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Der Frust der Lkw-Fahrer  Der Frust der Lkw-Fahrer : Trucker kämpfen gegen schlechten Ruf

Von Christian Schafmeister 21.10.2014, 06:28
Ralf Kreißler, Mitarbeiter des Spedition Finsterwalder, in der Kabine seines Sattelzuges.
Ralf Kreißler, Mitarbeiter des Spedition Finsterwalder, in der Kabine seines Sattelzuges. andreas stedtler Lizenz

Halle (Saale) - Am vergangenen Wochenende war es wieder so weit. Nach einem Lkw-Unfall bei Könnern (Salzlandkreis) musste die A14 gesperrt werden. Zuvor hatte der Fahrer eines Transporters eine Vollbremsung machen müssen, weil ein Auto von einem Rastplatz plötzlich auf die Autobahn einbog. Ein Lkw-Fahrer hinter dem Transporter musste ebenfalls scharf bremsen und verlor dabei einige Zwiebelfässer. Über den Nachrichtenticker lief die Schlagzeile: „Lastwagen verliert Zwiebelfässer auf A 14 - fünf Stunden Sperrung.“

Es sind Meldungen wie diese, die viele Lkw-Fahrer ärgern. Sie fühlen sich oft zu Unrecht für Unfälle und Behinderungen verantwortlich gemacht. Von den Medien, von Pkw-Fahrern, selbst von Freunden und Bekannten. „Es kommt schon vor, dass die Leute ihren Frust bei mir ablassen, sobald sie von einem Unfall hören, in den ein Lkw verwickelt ist“, sagt Ralf Kreißler, Berufskraftfahrer der Spedition Finsterwalder in Halle. „Das versuche ich teils mit Humor zu nehmen, aber manchmal braucht man auch ein dickes Fell.“ Was er und viele seiner Kollegen am meisten beklagen, ist, dass die Perspektive der Lkw-Fahrer zu wenig berücksichtigt werde. Wie auf der A 9 bei Günthersdorf (Saalekreis).

Schuldfrage schnell geklärt

In einer Baustelle gibt es dort nur drei schmale Spuren. Ralf Kreißler steuert seinen 16 Meter langen Sattelzug an diesem Freitagmittag konzentriert auf der rechten Spur. Rechts kommt er fast schon an den Grünstreifen mit der Leitplanke heran, links wird er überholt und teils noch weiter nach rechts abgedrängt. „Sollte ich mit dem Reifen auf den Grünstreifen kommen, besteht die Gefahr, dass ich den gesamten Sattelzug verreiße“, erklärt der 48-Jährige aus Weißenfels (Burgenlandkreis).

Aus Sicherheitsgründen gelten für die Lenkzeiten der Lkw-Fahrer in Deutschland spezielle Regelungen. Danach dürfen die Fahrer an zwei Tagen in der Woche höchstens zehn Stunden am Steuer sitzen, an den anderen Tagen sind maximal neun Stunden erlaubt. Die Gesamtlenkzeit in zwei aufeinander folgenden Wochen darf 90 Stunden nicht überschreiten

Eine Pause von mindestens 45 Minuten muss der Fahrer nach spätestens 4,5 Stunden einlegen. Diese Pause kann allerdings auch in mehreren Blöcken genommen werden, diese Blöcke müssen aber jeweils mindestens 15 Minuten dauern.

Innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden muss außerdem eine zusammenhängende Ruhezeit von mindestens elf Stunden eingelegt werden. Drei Mal in der Woche darf diese Ruhezeit auf neun Stunden verkürzt werden. (mz)

Und so etwas komme durchaus vor. Zu erkennen sei das an den Lkw-Reifenspuren auf den Grünstreifen entlang der Autobahnen. „Wenn es eine kurze Baustelle ist, mache ich manchmal mit meinem Sattelzug beide Spuren zu“, räumt der Fahrer ein. „Das ist zwar eigentlich nicht erlaubt, es dient aber nicht nur meiner Sicherheit, sondern auch der Sicherheit der Pkw-Fahrer.“

Doch manchmal sind die Baustellen eben länger. Wie vor einiger Zeit auf der A1 bei Köln: In einer langen Kurve gilt ein Überholverbot für Fahrzeuge, die breiter sind als 2,10 Meter. Eine Frau in einem Transporter sei dennoch vorbeigezogen, habe sich dabei aber einen Spiegel abgerissen. Auf dem nächsten Rastplatz rief sie die Polizei. „Der Beamte hat gleich einen Zollstock rausgeholt und beim Transporter die Breite gemessen, von Spiegel zu Spiegel, wie es üblich ist“, erzählt Kreißler. Es war weit mehr als 2,10 Meter, die Schuldfrage war geklärt. „Mich hat diese Aktion aber eine Stunde Zeit gekostet“, so der Weißenfelser. „Immerhin hat die Frau sich entschuldigt.“

