Almrich Almrich: Tief im Westen
Mit der landläufigen Redewendung „Viele Wege führen nach Rom“ könnte man wohl auch einen Vorschlag umschreiben, der Wanderer und Radler abseits der viel befahrenen Fernverkehrsstraße B87 von Naumburgs Innenstadt in Richtung der westlichen Vorstadt führt. Vom Moritzplatz durch die Moritzwiesen oder von der Kösener Straße an der Schweinsbrücke rechts zur Krummen Hufe hinunter, führt ein Weg weiter direkt nach Almrich. Dorthin, wo kaum Straßenlärm zu hören ist. Rechter Hand erblickt der Passant den Sportplatz an der Krummen Hufe. Und links können wucherndes Gesträuch und Unkraut die Ruine aus Leichtmetall und Glas des ehemaligen „Cafè Vital“ noch nicht gänzlich verdecken.
Dann öffnet sich der Hohlweg. Der Blick auf Almrich und seine Kirche, die Felder davor und die Weinberge dahinter wird frei. Wir sind am Friedhof, 1887 angelegt, angekommen. Eine Stippvisite lohnt sich, denn die sorgsam gepflegte Anlage sollte man sich nicht entgehen lassen. Auf dem Friedhof fallen Grabdenkmale ins Auge, die von der Bedeutung der hier Bestatteten zeugen. Der Stein der Familie Schomburg zum Beispiel. Der Kaufmann Paul Schomburg (1890-1967) wird vor 80 Jahren in den Adressbüchern als „stellvertretender Amtsvorsteher“ und in der Naumburger Straße 49/51 als Betreiber einer Käsefabrik genannt.
Rosen-Müllers Vermächtnis
An der entgegengesetzten Stirnseite des Almricher Friedhofs, in der Nähe der kleinen Trauerhalle, entdecken wir das schlichte Grab von Karl Müller (1878-1968), bei den alteingesessenen Almrichern als „Rosen-Müller“ bekannt. Von Beruf Glasmaler, war dessen Leidenschaft vor allem das Züchten von Rosen gewesen. Zu seinen Kreationen gehörten die Rosen „Turnvater Jahn“ und „Gruß an Naumburg“. Letztere widmete Rosen-Müller der Domstadt, als sie 1928 ihr 900-jähriges Stadtjubiläum beging. Exakt 86 Jahre später wurde ein Spross von „Gruß an Naumburg“ vorm Vereinshaus am Almricher Mühlplatz gepflanzt.
Dieter Lang, der seit 1931 sein ganzes bisheriges Leben im elterlichen Haus am Friedhofsweg wohnt und Karl Müller noch persönlich kannte, brachte die Sache in Gang. Vorm ehemaligen Museumsgebäude in der Grochlitzer Straße hatte Lang den Rosenstock entdeckt, einen Wildling gepflanzt und ein Auge des „Grußes aus Naumburg“ fachgerecht draufgesetzt. Das hatte sich Dieter Lang bei Rosen-Müller abgeschaut. „Vier Jahre hat es gedauert, bis ich den Rosenstock an den Verein der Heimatfreunde übergeben konnte.“
Auch den Grabstein von Dieter Langs Vater sehen wir auf dem Friedhof. Hans Lang (1899-1943) war Schneidermeister, starb jung. Dieter Lang besuchte von 1938 bis 1946 die Altenburger Volksschule, wurde in der Dorfkirche St. Georg getauft und konfirmiert. Von 1946 bis 1949 erlernte er bei seinem Großvater Max Schmidt das Zimmermannshandwerk.
