Autobahn A71 Autobahn A71: Die Pannenpiste will nicht fertig werden

Sangerhausen/MZ - Es sind nur 11,3 Kilometer, aber sie treiben Landes- und Kommunalpolitiker, Planer und Unternehmer im Süden Sachsen-Anhalts und im Norden Thüringens in den Wahnsinn: 11,3 Kilometer fehlen noch, dann ist die neue A 71 durchgängig von Sangerhausen bis Schweinfurt befahrbar. Doch der Abschnitt bei Sömmerda (Thüringen) will einfach nicht fertig werden. Erst fehlte Geld. Nun, da gebaut wird, gibt es eine neue Panne: Aufgrund von Stabilitätsproblemen muss der Unterbau der Trasse wieder abgetragen werden. Die Folge: Die Autobahn wird erst im Sommer 2015 fertig - statt wie geplant Ende dieses Jahres. Und sie wird teurer.
In dem gipshaltigen Baugrund seien Mineralien regelrecht aufgeblüht und hätten zu Rissen und Verformungen geführt, sagt Dirk Brandenburger, Geschäftsführer der bundeseigenen Planungs- und Baugesellschaft Deges. Dabei hatte es vorher Gutachten gegeben. Demnach galten mögliche Probleme mit dem Unterbau als beherrschbar.
So ist es oft bei öffentlichen Bauprojekten: Schwierigkeiten werden falsch eingeschätzt. Oder gar nicht erst erkannt. Ein besonders berüchtigtes Beispiel in der Region ist der Leipziger City-Tunnel, bei dem sich Pleiten, Pech und Pannen buchstäblich häuften. Die Bauleute stießen auf Träger im Boden, die in keinem Plan verzeichnet waren. Auf kontaminiertes Erdreich und bröckelnde Betonpfeiler unter dem Hauptbahnhof, die ausgetauscht werden mussten. Am Ende standen vier Jahre Zeitverzug und eine Verdoppelung der Baukosten auf knapp eine Milliarde Euro.
Unliebsame Überraschungen
Gerade der Untergrund hält oft unliebsame Überraschungen bereit. So stoßen Bautrupps etwa auf alte Leitungen, die es den Plänen zufolge gar nicht geben dürfte - so bei der Sanierung des Bahnhofsvorplatzes in Halle oder dem Ausbau der B 100 in Bitterfeld.
Hinzu kommen häufig Rechtsstreitigkeiten um die Vergabe von Bauaufträgen. Mit dem Bau eines 23 Kilometer langen Abschnitts der Südharzautobahn zwischen Rothenschirmbach und Bad Lauchstädt konnte deshalb erst ein Jahr später begonnen werden. Auch beim City-Tunnel sorgte ein Vergabe-Streit um den Innenausbau der unterirdischen Stationen für ein weiteres Jahr Zeitverzug.
Auf der A 71 will die Baugesellschaft Deges den Boden des rund elf Kilometer langen Teilstücks zwischen der Anschlussstelle Sömmerda und der Bundesstraße 85 nun 60 Zentimeter tief abtragen lassen - was bei der rund 30 Meter breiten Autobahntrasse rund 200 000 Kubikmeter Erdreich ausmache. Von Mehrkosten in Höhe von zehn Millionen Euro ist die Rede. Zunächst war erwogen worden, den Baugrund sogar bis zu zwei Metern Tiefe auszutauschen. Das hätte sechs bis sieben Mal so viel gekostet.
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Dabei gilt die A 71, die auch quer durch den Thüringer Wald führt, mit rund zehn Millionen Euro pro Kilometer schon jetzt als eine der teuersten Autobahnen Deutschlands. Bereits bei einem Abschnitt weiter nördlich, zwischen Heldrungen (Thüringen) und der A 38, war das geplante Budget um zehn Millionen Euro überschritten worden. Die Gründe: der schwierige Baugrund in den Altbergbaugebieten nahe Artern und Schutz für die Helm-Azurjungfer. Die Libelle steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.
All das sorgt dafür, dass das Projekt dem Zeitplan mittlerweile vier Jahre hinterherhinkt. Ursprünglich war die Fertigstellung der mehr als 200 Kilometer langen Trasse zwischen Sachsen-Anhalt und Bayern für 2010 vorgesehen. Der jetzt noch fehlende Abschnitt in Thüringen ist ohnehin ein Sorgenkind: Lange war die Finanzierung nicht gesichert, obwohl Baurecht bestand. Deshalb hatten die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) sowie Lokal- und Landespolitiker im Süden Sachsen-Anhalts schon vor zwei Jahren Druck gemacht und Unterschriften für einen raschen Weiterbau gesammelt. Von einer schnellen Verbindung nach Süddeutschland verspricht sich die regionale Wirtschaft Vorteile im Wettbewerb um Investoren. Das letzte IHK-Ranking der Regionen hatte dem Südharz noch beträchtliche Defizite bei der Infrastruktur bescheinigt.
Baugrund-Probleme
Den abermaligen Zeitverzug nennt die IHK bedauerlich - und drängt erneut auf Tempo: „Die jetzt festgestellten Probleme müssen so schnell wie möglich gelöst werden, damit die Verzögerungen sich in Grenzen halten“, fordert Frank Lehmann, Geschäftsstellenleiter der Kammer in Sangerhausen. Die A 71 stelle die Verbindung vom Südharz bis nach Schweinfurt sicher. Betriebe in der Region würden davon sehr profitieren.
Wirklich? Eine Studie der Fachhochschule Erfurt zu wirtschaftlichen Effekten neuer Autobahnen dämpft diese Hoffnungen. Demnach kann „kein Zusammenhang zwischen Autobahnnähe und positiver wirtschaftlicher Entwicklung nachgewiesen werden“. Die Wissenschaftler hatten neben der A 20 im Norden und der Südharzautobahn auch die A 71 untersucht.
Die Baugrund-Probleme bei Sömmerda stellen derweil nicht die einzige Panne beim Bau der A 71 dar. Zwischen Heldrungen und der A 38 bei Sangerhausen blieb die Autobahn monatelang ungenutzt, ehe sie vor rund einem Jahr frei gegeben werden konnte. Markierungen, Notrufsäulen, Schilder, Leitplanken - alles war fertig, nur befahren werden durfte die Piste nicht. Grund auch hier: ein Rechtsstreit. Ein Unternehmen, das beim Bau der Leitplanken nicht zum Zuge gekommen war, war gegen die Vergabe vorgegangen. Die Freigabe verzögerte sich - wie auch jetzt.