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Corona-Herd in Berlin-Neukölln Corona-Herd in Berlin-Neukölln: Krankheit Covid-19 trifft die Ärmsten

Von Jan Sternberg 19.06.2020, 20:00
Ein Wohnhaus an der Harzer Straße in Neukölln, das unter Quarantäne gestellt wurde. In dem Berliner Bezirk wurden mehrere Wohnhäuser unter Quarantäne gestellt,
Ein Wohnhaus an der Harzer Straße in Neukölln, das unter Quarantäne gestellt wurde. In dem Berliner Bezirk wurden mehrere Wohnhäuser unter Quarantäne gestellt, dpa

Berlin - 369 Haushalte in der Harzer Straße in Berlin-Neukölln sind unter Quarantäne gestellt worden. 70 Menschen sind dort und an sieben anderen Standorten in Berlin inzwischen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Zahlen werden vermutlich weiter ansteigen.

„Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagt Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU). In den Häusern in der Harzer Straße wohnen viele - aber nicht ausschließlich - Roma aus Rumänien in beengten Wohnverhältnissen. Einige von ihnen wiederum gehören einer freikirchlichen Pfingstgemeinde an. Ein Pastor dieser Gemeinde könnte als Überträger des Virus infrage kommen - sogar über Berlin hinaus. So wie auch in Magdeburg.

Vom Ski-Club zur Mietskaserne

Dass Liecke in einer Pressekonferenz so offensiv über den möglichen Ursprung der Infektion sprach, macht Benjamin Marx wütend. Der Projektentwickler der katholischen Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft hat aus den heruntergekommenen Häusern an der Harzer Straße Vorzeigehäuser gemacht. Das sei struktureller Rassismus. Gegen Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) erhebt Marx diese Vorwürfe aber nicht. Hikel hatte gesagt: Das Virus habe „vom Ski-Club nun die Mietskasernen erreicht“.

Überall auf der Welt seien nun die Ärmsten am stärksten von der Krankheit betroffen, sagt der Berliner Projektentwickler Marx. In Brasilien genauso wie in Berlin-Neukölln. „Covid-19 wird eine soziale Krankheit, das ist ganz klar.“

Eine aktuelle Untersuchung bestätigt diesen Verdacht. Bei sozial benachteiligten Menschen ist das Risiko, aufgrund der Coronavirus bedingten Lungenkrankheit Covid-19 ins Krankenhaus zu kommen, deutlich erhöht. Das geht aus einer Studie der Uniklinik Düsseldorf und der AOK im Auftrag der ARD hervor.

Empfänger von ALG II haben demnach ein im Vergleich zu erwerbstätig Versicherten um 84,1 Prozent erhöhtes Erkrankungsrisiko. Für ALG-I-Empfänger liegt es um 17,5 Prozent höher. Der Analyse liegen die Daten von rund 1,3 Millionen Versicherten zugrunde. Die Forscher haben geschaut, ob von Jahresbeginn bis Anfang Juni erwerbslose Menschen häufiger mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten als andere.

Grüne fordern Plan

Die Grünen leiten daraus einen Handlungsauftrag für die Bundesregierung ab. „Die Pandemie hat eine soziale Dimension und Schieflage, gegen die die Bundesregierung viel stärker ankämpfen muss“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. „Die Bundesregierung muss einen Plan vorlegen wie die wirtschaftlich Schwächsten in unserer Gesellschaft nicht zu Kranken werden.“ (mz)