Den größten Teil seines Berufslebens hat Dieter Lang auf Großbaustellen zugebracht, war in Flemmingen Handwerker bei Polsterwaren und vor der Rente bei der Naumburger Baugesellschaft. Als evangelischer Christ war Lang seit 1979 über vier Wahlperioden hinweg im Almricher Gemeindekirchenrat aktiv, für kurze Zeit auch dessen Vorsitzender. An der Dorfkirche St. Georg leistete er Küsterarbeit, läutete die Glocken, sorgte für Ordnung, nahm kleinere Reparaturen selbst in die Hand. Bei der letzten großen Kirchensanierung, die dem Dach, der Entwässerung, dem Kirchengestühl und Renovierungsarbeiten galt, war Lang quasi Bauleiter. Nicht zu vergessen die ungezählten Handreichungen, die der Rentner im und am Evangelischen Kindergarten in Almrich erledigte. Mit seinem Mitstreiter Horst Becker sorgte Lang für die Erhaltung und Sanierung der Kriegerdenkmale an der Hauptstraße, wurde zuletzt mit dem Wenzelspreis dieser Zeitung geehrt. Dieter Lang vollendet noch im Herbst sein 85. Lebensjahr. Er will kürzer treten. „Ich bastele wieder“, sagte er neulich. Modelle von historischen Schiffen und Flugzeugen haben es ihm angetan. Vor geraumer Zeit hatte er 67 dem Militärhistorischen Museum in Dresden vermacht. Dort sind sie in den Depots gelandet. Dieter Lang: „Schade, die hätte ich auch dem Museum in Naumburg schenken können.“
Mediterrane Pflanzenwelt
Nur wenige Meter vom Haus der Langs entfernt, wohnt mit Herbert Eichstädt am Ende des Rainwegs ein weiterer „Ur-Einwohner“ von Almrich. Wenn sich der Wanderer wieder linkerhand dem Hohlweg mit dem Knüppelpflaster hinauf zur Hauptstraße zuwenden will, erlebt er eine Überraschung. Eichstädts Garten ist ein Augenschmaus. Eine dichte, bunte, exotische, südländisch wirkende, beeindruckende mediterrane Pflanzenlandschaft ist zu bestaunen.
Herbert Eichstädt, vor 72 Jahren hier auf dem elterlichen Grundstück geboren, hat seine Ideen, Träume und Vorstellungen auf 1000 Quadratmeter Gartenfläche verwirklicht. Er war Ofensetzer und Fliesenleger, dann Betriebshandwerker im Landesweingut Kloster Pforta. Er rutschte nach und nach in alle Bereiche des Weinbaus hinein. Heute bewirtschaftet Eichstädt noch ein kleines Stück Land, auf dem Weinstöcke stehen.
Das erfahren wir von Horst Jetter, der „erst“ seit 1982 am Friedhofsweg lebt. Der ehemalige Fräser und Meister im Maschinenbaubetrieb Mikrosa kann noch mehr erzählen. Wer wo neu baut oder gebaut hat, dass etliche Ärzte und Akademiker hier ein neues Zuhause gefunden haben, wer welche Flächen, Felder und Gartengrundstücke gekauft hat. In der Tat: Am Rainweg sind eine ganze Anzahl schmucker neuer Einfamilienhäuser gewachsen oder im Entstehen.
Bauern und Handwerker
In Alt-Almrich ragt die 1278 erstmals erwähnte Kirche heraus. 1739 wurden Schiff und Turm neu errichtet. Der heilige Georg, als Schutzheiliger gegen Fieber, Pest oder Kriegsgefahren zuständig, wurde als Namenspatron gewählt. Die Ladegast-Orgel soll noch in Ordnung gebracht werden. Alles eine Frage der Finanzen.
Im alten Kirchgässchen steht gegenüber ein bemerkenswertes Gebäude. „Da sind junge Leute mit viel Liebe, Ausdauer und Fachwissen dabei, es wieder in den Originalzustand zu versetzen“, erzählt Nachbar Wilfried Große, dessen Familie auch seit 150 Jahren im Dorf ansässig ist. „Das Grundstück gehörte mal der Familie Görlitz, muss früher ein Gasthof gewesen sein, besitzt altes Gewölbe.“ Der Bauernstand besaß früher in Almrich hohes Ansehen. Vor 80 Jahren lebten und arbeiteten allein drei Landwirte der Familie Brembach im Ort. Ebenso hatte sich Handwerk angesiedelt. So in der einstigen Schulstraße (Alt-Almrich), wo Schmiedemeister Wilhelm Müller wirkte und später an seinen Sohn Walter Müller übergab. Heute lebt Enkel Erhard Müller seit 69 Jahren mit seiner Familie auf dem Grundstück. Er war während seines gesamten Berufslebens Lehrer und Direktor an den Freyburger Schulen.
Weit sind wir bei unserem Streifzug zwischen Almricher Friedhof und historischem Zentrum der alten Naumburger Vorstadt nicht gekommen. Viel Interessantes gab es zu entdecken. Was rund um das Vereinshaus am Mühlplatz und den „Verein der Heimatfreunde Altenburg an der Saale“ mit dessen rührigen Vorsitzenden Uwe Wenzel geschieht, wäre schon wieder einen eigenen Beitrag wert.