Mosaiksteinchen zur Lokalgeschichte Mosaiksteinchen zur Lokalgeschichte: Milchhexe gegen das Butterbrot
Wittenberg - Nach dem Kalben einer Kuh darf drei Tage lang nichts vom Hof verliehen oder verschenkt werden, denn zu den bösen Mächten gehörende Milchhexen erhalten durch geliehene Gegenstände die Macht über das Vieh des Hofes. Jedes Unglück in der Milchwirtschaft wird durch sie verursacht: Kühe, die krank werden und zu wenig Milch geben, Unfälle, Probleme beim Buttern oder Käsen und so weiter.
Dieser Glaube ist etwa so alt wie die Milchwirtschaft selber und sehr weit verbreitet, denn Milch war lange Zeit so kostbar, dass man sie unter anderem zum Buttern und Käsen nutzte. Jedes zum Beispiel durch Unsauberkeit oder bevorstehende Gewitter, Krankheiten des Viehs usw. hervorgerufene Missgeschick konnte in der bis ins 19. Jahrhundert agrarisch geprägten Gesellschaft existenzgefährdend sein.
So lange naturwissenschaftliche Erkenntnisse fehlten, schrieb man diese Bedrohung gerne dem Teufel zu, der die Milchhexen besonders in der Walpurgis- und der Johannisnacht zu ihrem Schadenszauber treibe.
Von der Kunst Bugenhagens
1538, „den 25. Augusti ward viel geredet von Hexen und Zäuberern, die Eier aus den Hühnernestern, Milch und Butter stehlen“. Sprach D. Martinus: „Mit denselben soll man keine Barmherzigkeit haben; ich wollte sie selber verbrennen. Wie man im Gesetz liest, dass die Priester angefangen, die Übeltäter zu steinigen. Man sagt aber, dass solche gestohlene Butter stinke und falle zu Boden im Essen, und dass solche Zäuberinnen danach vom Teufel weidlich geritten sollen werden. Die Dorfpfarrer und Schulmeister wurden vor Zeiten durch ihre Kunst geplaget.“, und fährt fort: „Aber D. Pommers (Bugenhagen) Kunst ist die beste, dass man sie mit Drecke plaget und den oft rühret in der Milch, so stinkt ihr Ding alles. Denn als seinen Kühen die Milch gestohlen ward, streifte er flugs seine Hosen ab und setzet einen Wächter in einen Eimer voll, rührets um, und saget: „Nu frett, Tüfel!“ Darauf ward ihm die Milch nicht mehr entzogen.“ (Luthers Tischreden).
Bei einem Schiss in den Milcheimer zur Schadensabwehr blieb es nicht. Fragen nach Milchzauber gehörten zu jedem Hexenprozess. 1501 verurteilte man zum Beispiel in Braunschweig darum eine Frau zum Tod auf dem Scheiterhaufen, 1530 zwei Frauen in Kiel. Hans Sachs machte ein Gedicht auf die Milchzauberei…
Bei den Kirchenvisitationen am 14. November 1577 und 1578 in Apollensdorf fand man „Ein Bauernweib, das nach allgemeiner Ansicht heimlich mit „der Molken“ zaubert, so dass es alle Bauern im Dorfe spüren. Die Frau soll vor den Superintendenten in Wittenberg gefordert und im geheimen vor dieser Sünde und ernster Strafe sich zu hüten vermahnt werden.“
Am 2. Juni 1595 wurde der Kemberger Bürger Hans Barthel vom Wittenberger Stadtgericht wegen Milchzauber zum öffentlichen Widerruf und 14 Tage Haft verurteilt.
Herrenspeise im Waisenhaus
Im 16. Jahrhundert gelang es dennoch, in den Dörfern und Städten so viel Milch zu produzieren, dass das auch von Luther gepriesene Butterbrot von der „Herrenspeise“ zu einem der wichtigsten Essen in der Arme-Leute-Küche abstieg.
Aus dem Festessen war eine Alltagsspeise geworden. So reichte man 1604 im Hamburger Waisenhaus als Zuspeise für Mehlsuppen und Gemüsebreie Butterbrot - Mittags an Wintersonntagen „Sauerkohl und Butterbrot zur Genüge“, Dienstags „Erbsen mit Speck und Butterbrot“, Donnerstags „Grünen Kohl mit Speck, oder Erbsen mit Speck und Butterbrot“, Samstags „Hafergrütze mit Milch und Butterbrot“, zum Abendbrot: Montags „Bohnen und ein Butterbrot“, ansonsten dasselbe wie beim Mittagbrot. „zum Frühstück, Warmbier, Brotsuppe, Sirupbrot oder Süßmilchkäse etc.“ (mz)