Mit welchen Widrigkeiten täglich gekämpft wird, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Damit können die Lkw-Fahrer jedoch nicht immer rechnen - im Gegenteil. Sie werden nach eigener Aussage beschimpft oder es trifft sie der Zorn anderer Autofahrer. Wie an diesem Morgen kurz vor dem Autobahndreieck Leipzig-Südost. Es sind nur wenige Fahrzeuge unterwegs, für den 48-Jährigen eigentlich entspanntes Fahren mit seinem Sattelzug.

Als ein Kollege auf die Autobahn fährt und beschleunigt, zieht Kreißler seinen Sattelzug kurz auf die linke Spur. „Das ist eine Sache von nur drei, vier Sekunden und hilft dem Kollegen, der so weiter beschleunigen kann.“ Der Pkw-Fahrer, der von hinten mit Lichthupe und hoher Geschwindigkeit angesaust kommt, hat dafür offenbar kein Verständnis.

Besser ergeht es dem Speditions-Mitarbeiter wenig später in Störmthal. Wegen einer Umleitung muss er in dem kleinen Ort mit seinem großen Sattelzug wenden. Glücklicherweise stehen keine parkenden Autos im Weg. Einziges Hindernis sind die Zweige eines Obstbaumes. Kreißler klappt seinen Spiegel ein und wendet. Dafür braucht er auch die Spur im Gegenverkehr. Ein Schulbus-Fahrer erkennt die Situation und lässt dem Sattelzug den Raum, den er benötigt. „Glück gehabt“, freut sich der Lkw-Fahrer.

Autobahn auf ganzer Breite zu

Glück gehabt hat der Weißenfelser auch auf der A 2 Richtung Ruhrgebiet. In einer Baustelle lief plötzlich nichts mehr. „Ich kam erst wenige Meter vor dem Vordermann zum Stehen. Da war mir das Herz in die Hose gerutscht.“ Inzwischen hat sich die technische Ausstattung verbessert. So hat sein Sattelzug eine automatische Abstandsregelung, erzählt der 48-Jährige, als er bei Leipzig über die A 14 fährt. Vor ihm schert ein Lkw auf die rechte Spur ein und muss bremsen. Da Kreißler mit konstantem Tempo weiterfährt, sinkt der Abstand zum Vordermann unter die vorgeschriebenen 50 Meter. „Über eine kleine Kamera erkennt der Abstandsregler das und bremst automatisch meinen Sattelzug ab.“

Doch auch die beste Technik hilft nicht, wenn sich Lkw ihre Elefantenrennen liefern. Im Ergebnis ist die Autobahn auf ganzer Breite zu, die Pkw-Fahrer kommen nicht vorbei und ärgern sich. Kreißler kennt das von Nachtfahrten nach Hessen. Die Strecke ist zwar oft dreispurig, hat aber viele Steigungen. Häufig, so seine Erfahrung, setzt zunächst ein Lkw zum Überholen an, dann drängelt sich noch ein anderer Fahrer davor. Die Folge: Das Fahrzeug, das zuerst überholen wollte, muss abbremsen und verliert am Hang komplett den Schwung. „Und dann kommen auf der dritten Spur leichtere Lkw und ziehen auch vorbei.“ Das sei eigentlich tabu und gehe nicht, räumt der Weißenfelser ein.

Ohnehin würde heute schneller und aggressiver gefahren als früher. Zudem gebe es mehr Verkehr, vor allem aus Osteuropa. Und dort seien auch die Arbeitsbedingungen viel härter. „Die Fahrer kennen meist auch keine Begrenzung der Lenkzeiten.“

Kreißler bekommt nur Druck von seiner Frau, wenn die am Wochenende neben ihm im Privat-Pkw sitzt. „Sie schimpft, wenn ich an der Kreuzung stehe und alle vorlasse“, erzählt der 48-Jährige. „Ich bin es einfach nicht gewohnt, an einer Kreuzung so schnell mit einem Auto vom Fleck zu kommen.“

Der Stress für Lkw-Fahrer ist gerade in Baustellen sehr hoch.
Der Stress für Lkw-Fahrer ist gerade in Baustellen sehr hoch.
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