Schlosskirche Schlosskirche: Endspurt auf allen Ebenen

Wittenberg - Von wegen tolles Wetter für Bauarbeiten. „Es war so warm, dass wir den Beton noch nicht ausbringen konnten. Der ist sehr hochwertig und wäre uns im Kübel auf dem Weg nach oben schon abgebunden.“ So richtig ärgern muss sich Ingo Bunk über den Spätsommer der Vorwoche mit über 30 Grad jedoch nicht. Der Bauleiter auf Wittenbergs derzeit prominentester Baustelle, dem Schloss, zeigt auf den größten Kubus, der sich auf der obersten Schlossebene erhebt. „Der sollte eigentlich als letzter fertig werden. Nun wird er als erster fertig.“
Noch ist Fantasie gefragt
Hier oben wird die Winterkirche des Predigerseminars eingerichtet: Ein großer Raum, der an einer der Längsseiten ein großes ovales Oberlicht erhalten wird. „Darunter kommt die Kanzel“, erklärt Heike Bunk die Einrichtung und baut in der Fantasie des Zuhörers bereits die Stuhlreihen auf, lässt in nach oben offenen Bereichen neben den Treppen frisches Grün sprießen. Heike Bunk ist Projektleiterin für das Schloss, gemeinsam sorgt das Paar von DGI Bauwerk in Berlin mit der bisherigen Bau- und Projektleitung dafür, dass das Schloss pünktlich fertig wird.
Vom Schlosskirchturm aus hat der Betrachter einen tollen Überblick über das Schloss. Dort, wo früher einmal die Jugendherberge war, ist nichts vom vorherigen Aufbau geblieben. Stattdessen herrschen hier oben Kuben vor, mehr oder weniger große würfelförmige Einheiten, die später ganz unterschiedlichen Zwecken dienen werden. Neue Treppenhäuser wurden an der Süd- und Westseite eingesetzt, zusätzlich zu den zwei historischen Wendelsteinen, die unter denkmalpflegerischen Aspekten saniert werden. Der südliche Aufgang hat seine Steinstufen behalten, diese sind inzwischen ausgebessert (was auch dringend nötig war). „Der nördliche bekommt Eichenstufen“, sagt Ingo Bunk. Abgedeckt sind noch die historischen Wappenschilder. Vielleicht, so der Bauleiter, komme noch eine Spende zu deren Wiederherstellung.
Zuweilen steht am Schloss Altes, weniger Altes und Neues nebeneinander: Wenn zum Beispiel alte Sandsteingewände früherer Fenster aus kurfürstlicher Zeit im Mauerwerk sichtbar sind, neben den schießschartenähnlichen Fenstern der Preußen (die das Schloss als Kaserne nutzten) und neuen Betonaufbauten. Oder drinnen neue Eichendielung den Gegenpart zum alten Säulen- und Balkenwerk bietet. „Eine super Zusammenarbeit“ sei es mit der Stadt und dem Predigerseminar als künftigem Nutzer, findet Heike Bunk. Alles laufe auf kurzem Wege. Und die Chefs loben die beteiligten Firmen. Bis zu 70 Leute gleichzeitig wuseln derzeit im Schloss, das im Dezember fertig sein soll. Derzeit wird von den Handwerkern, die trotz europaweiter Ausschreibung zumeist aus der Region kommen, gestrichen, geschraubt und gebohrt, was das Zeug hält. Da sind die Verschalung von Sichtbeton als Brüstung an einer Treppe, die noch vom alten Putz zu reinigende Fassade vom Westflügel und vom Südturm sowie die neue Dielung in den Innenräumen über der alten Holzbalkendecke mit einer „brandschutztechnischen Ertüchtigung“ dazwischen. 60 Minuten sollen hier spezielle Platten und Steinwolle die heiße Glut im Ernstfall aufhalten, damit die Menschen flüchten können.
Das Wasser jedoch hat sich Ende Juli bei dem Sturzregen nicht vorhersehbare Wege gesucht. Natürlich war die Fläche auf dem Dach bis zu einer gewissen Höhe wasserdicht. Aber es kam einfach zu viel Nass, und auch was nach unten abgeleitet wurde, staute zurück. So hängen nun Infrarotplatten zur Trocknung des Mauerwerks innen an den Gewölbekappen des zweiten Obergeschosses. Dort, wo das frühere Museum seine Sonderausstellungen durchführte. Eine Etage tiefer sind in einem Raum die Eichendielen schon gelegt, wartet alles auf den Einbau. Hier entsteht eine Compactus-Anlage, so etwas wie ein Tresor für besondere Bücher. „Ein Raum im Raum“, so Heike Bunk.
Besucherzentrum fast komplett
Unten, im Besucherzentrum im Erdgeschoss, wartet bereits der Tresen auf die Gäste, die vom Hof aus das Ensemble betreten. Von dort aus gelangen sie über eine Treppe nach unten zu der großen, kunstvollen zweiflügeligen Tür. Am 2. Oktober werden die dänische Königin Margrete II. und Bundespräsident Joachim Gauck eben diese Stufen hinab gehen, durch die Tür in die Schlosskirche zu deren Einweihung. Mindestens ebenso imposant wie der Mauerdurchbruch vom Schloss zur Kirche ist jener in die Räume der Sanitäranlagen. Da wird mancher, einem Bedürfnis folgend, die Tür in dem 2,80 Meter langen „Tunnel“ durch die Mauer öffnen und irritiert stehen bleiben.
(mz)