Kleingärten im Landkreis Wittenberg Kleingärten im Landkreis Wittenberg: Friedliche Koexistenz mit Migranten

Wittenberg - Am Kleingarten scheiden sich gern mal die Geister. Aktuelle Medienberichte, wonach Laubenpieper ihre Grenzen für Zuzügler dicht gemacht hätten, fielen denn auch zuverlässig auf fruchtbaren Boden in der Schrebergärtnerszene und darüber hinaus.
Der Aufnahmestopp zweier Dessauer Vereine für Ausländer hat im Kreis Wittenberg, wie eine MZ-Umfrage ergab, allerdings nicht seinesgleichen.
Zu 90 Prozent sicher
„Wir haben hier keinen Aufnahmestopp“, erklärte rundweg die Vorsitzende des Kreisverbandes der Gartenfreunde, Sabine Szczegula. Ihr Verband vertritt 68 Anlagen, das seien etwa 90 Prozent des gesamten Bestandes im Landkreis, also fast alle. „Probleme“ wiederum, wie sie in Dessau zu dem umstrittenen Schritt zweier Vereine geführt hatten, seien ihr für die hiesigen Sparten auch „nicht bekannt“. Und „wenn es welche geben würde“, fügte sie resolut hinzu, „dann wüsste ich’s.“ Friede den Hütten!
Klare Kante zeigt auch Klaus Nunweiler, Vorstandsvorsitzender der Wittenberger Kleingartenanlage „Am Stadtgraben“. Sein (gemeinnütziger) Verein agiere auf Grundlage des Kleingartengesetzes und der eigenen Satzung, man sei daher „politisch neutral“. Das soll aber vor allem bedeuten: „Bei uns kann jeder ’nen Garten pachten“ bzw. zuvor Mitglied werden, der 18 Jahre, also erwachsen ist, und in Stadt (Wittenberg) oder zumindest Land (Sachsen-Anhalt) gemeldet ist.
Über die Aufnahmen entscheide der Vorstand, der Vorstand wohlgemerkt, nicht der Vorsitzende allein. Zuvor schaue man sich das „soziale Umfeld“ des Bewerbers an. Da mag er dann ursprünglich herkommen, von wo er will.
Dass praktisch freilich trotzdem nicht jeder Mitglied des Vereins werden und ein Stück Land in zentraler Lage beackern darf, hat einen einfachen Grund: „Wir haben keinen Leerstand“, so Nunweiler. Die Parzellen sind so begehrt, dass man sich nur auf eine Warteliste setzen lassen kann - und hoffen, dass etwas frei wird.
Wollte man das viel strapazierte und oft geschmähte Wort multikulti bemühen - auf den Stadtgraben würde es wohl zutreffen. „Alle“ Vietnamesen aus dem innerstädtischen Einzelhandel, dazu Russen und Ukrainer („nicht nebeneinander“, flachst Nunweiler) gärtnern hier am Rand der Altstadt.
Dazu mehrere Syrer - drei Parzellen am Kurfürstenring. Eine weitere, zum Stadtgraben hin gelegen, sei gerade vergeben worden, an „Hassan“, sagt Klaus Nunweiler, der es mit Nachnamen allgemein nicht so hat und Vornamen generell bevorzugt. Hassan Alneimat ist der Betreiber des syrischen Cafés am Durchbruch in der Collegienstraße.
Eine Frage der Verteilung
Auf Integrationsdebatten will sich Nunweiler gar nicht erst einlassen, das brauche man doch nicht so hoch zu hängen, findet er. „Das sind alles Einwohner von Wittenberg“, konstatiert er und „ich behandele sie wie alle Vereinsmitglieder“: Es gibt „’nen Anschiss“ oder sie werden „belobigt“.
Oder nichts von beiden - wie sie sich eben verhalten. Vorkommnisse wie angeblich in Dessau (Lärm, Schwarzbauten) gebe es in seiner Sparte nicht. Man brauche freilich ein wenig Fingerspitzengefühl bei der Besetzung benachbarter Parzellen, „diskret verteilen“ nennt der Vereinschef dies. Ob man übrigens wisse, wie man einen vietnamesischen Garten erkennt, fragt er dann. Kürbisse, überall hängen Kürbisse!
Längst sind Verbandschefin Szczegula zufolge Syrer auch in anderen Sparten angekommen, in Wittenberg, aber teils auch auf dem Land, wo das Leerstands- problem respektive brachliegende Parzellen ein ungleich größeres Problem darstellt als in der Stadt.
Szczegula berichtet von einem Beispiel aus Radis. Die Sparte am Rand der Dübener Heide war lange Jahre von Brachen geprägt. Inzwischen ist dort wieder etwas mehr los. Der Verein, so die Verbandschefin, habe „übers Internet“ die Fühler weit ausgestreckt - Pächter kämen inzwischen auch aus den Großstädten Leipzig und sogar aus Berlin.
Man wird den Eindruck nicht los, dass da ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen Offenheit und der Abwesenheit von Leerstand. Ihren eigenen kleinen Ausländer-Skandal hat die Lutherstadt freilich schon hinter sich. 2016 wurde einem Türken die Aufnahme verweigert, weil er nicht in Sachsen-Anhalt wohne, wie es zur Begründung hieß. Eine „Hetzjagd“ nennt dies Szczegula - die Kritik an der Sparte.
(mz)