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Wandertag auf den Dächern

Von Markus Wagner 02.02.2007, 17:57

Wittenberg/MZ. - "Alles krumm und schief", zeigt der Dachdecker über die alten Ziegel, während er an einem Ende des Daches auf den bloßen Latten herumturnt. Vorarbeiter Appenrodt und seine Mitarbeiter von der Gräfenhainichener Firma Meyer reparieren seit vergangener Woche Schäden, die Sturm "Kyrill" an der Dessauer Straße hinterlassen hat.

Deshalb wuselt es auf vielen Dächern des sturmgeschädigten Viertels. Elf Dachdeckerfirmen reparieren im Auftrag der Wittenberger Wohnungsgesellschaft (Wiwog) die schwer mitgenommenen Dächer von 28 Wohnhäusern. Dazu kommen Zimmerleute, Klempner und Gerüstbauer. "Noch Wochen" werden sie nach Meinung von Wiwog-Bauleiter Wolfgang Hillert aufs Dach steigen müssen, bis alle Schäden beseitigt sind.

Appenrodt und seine Leute decken gerade 20 Quadratmeter eines alten Daches neu. "Das ganze neu einzudecken wäre einfacher", sagt sein Chef Hendrik Meyer. Latten, Ziegel drauf, fertig. Beim Ausbessern wird's schwieriger - und zwar schon bevor die eigentliche Arbeit losgeht. "Es gibt hunderte verschiedener Ziegel", erklärt André Walther. Manche würden schon gar nicht mehr produziert. So wie auf dem Dach in der Fichtestraße. Das war nach der Wende neu gedeckt worden, die Ziegel gibt es heute gar nicht mehr. Die Folge: Die Dachdecker müssen improvisieren.

Bei den kleinen Reparaturen gilt das sowieso. Für drei Ziegel ein Gerüst aufzubauen würde sich nicht lohnen. Also turnen die Handwerker manchmal kaum gesichert auf den kaputten Dächern herum - so wie bei den Notreparaturen. "Da kann's einem schon mal mulmig werden", gibt Appenrodt zu. Wird's nass, fegt dann noch Wind über die Dächer oder ist es frostig, kann's ganz schön unangenehm werden. Spätestens wenn's dunkel wird, ist endgültig Schluss. "Dann wird's zu gefährlich", sagt Appenrodt.

Aber immerhin haben die Dachdecker Arbeit. Wären die Sturmschäden nicht, säße er wohl zu Hause, meint Walther. Winter ist eben nicht Saison. Über die Aufträge freut sich natürlich auch Chef Meyer, "schöner wäre es aber, sie kämen über das Jahr verteilt". Denn im Moment stößt er mit seinen sechs Dachdeckern an seine Grenzen. "Nächste Woche werde ich wohl noch Aushilfen einstellen", meint er. Facharbeiter seien derzeit sowieso schwer zu finden.

Das gilt auch für Hebebühnen. Meyer hat sich extra eine kommen lassen. "Aus Leuna, weil im Umkreis alle ausgebucht sind." Einen halben Tag habe er allein deshalb telefoniert, damit zwei seiner sechs Arbeiter kleine Schäden mit sicherem Stand reparieren können. Für den Spott braucht Meyer nicht zu sorgen, wenn der Hubsteiger von Haus zu Haus versetzt wird. "Na, wieder Wandertag", hört er von seinen Kollegen des öfteren.

Derzeit hat der Gräfenhainichener Handwerker Meyer allein in Wittenberg Aufträge, die ihn mindestens noch eine Woche beschäftigen. "Die Wiwog schiebt aber immer wieder Aufträge nach", sagt er. Und in Gräfenhainichen wartet auch noch Arbeit. "In der ersten Woche nach dem Sturm haben wir dort das Schlimmste repariert", erzählt er. Schäden, die ohne Folgen warten können, müssen jetzt - so wie in Wittenberg auch - erst einmal warten. Genug zu tun hat Meyer mit solchen Fällen allerdings auch: "Leider verstehen das nicht alle Hausbesitzer."