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Wirtschaft in Wittenberg Wirtschaft in Wittenberg: Von Anfang an dabei

Von Marcel Duclaud 02.06.2016, 06:15
Anlagenführerin Elke Wawarofsky überwacht die Abfüllung von Duftspendern für eine Drogeriekette.
Anlagenführerin Elke Wawarofsky überwacht die Abfüllung von Duftspendern für eine Drogeriekette. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Der Laden hat nicht einen einzigen Tag das Licht ausgemacht.“ Was Bernd Fischer ein bisschen salopp beschreibt, ist in der Tat keine Selbstverständlichkeit für Betriebe im Osten Deutschlands. Fischer gehört quasi zum Inventar eines Produktionsstandortes zwischen Griebo und Wittenberg, der nicht übermäßig bekannt, dafür aber ein stabiles, wachsendes, erfolgreiches Unternehmen mit festem Kundenstamm ist: die Budich Produktion und Contracting GmbH. Am Samstag wird mit rund 250 Menschen 25-jähriges Betriebsjubiläum gefeiert.

Das Joint Venture zwischen der Budich Gruppe und den Piesteritzer Stickstoffwerken währte nur wenige Monate, nach den Worten von Geschäftsführer Bernd Fischer vom Februar 1990 bis zur Gründung der Oro Produktions GmbH im Jahre 1991. Begonnen wurde mit der Produktion von Waschmitteln, von Shampoo, Dusch- und Schaumbädern - insbesondere für den Markt im Osten. Das funktionierte allerdings nicht sonderlich lange: „Das Ost-Geschäft ging krachen, ein neuer Markt musste erschlossen werden.“ Hergestellt wurden jetzt in dem Wittenberger Unternehmen Reiniger für Geschirrspüler, Fleckensalz, Waschmittel. Außerdem stieg man auf kleine Größen für den Einzelhandel um. „Einer der ersten Kunden damals war Lidl“, erinnert sich Fischer. Bedient wurde nun im wesentlichen der westeuropäische Markt. Der Kundenstamm festigte sich zusehends: „Wir haben Markenartikler, die wir seit vielen Jahren beliefern.“ Aus der Oro Produktions GmbH ist schließlich 2006 die Budich Produktion und Contracting GmbH geworden, eine hundertprozentige Tochter des Unternehmens aus Hiddenhausen. Die „Mutter“ kümmert sich nach Fischers Worten wesentlich um Reinigungs- und Pflegeprodukte in flüssiger Form, die Wittenberger Tochter übernimmt die feste Form der Reinigungsmittel samt den Duftkörpern.

Zu den Jubiläumsgästen am Wochenende gehört der Ministerpräsident a. D., Wolfgang Böhmer. Er wird eine Rede halten. Böhmer hatte als Finanzminister 1993 der Einweihung der neuen Produktions- und Lagerhalle beigewohnt - und, laut Fischer, „sehr weitsichtig den Erfolgskurs vorhergesagt“.

Bernd Fischer arbeitet seit 1975 dort, als Betriebselektriker hat der Mann aus Griebo einst angefangen. Damals handelte es sich um die Konsumgüterabteilung der Stickstoffwerke Piesteritz, gegründet nach Parteitagsbeschluss. Nach der Wende ist Fischer technischer Leiter geworden. Machen Sie das mal, habe Meinrad Budich, der langjährige Chef des Familienunternehmens Budich International GmbH damals zu ihm gesagt. Inzwischen ist Bernd Fischer einer der zwei Geschäftsführer des Wittenberger Chemie-Unternehmens, das rund 120 Menschen Lohn und Brot gibt.

Hergestellt werden Reinigungs- und Pflegemittel sowie Duftstoffe. Und das alles für namhafte Marken. Bekannt sind die Wittenberger für WC-Tabs und Tabs für Geschirrspüler. Antikalktabletten zur Wasserenthärtung gehören ebenso zum Portfolio wie Spezialprodukte für die Reinigung von Kaffeeautomaten oder Tapetenleim.

„Wir sind systematisch gewachsen über die Jahre“, berichtet Bernd Fischer. Er beziffert die Investitionen auf rund 30 Millionen Euro, eine beachtliche Summe für ein Unternehmen dieser Größe. Insbesondere in moderne Maschinen ist das Geld gesteckt worden, genutzt wird im wesentlichen die auf Vordermann gebrachte Gebäudesubstanz von früher, abgesehen von einer Anfang der 90er Jahre gebauten großen Produktions- und Lagerhalle. Erfolgreich am Markt ist „Budich“ insbesondere mit den Tabs: „Wir waren von Anfang an dabei“, sagt Fischer und erzählt die Geschichte dazu: „1994 war es, als Meinrad Budich mich fragte: Können Sie sich vorstellen, das Pulver zu Tabletten zu pressen? Kurz darauf kippte der Markt vom Pulver zu den Tabs. Der Mann ist ein Visionär. Er hat gesehen, da liegt die Zukunft.“

Dass das Familienunternehmen aus Hiddenhausen mit 130-jähriger Firmengeschichte sich in Wittenberg engagiert, nennt Bernd Fischer „einen Segen“. Schon deshalb, weil es einen reichen Schatz an Erfahrungen mitbrachte und wusste, wie sich ein Betrieb am Markt behauptet. Das fange beim Marketing an: „Das mussten wir alle erst lernen.“ Die Besonderheit in diesem Fall: Die Gründung war kein Geschenk der Treuhand, der Betrieb ist nicht für eine symbolische Mark übernommen worden. Die Firma ist vielmehr aus einem Joint Venture der Budich Gruppe mit dem Düngemittelhersteller SKW Piesteritz hervorgegangen. Budich hat damals eine siebenstellige Summe auf den Tisch gelegt.

Der Unternehmer mit Verwandtschaft im Osten hatte bereits, als die DDR noch existierte, Kontakt aufgenommen. „Er besaß schon ein Visum, als der Mauerfall dazwischen kam.“ Das DDR-Außenministerium soll Budich damals drei Unternehmen genannt haben, die für ein Joint Venture in Frage kommen. Er hat sich für Wittenberg entschieden - und das wohl nicht bereut. Aus 40 Arbeitsplätzen wurden über 100. Bei der Wittenberger „Tochter“ werden jährlich rund 700 Millionen Reinigungs- und Entkalkungstabletten sowie etwa 25 Millionen Duftkörper hergestellt. „Wir haben uns“, sagt Fischer mit Stolz in der Stimme, „einen guten Namen gemacht und Innovationen eingebracht.“ (mz)