Aus und vorbei Aus und vorbei: Warum Pfarrer Hempel jetzt im Plattenbau wohnt

Hohenmölsen - Das Pfarrhaus der katholischen Kirche in Hohenmölsen ist verwaist. Am Telefon meldet sich nur der Anrufbeantworter. Pfarrer Rudolf Hempel, der hier mehr als vier Jahrzehnte lebte, musste in diesen Tagen seine Dienstwohnung Hals über Kopf verlassen. Das Bistum in Magdeburg hatte es so angewiesen. „Wenn er rausgeschmissen wurde, muss er sich doch was zu Schulden kommen lassen. So erzählt man über mich auf dem Markt. Das ist bitter“, sagt der 80-jährige Priester, der 43 Jahre in Hohenmölsen für die Kirche im Dienst war.
Er stützt den Kopf in die Hand und fügt langsam hinzu: „Ich sehe keine Schuld bei mir. Dass ich länger im Amt war und darum auch über die Zeit in der Dienstwohnung wohnte - nun ja, ich habe darauf gebaut, dass ich bleiben kann. Mit der Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel habe ich so mein Problem. Die stimmt einfach nicht.“
Die Arbeit und die Menschen liegen ihm am Herzen
Hempel liebt seine Arbeit, mehr noch die Menschen der Stadt. Ein wichtiger Grund vor seinem 70. Geburtstag - so lange darf man in Amt und Würden sein, im Bistum um eine fünfjährige Verlängerung seines Dienstverhältnisses zu bitten. Es wird ihm gewährt. 2011 ist die hinzu gewonnene Zeit um. „Eine sonst übliche letzte Messe für mich hat es nie gegeben. Also machte ich weiter“, sagt der Pfarrer. Hempel hält die Heilige Messe, engagiert sich sozial, segnet die Toten bei Beerdigungen. Er macht sich für Spendensammlungen für afrikanische Länder stark und organisiert Krippen- und Ostereierausstellungen.
Zwischenzeitlich jedoch, so erklärt Thomas Kriesel, Personalreferent des Bistums Magdeburg, habe es eine Gebietsreform gegeben. In Folge dessen gehört die Gemeinde Hohenmölsen zu Weißenfels. Dort agiert ebenfalls seit 2011 Pfarrer Karl-Christoph Werner, der auch für Lützen und Teuchern Verantwortung trägt. „Theoretisch sollte Pfarrer Hempel den Neuen kooperativ unterstützen. Im Alltag sah dies jedoch ganz anders aus“, so Kriesel, der über Jahre Gespräche mit Hempel geführt habe, um ihn zum Aufhören zu bewegen. „Der Neue sollte ungestörten Zutritt zu seinem Arbeitsbereich haben“, erläutert der Referent.
„Keinen Fuß in die Tür bekommen“
Doch Werner, so der Grundtenor aus dem Weißenfelser Pfarramt, habe „keinen Fuß in die Tür bekommen“. Er habe weder einen Schlüssel, noch Zugang zu Unterlagen gehabt. Hempel nickt. „Es gab nur einen Tabernakelschlüssel und den hatte ich. Er hat ihn ja nie verlangt.“ In Kirchenkreisen spricht man über solches Verhalten hinter vorgehaltener der Hand von Altersstarrsinn. Das ist auch zu Hempel vorgedrungen. „Ja, und? Wo ich Recht habe, habe ich Recht. Ich lasse mich nicht verbiegen. Und ich habe ein wenig darauf gebaut, bleiben zu dürfen und so lange ich Kraft habe, der Kirche dienen zu dürfen.“
Hempel verschweigt auch nicht, dass es zwischen Pfarrer Werner und ihm häufig zu Auseinandersetzungen gekommen sei. „Bagatellen“, winkt Hempel ab. Doch es muss schlimmer gewesen sein. „Auf Drängen von Pfarrer Werner beim Bischof kam dann für mich das Aus. Raus aus der Wohnung und die Anweisung, dass ich mich allen pastoralen Tuns enthalten muss.“
Im Bistum Magdeburg arbeiten derzeit 57 aktive Priester und zwölf Ordenspriester. Sie dürfen bis zu ihrem 70. Lebensjahr offiziell im Amt sein. Wer möchte kann danach eine fünfjährige Verlängerung der Dienstzeit beim Bischof beantragen. Meist wird dies gewährt.
Der Pfarrer aus dem Weißenfelser Pfarrbereich ist zuständig für rund 2 200 Katholiken. In Hohenmölsen sind es etwa 200. (zny)
Das gesamte Prozedere sei schon einmalig im Bistum. „Es ging so nicht mehr weiter“, versucht Referent Kriesel die Vorgehensweise zu begründen. Die Kirche stellt Hempel eine Wohnung in Zeitz. Die lehnt er ab. „Mein Lebensmittelpunkt ist hier. Ich tue doch niemandem etwas. Meine langjährige Haushälterin sollte ins Altersheim.“
Über enge Verbindungen zum Hohenmölsener Bürgermeister Andy Haugk (parteilos) und zum Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft (Wobau), Ronald Luckanus, bekommen beide Wohnungen im sanierten Plattenbau in Hohenmölsen-Nord. „In der Dienstwohnung hatte ich nur einen einzigen eigenen Schrank, alles andere ist aus zweiter Hand durch die Wobau organisiert worden“, zeigt Hempel auf die ordentliche, aber sparsame Einrichtung. „Ich komme schon zurecht. Meine Haushälterin hat es viel härter getroffen.“
Mit der Kirche abgeschlossen
Hedwig Pyhan winkt ab. Mit der Kirche habe sie abgeschlossen, obwohl sie das ganze Leben für sie da war. Sie habe Kinder betreut, den Kirchengarten gepflegt, den Haushalt des Pfarrers in Schuss gehalten und so manchem Toten auch die Augen zugedrückt. Jetzt versteht sie die Welt nicht mehr. „Seit unserem Umzug kocht sie nicht mehr und geht nicht aus dem Haus. Sie ist an der ganzen Angelegenheit zerbrochen“, so Hempel.
Für das nun leer stehende Pfarrhaus sucht Pfarrer Werner einen katholischen Nachmieter. „Gut wäre ein rühriger Pensionär, der auch mal einen Blick auf unsere Gemeinderäume und den Garten werfen würde“, meint er, der selbst in Weißenfels bleiben will. „Das hätte ich auch weiter getan“, sagt Rudolf Hempel, ganz ohne Zorn, aber mit viel Leidenschaft. (mz)
