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Zeitzer Bischof Zeitzer Bischof: Berliner Künstlerin lässt berühmten Julius Pflug auferstehen

Von Sebastian Münster 03.03.2017, 06:00
Die 35-jährige Figurenbauerin Lisa Büscher hat sich auf die täuschend echte Nachbildung von Menschen spezialisiert.
Die 35-jährige Figurenbauerin Lisa Büscher hat sich auf die täuschend echte Nachbildung von Menschen spezialisiert. Sebastian Münster

Zeitz - Wer Lisa Büschers Atelier in einer unscheinbaren Erdgeschosswohnung in Berlin-Neukölln betritt, der kann schon mal einen Schreck bekommen. Da liegen täuschend echte Gliedmaßen herum, Köpfe thronen in Regalen, Musterstücke verschiedener Hautfarben hängen an einer Wand, beutelweise Augenbrauen, Schnurrbärte und Augäpfel an einer anderen.

Was für die Künstlerin, Designerin und Maskenbildnerin, die sich selbst als Figurenbauerin bezeichnet, ganz normal ist, wirkt auf Außenstehende wie ein Kuriositäten-Kabinett aus einem Frankenstein-Roman. Die einzelnen Teile fügt die 35-Jährige in der Summe zu täuschend echten Nachbildungen historischer Personen, Prominenter oder auch zu Fantasiefiguren zusammen. Viele sind in diesen Räumen schon auferstanden. Acht bis zehn sind es pro Jahr.

Knapp eineinhalb Monate dauert die Entstehung des berühmten Zeitzer Theologen

Der sächsische Kurfürst August der Starke etwa, er begrüßt Besucher der Festungs-Ausstellung in Königstein. Der exzentrische Künstler Salvador Dali sitzt im hessischen Fulda im adretten Anzug in einer Ausstellung, die dem provozierenden Surrealisten selbst gewidmet ist. Und nun eben Julius Pflug, letzter katholischer Bischof in Zeitz.

„Hyperrealismus“ nennt Lisa Büscher ihre Art des Figurenbaus. Knapp eineinhalb Monate dauert die Entstehung des berühmten Zeitzer Theologen, der im Konfessionsstreit zwischen Katholiken und Protestanten vermittelt hat („Wer war Julius Pflug?“). Dabei bleibt kein Detail aus. Lisa Büschers Julius Pflug ist 65 Jahre alt – in diesem Alter ist der wohl berühmteste Zeitzer Katholik in der Elsterstadt gestorben. Er trägt den Rauschebart, mit dem er auf zeitgenössischen Gemälden dargestellt wird. Er hat die Haut eines alten Mannes, mitsamt ihren Falten und Unreinheiten.

Seit zehn Jahren gibt es Lisa Büschers Atelier „lifelike figures“ (Lebensechte Figuren). Die Kreationen der aus Münster stammenden Künstlerin erinnern an die berühmten Londoner Wachsfiguren von Madame Tussaud’s. Doch tatsächlich besteht Julius Pflug aus Silikon, das zuerst in Form gegossen und später mit Pinsel und Airbrush-Lackpistole zum Leben erweckt wird. Die grundlegende Hautfarbe legt Lisa Büscher von Anfang an fest. Die feinen Details fügt sie danach hinzu. Jedes Äderchen, jeden Fleck bringt sie mittels Farbeffekten einzeln auf. Mittlerweile weiß die 35-Jährige, worauf es ankommt. „Kleine Kratzer an den Händen lassen die Figuren lebendiger erscheinen. So sehen sie aus, als hätten sie vergangene Woche noch gearbeitet“, verrät Büscher einen ihrer Tricks.

Beim Zeitzer Bischof kommt es auf die aus Acryl gefertigten Augen an. Denn der Rauschebart des alten Mannes – er ist aus Büffelhaar gemacht – lässt kaum erkennen, ob er lächelt oder nicht. Einen freundlichen Gesichtsausdruck soll der Theologe deshalb haben. Jedes einzelne Haar auf dem Kopf des Geistlichen hat Lisa Büscher mit einer Nadel einzeln gesetzt. „Wie viele das sind, habe ich nicht gezählt“, sagt sie. Gekleidet ist Pflug in Stoffe nach historischem Vorbild, die eine Kostümdesignerin in die entsprechende Form gebracht hat. Vier Gemälde und ein paar Münzprägungen: Mehr Vorlagen hatte die Künstlerin für ihren Pflug nicht. Sie sieht das aber nicht als Nachteil. „Bei Lebenden oder kürzlich Verstorbenen hat jeder Betrachter eigene Bilder im Kopf.“ Diese decken sich dann mehr oder weniger mit Lisa Büschers Nachbildungen. Beim Zeitzer Bischof bleibe mehr der Fantasie überlassen.“

Seine Hände borgt sich der 65-jährige Theologe von einem Modell. Das war nicht leicht zu finden, wie Lisa Büscher berichtet. Pflug ist etwa 1,72 Meter groß – typisch für das 16. Jahrhundert, für Männer der heutigen Zeit aber eher klein. Männerhände im entsprechenden Alter und der passenden Größe für einen Abdruck zu finden, sei deshalb schwierig. Durch ihre jahrelange Arbeit verfügt die Künstlerin über eine Kartei an entsprechenden Vorbildern. Seinen vorgesehenen Platz wird Julius Pflug Ende März in der nach ihm benannten Stiftsbibliothek im Torhaus des Schlosses Moritzburg einnehmen. Über 1 600 Drucke, Handschriften und Inkunabeln des nahe Leipzig geborenen Geistlichen lagern dort. Seit Wochen entsteht ein originalgetreues Arbeitszimmer des letzten Bischofs der Diözese Naumburg-Zeitz. Es wird ab Pfingstmontag im Rahmen der Ausstellung „Dialog der Konfessionen“ anlässlich des 500. Reformationsjubiläums zu sehen sein.

Biographie: Wer war Julius Pflug?

In diesem Jahr werden Martin Luthers 95 Thesen 500 Jahre alt. Durch die Reformation hatten sich Luthers Anhänger, vor allem die sächsischen Kurfürsten, mit dem katholischen Kaiser Karl V. und seinen Getreuen überworfen.

Julius Pflug, der nahe Leipzig geborene Geistliche, war zur wichtigen Figur in Religionsgesprächen avanciert. 1541 wurde er Bischof der Diözese Naumburg-Zeitz. Damit war Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen nicht einverstanden: Er ernannte seinerseits Nikolaus von Amsdorf zum Bischof. Pflug ging ins Exil.

Fortan war Julius Pflug engagierter Vermittler im Konfessionsstreit. Dennoch kam es zum Schmalkaldischen Krieg (1546-47) zwischen Kursachsen und dem Kaiser. Als Pflug nach dem Sieg des Kaisers endgültig Bischof von Naumburg-Zeitz wurde, war der Großteil seines Bistums protestantisch geworden. Pflug starb 1564 und wurde im Zeitzer Dom beigesetzt, wo heute eine Grabplatte an ihn erinnert. (mz)

Vor dem Umzug nach Zeitz erhält Bischof Julius Pflug den letzten Schliff.
Vor dem Umzug nach Zeitz erhält Bischof Julius Pflug den letzten Schliff.
Sebastian Münster
Seine Haut besteht aus Silikon.
Seine Haut besteht aus Silikon.
Sebastian Münster
Pflugs Augen sind aus Acryl gefertigt.
Pflugs Augen sind aus Acryl gefertigt.
Sebastian Münster