Arzt konsultiert werden.  dpa

Halle (Saale) - Es ist die Einsamkeit, die Monika Schäfer zu schaffen macht. Seit mehr als zehn Jahren pflegt die heute 57-Jährige ihren schwerkranken Ehepartner Max. Inzwischen braucht der 75-Jährige rund um die Uhr Hilfe. Beim Aufstehen, beim Waschen, beim Anziehen, beim Essen, beim Toilettengang ... „Wie ein Kleinkind“, sagt seine Frau. Ein normales Gespräch sei mit ihm nicht mehr möglich. „Er lebt in seiner eigenen Welt.“

Kinder haben die Schäfers nicht. Freunde leben weit entfernt, denn Monika und Max Schäfer sind der Arbeit wegen oft umgezogen und erst seit wenigen Jahren wieder in Halle heimisch. Verwandte haben sich zurückgezogen. „Sie wollen von alledem nichts hören oder glauben es gar nicht“, erzählt die Frau. „Und wenn sie das Elend denn mal mit eigenen Augen gesehen haben, kommen sie kein zweites Mal.“

Diagnose Schlaganfall 

Es ist der Mai des Jahres 2006, als Max Schäfer seinen ersten Schlaganfall erleidet. Er ist mit seiner Frau in den alten Bundesländern unterwegs. Die beiden haben sich als Hausmeisterehepaar in einer Wohnanlage beworben und stellen sich bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber vor. Schon dieses Gespräch sei merkwürdig verlaufen, sagt Monika Schäfer.

Welche Hilfe steht pflegenden Angehörigen zur Verfügung? Antwort auf diese und viele andere Fragen erhalten die Besucher der MZ-Pflege-Messe am kommenden Sonntag, dem 14. April.

Ort und Zeit: Die Messe findet statt im halleschen MZ-Medienhaus, Delitzscher Straße 65. Beginn ist 10 Uhr, Ende 17 Uhr.

Eintritt: Der Eintritt ist für alle Besucher kostenlos.

Anfahrt: Das MZ-Medienhaus ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Für Nicht-Hallenser, die mit der Bahn anreisen: Am Hauptbahnhof steigen Sie in die Straßenbahnlinie 7 - Richtung Büschdorf - und steigen an der Haltestelle Fiete-Schulze-Straße wieder aus. Sie befindet sich direkt vor dem Eingang des MZ-Medienhauses.

Parken: Für alle, die mit dem Auto kommen, stehen Parkplätze am MZ-Medienhaus kostenlos zur Verfügung.

Kulinarisches: Für das leibliche Wohl der Messe-Gäste sorgt die MZ Mahlzeit GmbH.

Weitere Informationen: mz.de/vitalmesse-pflege

Auf der Rückfahrt fällt ihr dann auf, dass ihr Mann Schwierigkeiten beim Autofahren hat, kaum noch die Straße erkennt. Ein Zeichen von Übermüdung nach vielen Kilometern am Lenkrad? Auch nach einer Nacht Rast bei Verwandten bessert sich sein Zustand nicht. Im Gegenteil. Max Schäfer sieht das Glas Wasser nicht, das ihm hingestellt wird. Er greift daneben. Auch die Muskeln seiner rechten Gesichtshälfte gehorchen ihm nicht mehr. Die Eheleute schaffen es gerade noch bis nach Hause. Dort sucht der Mann einen Arzt auf. Der stellt die Diagnose: Schlaganfall.

Plötzlich ein ganz anderer Typ Mensch

In der Klinik kommt es zu einem zweiten Gehirnschlag. Doch Max Schäfer erholt sich schnell. Schon nach etwa einer Woche kann er in eine Reha-Einrichtung überwiesen werden. Als ihn Monika Schäfer dort zum ersten Mal besucht, findet sie ihn ganz verändert vor. Zwar kann er wieder ganz gut laufen und sprechen. „Aber seine Höflichkeit war weg“, erzählt sie. Und ihr fällt sein starrer Gesichtsausdruck auf. Sie hofft, dass sich das wieder gibt. Denn sie kennt ihren Max als zuvorkommenden Mann - hilfsbereit und nett gegenüber jedermann.

Doch Monika Schäfers Hoffnung wird enttäuscht. Wieder zu Hause bleibt er ihr irgendwie fremd. „Es war ein völlig anderer Mann“, sagt sie. Von nun geht keine Freundlichkeit mehr von ihm aus. Es gibt auch kein Lächeln. Nur noch eine versteinerte Miene. „Und wehe, wenn ich gelacht habe. Dann hieß es, ich lache ihn aus.“ Es fällt ihr schwer, mit dieser Situation umzugehen, zu akzeptieren, dass ihr Partner vom Typ her ein ganz anderer geworden ist. Im tiefsten Inneren weiß sie, dass es die Krankheit ist, die ihn verändert hat. Aber ihre Seele leidet.

