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Deutsche Küche in Naumburg: Die "Thüringer Pforte" in der Michaelisstraße

Von Bernd Martin 09.01.2017, 15:45
Das Restaurant „Thüringer Pforte“ in Naumburg.
Das Restaurant „Thüringer Pforte“ in Naumburg. Bernd Martin Lizenz

Naumburg - Die Postkarten dort an der Wand in der Ecke, die Fotos vom Oldie-Verein, das Stimmengewirr, die Musik aus der Jukebox - all das ist ein Stückchen daheim ...“

Seit über 100 Jahren: Die „Thüringer Pforte“ in Naumburg

Diese Liedzeilen von Schlagersänger Peter Alexander beschreiben das Flair jener Gastwirtschaften, von denen es im Lande nur noch wenige gibt. Eine davon öffnet nun schon seit über 100 Jahren in Naumburg ihre Pforten - und das auch sprichwörtlich. Denn schon der Name ist eine Einladung - „Thüringer Pforte“.

Öffnet man die Tür zum Gastraum, umweht einen sofort ein familiäres Gefühl der Gemütlichkeit. Der erste Blick fällt auf den Tresen und auf Wirtin Stefanie Schaller, die seelenruhig ein frisches Bier zapft. Am Tisch gegenüber klopfen vier Männer einen zünftigen Skat. Fachkundige Kommentare, Pils und Korn inklusive. Freundlich werden wir begrüßt und zu einem Tisch in den großen Gastraum geleitet.

„Thüringer Pforte“: Gemütlichkeit mit übersichtlicher Speisekarte

Auch hier heimelige Gemütlichkeit. Das Parkett knarrt bei jedem Schritt, kleine Tischlampen tauchen den Saal in ein warmes Licht. Wir schauen uns um - und unsere Blicke verfangen sich in Bildern aus alten Zeiten, die scheinbar wahllos an den Wänden hängen.

Michaelisstraße 52/53, 06618 Naumburg

Telefon: 03445-778454

Im Netz: www.pforte-naumburg.de

Die Speisekarte ist übersichtlich und setzt den Schwerpunkt eindeutig auf bürgerliche, deutsche Küche. Wir entscheiden uns für die Empfehlung des Hauses, den Naumburger Hussiten-Spieß - eine Hommage an das alljährlich in der Stadt stattfindende Hussiten-Kirschfest. Garniert mit roten Kirschen, ragt der Spieß rustikal auf einem Brett angerichtet in die Höhe (8,50 Euro).

Spezialität des Hauses in der „Thüringer Pforte“: Hussiten-Spieß mit roten Kirschen

Verschiedene Fleischsorten garniert mit Zwiebeln und Speck verbreiten einen verführerischen Duft, wenn das Gericht serviert wird. Dazu wird geröstetes Brot samt Salatteller gereicht. Mehr braucht es auch nicht, denn schon nach kurzer Zeit muss man erkennen, dass die Augen größer als der Magen waren und man zu tun hat, den Spieß vollends zu leeren. Schön kross gebraten und hervorragend gewürzt, wandert Fleischstück für Fleischstück in unsere Mägen.

Unbedingt zu empfehlen, weil nicht minder lecker, ist das Pforten-Brot - ebenfalls eine Spezialität des Hauses, die vor allem ihrer Einfachheit wegen besticht: In den ausgehöhlten Laib eines knusprig gebackenen Landbrotes füllt die Küche gebratene Fleischstreifen - wahlweise mit Zwiebeln oder Knoblauch angerichtet (7,90 Euro).

Deftige Portionen kommen in der „Thüringer Pforte“ auf den Tisch

Und als ob dies der mächtigen Speise nicht schon genug wäre, gibt es hausgemachtes Schmalz obendrauf. Boah. So eine Portion will erst mal verdrückt sein. Und damit auch alles ordnungsgemäß verdaut wird, gibt es den obligatorischen Verdauungsschnaps dazu.

Apropos Getränke. Die „Thüringer Pforte“ ist wohl die einzige Gastwirtschaft weit und breit, die ein Bier anbietet, das genauso heißt, wie deren Wirtsleute: „Schaller“. Gut gekühlt, rieselt der blonde Gerstensaft, der in einer schwäbischen Brauerei reift, in unsere Kehlen. Wer dem Bier lieber einen Wein vorzieht, der ist mit einheimischen Tropfen aus dem Saale-Unstrut-Gebiet bestens bedient.

Schallers können praktisch aus dem Vollen schöpfen, liegen viele Weingüter doch quasi direkt vor ihrer Haustür. Stammsorte ist der Dornfelder vom Weingut Herzer. Gut temperiert - nicht zu warm aber auch nicht zu kalt, merkt man dem roten Tropfen an, dass er zuvor ordentlich atmen konnte.

Einst war die „Thüringer Pforte“ ein Eingangstor zu Naumburg

Die Geschichte der „Thüringer Pforte“ reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Damals kaufte der in Naumburg bekannte Wirt Hermann Rauß das Haus, das bis dato als eines von fünf Eingangstoren zur Stadt Naumburg fungierte, und richtete im hinteren Teil einen Gastraum ein.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden hier Speis und Trank gereicht. Nach dem Krieg verwaiste die Wirtschaft und wurde zwischenzeitlich sogar als Gemüselager genutzt. Anfang der 50er Jahre eröffnete die damalige HO-Handelsorganisation die Gaststätte neu und betrieb sie unter verschiedenen Wirten.

Restaurant in Naumburg: Legendäre Tanzabende in der „Thüringer Pforte“

1965 schließlich kaufte Horst Handschur mit seiner Frau Anneliese das Grundstück, nachdem seine damalige Gaststätte in Großkayna den Braunkohlebaggern weichen musste. Nach intensiven Rekonstruktions- und Umbauarbeiten öffnete er die „Thüringer Pforte“ am 1. Oktober 1967. Fortan betrieb er sie in privater Regie und brachte sie auch durch die sozialistische Planwirtschaft.

Die samstagabendlichen Tanzveranstaltungen in der „Thüringer Pforte“ waren legendär. Noch heute erinnert sich die ältere Generation: Nur in gepflegter Kleidung bekam man einen der begehrten Tische. Jeans und Turnschuhe waren tabu und zogen den Unmut des Besitzers auf sich. 1991 übernahm Tochter Sigrid Schaller die „Thüringer Pforte“ und drückte der Wirtschaft mit ihrer mütterlichen Art einen Stempel auf, von dem die Gaststätte heute noch zehrt.

Inzwischen in der dritten Generation: Die Wirtsleute der „Thüringer Pforte“ haben viel zu erzählen

Und so ist es keine Seltenheit, dass die jungen Wirtsleute, die in nunmehr dritter Generation die „Thüringer Pforte“ weiterführen, heute noch die eine oder andere Geschichte aus der langen Familientradition zum Besten geben - oft spätabends in trauter Runde bei einem gepflegten „Schaller“-Bier vom Fass.

Davon zeugen auch die vielen Fotogalerien im Gastraum, die etliche feuchtfröhliche Stunden zeigen. Die Bewahrung und Fortführung dieser langen und einzigartigen Geschichte einer Naumburger Gastwirtschaft - das ist es, was „die kleine Kneipe in unserer Straße“ heute und auch in Zukunft auszeichnet.

Und so blicken Stefanie und Ehemann Danny Schaller hoffnungsvoll auf das Jahr 2017, wenn beide die Familientradition der „Thüringer Pforte“ dann im 50. Jahr ihres Bestehens fortführen können. (mz)

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