Geschichte in Wittenberg Sonderausstellung „Buchstäblich Luther“: Das steckt hinter N - wie Nächstenliebe
In der MZ-Serie werden wöchentlich Facetten Martin Luthers erläutert. Zu sehen ist die Ausstellung im Augusteum in Wittenberg.

Wittenberg/MZ. - Die Mitteldeutsche Zeitung stellt wöchentlich in alphabetischer Reihenfolge Facetten Martin Luthers vor, die in der Ausstellung „Buchstäblich Luther“ im Augusteum in Wittenberg selbst eingehender betrachtet werden können.
N – Nächstenliebe. Martin Luthers Erkenntnis, dass man sich die Gnade Gottes nicht durch gute Taten erkaufen konnte, hatte weitreichende Folgen. Bettelnde, die zuvor von der kirchlich organisierten Mildtätigkeit ihrer Mitmenschen gelebt hatten, wurden mit der Reformation vor allem zu einem Versorgungsproblem der städtischen Obrigkeiten.
Durch die Auflösung von Klöstern und eine grundlegende Veränderung des Stiftungswesens wurden viele Vermögen frei. Um diese zum Wohl der Allgemeinheit zu nutzen, schuf man den „Gemeinen Kasten“. Als gut gesicherte Kiste diente diese Truhe der Aufbewahrung von Geld sowie Besitzurkunden und funktionierte wie eine Sozialkasse. Luther erarbeitete mit dem Wittenberger Rat ein Regelwerk für die gerechte Verteilung des Geldes – ganz im Sinne des von ihm geprägten Begriffs der Nächstenliebe.
In der Ausstellung findet sich dazu ein originaler Gemeiner Kasten der Stadt Wittenberg. Gut sichtbar stand er seit Januar 1521 in der Wittenberger Pfarrkirche. Der kunstvolle Schließmechanismus ließ sich nur mit drei Schlüsseln öffnen, die man drei Vorstehern oder „Kastenherren“ anvertraute. Das Geld war für Schul- und Kirchenpersonal, soziale Zwecke, aber auch für Stipendien und kurzfristige Kredite bestimmt. Luther finanzierte sich mit solch einem Darlehen 1532 den Kauf eines Grundstücks.
Ebenfalls zu sehen ist im Museum ein Druck der Leisniger Kastenordnung von 1523. Luther beriet auch die Bürger der sächsischen Stadt beim Verfassen von Regeln für den „Gemeinen Kasten“. Mit einem Vorwort versehen, brachte er diese 1523 im Druck heraus – auch wenn der Landesherr ihnen nicht zugestimmt hatte.