Nach dem dritten Schlaganfall Pflegestufe 4 zuerkannt

Dennoch: Monika Schäfer kümmert sich rührend um den Mann. Auch nach seinem dritten Schlaganfall, den er 2013 erleidet, versucht sie alles, damit seine noch vorhandenen Fähigkeiten nicht völlig verkümmern. Sie schafft es beispielsweise, dass er in der Wohnung wieder ein paar Schritte laufen kann und nicht mehr nur im Rollstuhl sitzt. „Ich darf ihn nicht zu sehr verwöhnen, nicht bei jeder Kleinigkeit helfen“, sagt sie. Auch wenn das leichter gesagt ist als getan. Denn Max Schäfer baut mit der Zeit immer mehr ab.

Allein kann er so gut wie gar nichts mehr. Nicht umsonst wird ihm der Pflegegrad 4 zuerkannt, was „schwerste Einschränkungen der Selbstständigkeit“ voraussetzt. Das ist bitter für einen Mann, der vorher handwerklich begabt war, im Haushalt alles selbst repariert hat und kreativen Hobbys nachgegangen ist. Die Wohnung der Schäfers hängt voller Bilder, die er gemalt hat. Porträts, Landschaften. Auch Holzschnitzereien waren sein Steckenpferd. Nun geht gar nichts mehr. Zumal sich schleichend weitere Krankheiten entwickeln. Zum Beispiel eine chronische Lungenentzündung.

Ehefrau gerät physisch und psychisch an ihre Grenzen

Für seine Frau ist die Pflege körperlich anstrengend. Sie ist selbst nicht ganz gesund, hat mehrere Knieoperationen hinter sich. Auch psychisch gerät sie an ihre Grenzen. Nie kommt sie zur Ruhe. Immer, wenn Monika Schäfer denkt, sie könne sich mal kurz hinsetzen und ausruhen, da artikuliert ihr Mann einen Wunsch.

Manchmal gelingt es ihr dann nur mit Mühe, eine gewisse Aggressivität zu unterdrücken. „Aber“, so sagt sie, „der arme Mann kann ja nichts dafür“. Nachts findet sie dann keinen Schlaf. „Wenn ich eine Weile nichts von meinem Mann höre, dann stoße ich ihn an“, erzählt sie. „Ich habe Angst, dass er stirbt.“

Anfang Januar zieht sie die Notbremse. Um wenigstens tagsüber etwas Zeit für sich selbst zu gewinnen, meldet Monika Schäfer ihren Max in der Tagespflege an. Dort weiß sie ihn dreimal in der Woche gut aufgehoben. Und er geht nach anfänglicher Befürchtung, abgeschoben zu werden, gern hin. Ihn ganz in ein Pflegeheim zu geben, das kommt nicht in Frage. Nicht einmal einen ambulanten Pflegedienst schaltet die Frau ein. „Noch kann ich das allein, egal, wie schwer mir das fällt und so unangenehm das auch ist“, sagt sie.

Kraft schöpfen aus Erinnerungen - Selbsthilfegruppe als Anker

Die Eheleute kennen sich seit 40 Jahren. Im nächsten Jahr könnten sie ihren 30. Hochzeitstag feiern. „Doch wer weiß schon, was im nächsten Jahr ist“, sagt Monika Schäfer. Im Moment plant sie nicht länger als zwei Wochen voraus. Kraft schöpft sie aus der Erinnerung. „Wir haben früher viel unternommen, viel erlebt.“

Um wenigstens ab und zu unter Menschen zu kommen, hat sie sich der Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saalekreis angeschlossen. Mittlerweile leitet sie diese sogar. „Da komme ich mal raus, sehe und höre mal was anderes“, sagt sie. „Nur immer zu Hause zu sitzen, das macht mich kaputt.“ Einmal im Monat trifft Monika Schäfer nun Menschen, mit einem ähnlichen Schicksal. Mit ihnen tauscht sie sich aus. Sie organisiert Vorträge von Ärzten oder anderen Fachleuten, um sich auf dem Laufenden zu halten. Doch nicht alles dreht sich dort nur um die Krankheit. Es wird auch gefeiert. Mitunter stehen Ausflüge auf der Tagesordnung.

Es ist für Monika Schäfer eine Ablenkung, eine Möglichkeit, ihrer Einsamkeit wenigstens ein Stück weit zu entfliehen.  (mz)