Wirtschaft Wirtschaft : Unternehmen wollen mit Extras Mitarbeiter nach Piesteritz locken
Wittenberg - Nicht nur in Wittenbergs Zentrum, auch in Piesteritz wird gebaut was das Zeug hält. Links und rechts der Bundesstraße sind gleich mehrere Projekte in Arbeit, wird Erde bewegt, werden Fundamente gegossen, Wände hochgezogen. Da ist natürlich zu allererst die nicht zu übersehende Großinvestition der Lieken AG, die im Agrochemiepark für rund 200 Millionen Euro ein Werk mit fünf Produktionslinien errichten will, von 320 Arbeitsplätzen, die entstehen ist aktuell die Rede.
Das aber ist längst nicht alles. Zurzeit wächst gleich am Eingang des Chemiewerks ein neues Verwaltungsgebäude - für die Agrofert Deutschland GmbH, die seit mehreren Monaten ebenfalls in Wittenberg ihren Sitz hat. Das Handelshaus soll rund 70 Mitarbeitern Platz bieten und Ende kommenden Jahres in Betrieb genommen werden. „Dort wird zudem“, kündigt Eberhard Hinder, Zentralbereichsleiter Personalwesen und Organisation bei SKW Piesteritz, schon mal an, „ein gemeinsames Rechenzentrum“ entstehen.
Hilfe unter „Schwestern“
Überhaupt wird bei den „Schwestern“, die allesamt zur Prager Agrofert-Holding gehören, Kooperation groß geschrieben. So unterstützt Birgit Lorenz, Abteilungsleiterin Personalwesen bei SKW, ihre Kollegen bei Lieken momentan in Sachen Einstellungen für die neue Backwarenfabrik.
Die Agrofert-Gruppe, zu der SKW Piesteritz, Lieken und Agrofert Deutschland gehören, ist ein tschechisches Unternehmen, das einmal klein angefangen hat, im Jahr 1993 mit vier Mitarbeitern. Inzwischen gehören über 250 Firmen aus den Bereichen Chemie, erneuerbare Energien, Land- und Forstwirtschaft, Agrarhandel, Lebensmittelindustrie und Medien dazu. Fast 34 000 Mitarbeiter werden beschäftigt.
Der Betriebskindergarten ist nicht nur Mitarbeitern der Agrofert-Firmen vorbehalten. Der Stadt wurde nach den Worten von Eberhard Hinders eine feste Quote zugesagt - von zehn Prozent ist die Rede. Momentan wird die freilich deutlich überboten, Hinders spricht von etwa 40 Prozent „fremden Kindern“. Der Anteil dürfte aber sinken. „Wir haben viele junge Leute eingestellt, die sicher auch Kinder bekommen.“ (mz/mac)
Sie hat da durchaus gute Argumente an der Hand. Denn der Konzern setzt seine Strategie fort, an Attraktivität zu gewinnen durch Investitionen im sozialen Bereich. Wie berichtet sind da schon einige beeindruckende Ergebnisse vorzuweisen. Das „Medicum“ etwa mit Arztpraxen und Gesundheitsprävention durch Sport und Physiotherapie. Nicht zuletzt das werkseigene Fitnesscenter wird dort ausgiebig genutzt.
Vom „Stau am Laufband“ berichtet Öffentlichkeitsarbeiter Markus Wagner: „400 Mitarbeiter trainieren hier bereits - mehr oder weniger regelmäßig.“ Die Personalabteilung freut das: „Wir wollen“, erklärt Hinder die Strategie, „für ein gutes Klima im Unternehmen sorgen, die Mitarbeiterbindung erhöhen. Wir erhoffen uns natürlich, dass die Zahl der Krankmeldungen sinkt.“
Oder der gegenüberliegende Betriebskindergarten, der 2013 eröffnet wurde, 60 Kinder beherbergt und längst mit Warteliste hantiert: „Eine richtige Entscheidung“, sagt Hinder: „Das passt in unser soziales Gesamtkonzept.“
Offenbar so gut, dass gleich nebenan auf dem Hafengelände ein zweiter Kindergarten errichtet werden soll, die Arbeiten dafür laufen seit Anfang August. Bauherr ist allerdings nicht SKW Piesteritz, sondern die Agrofert Deutschland GmbH. Der zweite Betriebskindergarten soll wesentlich für Kinder von Agrofert- und Lieken-Mitarbeitern zur Verfügung stehen.
Dass die sehr wohl nach solcher Infrastruktur fragen, kann Birgit Lorenz bestätigen. Sie hatte unlängst ein Gespräch mit einem Fricopan-Angestellten, der von der Werkschließung in der Altmark betroffen ist. Er will mit seiner ganzen Familie nach Wittenberg umziehen.
Der neue Kindergarten, der ebenfalls für 60 Mädchen und Jungen konzipiert ist, soll im September 2017 eröffnet werden. Es handelt sich im Gegensatz zu dem bereits bestehenden um einen kompletten Neubau. „Die Dächer werden ein bisschen aussehen wie Zipfelmützen“, kündigt Eberhard Hinder an: „Und ganz symmetrisch soll der Bau auch nicht werden.“ Eine Referenz an das Publikum, die Kinder. Betreiben wird ihn wie beim Nachbarn schon die Dussmann Kulturkindergarten GmbH, mit gleichem Konzept und Personalschlüssel, der bekanntlich besser als gewöhnlich ist.
Ein Hort soll dazukommen
Allerdings hat es auch damit noch nicht sein Bewenden. Agrofert macht ernst mit dem Versprechen, den Mitarbeitern in Wittenberg attraktive Bedingungen zu bieten. Motto: „Schnelle Termine, kurze Wege.“ Hinder kündigt an, dass gleich neben dem zweiten Betriebskindergarten ein weiteres Gebäude errichtet wird: ein Hort für 90 Kinder. „Die Entscheidung ist gefallen, wir wollen das Gesamtkonzept rund machen.“ Jetzt geht es zunächst um Planung und Baugenehmigung, allerdings soll möglichst noch in diesem Jahr mit den Arbeiten begonnen werden.
Science-Center öffnet im Advent
Nicht begonnen, sondern beendet werden noch in diesem Jahr die Arbeiten am Science-Center „futurea“ - das freilich liegt nicht in Piesteritz, sondern mitten in der „guten Stube“, am Marktplatz von Wittenberg. Das historische Haus ist hergerichtet, aktuell werden die Exponate eingebaut, erläutert Hinder.
„In einem Spannungsbogen zwischen Vergangenheit und Zukunft soll hier auf lebendige Art und Weise chemisches Wissen vermittelt werden“, heißt es in der Internet-Präsenz des Unternehmens. Hinder spricht von Industrie-Kultur-Verbund, von „naturwissenschaftlichen Erkenntnissen“ und eigens entwickelten Exponaten für die Ausstellung. Eröffnet wird „noch vor dem Weihnachtsmarkt“. (mz)