Interview Die PARTEI Interview Die PARTEI: Bierpalast statt Schlosskirche in Wittenberg

Wittenberg - Bei der letzten Landtagswahl im März 2016 wählten 0,5 Prozent der Bürger Sachsen-Anhalts „Die Partei“. Die weitläufig als Satiretruppe verstandene Organisation stellt etablierte Parteien und das deutsche Parteiensystem mit ihren Äußerungen auf die Probe. Mit Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 will sie nun in Wittenberg aktiv werden.
Mit ihrer Seite im sozialen Netzwerk Facebook erreichen die Wittenberger bereits jetzt mehr Facebook-Fans, als zum Beispiel Linke, CDU oder die Freien Wähler. Über den neuen Kreisverband und die Partei im Allgemeinen haben Anne Nicolay-Guckland und Alexander Baumbach mit dem Generalsekretär der Partei in Sachsen-Anhalt, Tom Kroker, gesprochen. Der 43-jährige Grafiker, der in Wittenberg lebt, hat zur Gründungsveranstaltung eingeladen.
Kommen wir gleich zur wichtigsten Frage: Wann wird die PARTEI die Macht übernehmen? Und was macht Ihr dann gegen das schlechte Wetter?
Kroker: Zur Bundestagswahl 2017 werden wir die Macht übernehmen und erstmalig eine Frau als Kanzlerkandidatin aufstellen. Das gab es in Deutschland noch nie. Schlechtes Wetter wird unter der Führung der PARTEI einfach verboten.
Ihr wollt am 12. August einen Kreisverband gründen. Wo sollen die Schwerpunkte Eurer politischen Arbeit hier im Landkreis Wittenberg?
Kroker: Zunächst einmal wird der Name „Luther“ aus dem Stadtnamen ersatzlos gestrichen. Mit Hasspredigern haben wir nichts am Hut. Die entsprechenden Denkmäler werden abgerissen und durch Biervulkane ersetzt. Das bringt uns große Sympathien im Volk und festigt dauerhaft unsere Macht. Da dieser Landkreis (wie alle Landkreise in Sachsen-Anhalt) strukturarm und eher ländlich geprägt ist, werden wir einen flächendeckenden Hanfanbau forcieren. Das sorgt einerseits für gute Laune unter den Landarbeitern und andererseits für blühende Landschaften (ein im Übrigen seit 26 Jahren nicht eingehaltenes Wahlversprechen der CDU).
Soll Wittenberg dann zum Zentrum der „PARTEI“-Machtzentrale?
Kroker: Momentan ist Wittenberg (bzw. Sachsen-Anhalt) ja noch das Europäische Zentrum der Kultur- und Perspektivlosigkeit. Diesen lethargischen Zustand zu ändern, ist ein erster Schritt, den es zu meistern gilt. Wenn wir den überwunden haben, können wir eventuell auch über künftige Prunkbauten sprechen. Anstelle der Schlosskirche könnte z.B. ein repräsentativer Bier-Palast stehen. Wir verbinden gern das Schöne mit dem Nützlichen..
Und Sie wollen dann Bier-Palast-König werden, oder haben da neue Parteimitglieder, immerhin wird ja bald ein PARTEI-Kreisverband Wittenberg gegründet, auch noch Chancen?
Kroker: Wittenberg verfügt bereits über einen König, der Bedarf an monarchistischem Wahn dürfte in der Bevölkerung ausreichend gedeckt sein. Gemäß unserer Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stehen zukünftige PARTEI-Protzbauten nicht nur PARTEI-Mitgliedern, sondern jedem Menschen zur Verfügung. Beziehungsweise fast jedem..
Wer wird denn ausgeschlossen?
Kroker: Björn Höcke, der Blödmannsgehilfe. Auch unsere Toleranz hat Grenzen..
Wer ist bei Euch herzlich willkommen? Und wann und wo ist die Gründung von dem Wittenberger Kreisverband geplant?
Kroker: Wir heißen jeden willkommen, der sich mit unserem Ziel; einer friedlichen und gerechten Gesellschaft, identifizieren kann. Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass wir für eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich eintreten. Wer also im „Land der Frühaufsteher“ beheimatet ist und trotzdem lieber ausschläft, hat am 12. August ab 18 Uhr die Möglichkeit, sich aktiv ins PARTEI-Geschehen einzubringen bzw einen Mitgliedsantrag zu unterschreiben. Der genaue Ort wird noch bekanntgegeben. Ich empfehle jedem, der ernsthaftes Interesse hat, sich hier zu melden: [email protected].
Jeder hat Chance als Direktkandidat bei "Die PARTEI"
Manch einer will ja vielleicht auch gleich höher hinaus, ohne sich vorher lange als braver Parteisoldat im bedingungslosen Händeheben bewährt zu haben. Bei der Gründungsversammlung stellen sich auch die Direktkandidaten für die Bundestagswahl vor. Wer kann sich denn als Direktkandidat bewerben und was muss er dafür tun?
Kroker: Soldaten, die bedingungslos ihre Hände heben, werden Sie bei der PARTEI nicht finden. Sind Sie sich eigentlich sicher, mit wem Sie im Moment reden oder verwechseln Sie uns gerade mit der AfD?
Nun gut, ich werde Ihre Frage trotzdem beantworten: Wir vertreten eine führerzentrierte Basisdemokratie. Als Direktkandidat kann sich prinzipiell jeder bewerben, dessen Wohnsitz sich im Wahlkreis befindet. Genau genommen muss man für eine Kandidatur noch nicht einmal PARTEI-Mitglied sein. Aber gutes Aussehen hat sich bewährt. Und natürlich sollte sich der Kandidat/die Kandidatin zu einhundert Prozent mit den PARTEI-Richtlinien identifizieren und dazu bereit sein, sich hochzuschlafen. Für zielorientierte Menschen sollten diese Anforderungen kein Problem darstellen.
Wichtigstes Kommunikationsmittel der PARTEI ist Satire, auf der Facebook-Seite der PARTEI Wittenberg sammelt Ihr damit ziemlich viele Klicks ein. Doch wie kann Demokratie gelingen, wenn sich die PARTEI gar nicht konstruktiv am politischen Prozess beteiligt?
Name: Sie implizieren mit dieser Frage die Behauptung, Satire könne keinen konstruktiven Beitrag zur politischen Willensbildung und damit letztlich zu einer menschlichen Demokratie leisten. Ich bin anderer Meinung. Gesellschaftskritik ist elementarer Bestandteil der Aufklärung! Wussten Sie, dass ProGenerika-Geschäftsführer und SPD-Mitglied Peter Schmidt entlassen wurde, weil er in einem Interview mit unserem PARTEI-Vorsitzenden Martin Sonneborn aus Versehen die Wahrheit gesagt hat? Wussten Sie, daß das PARTEI-Organ TITANIC 2006 die WM nach Deutschland holte? Es sind Satiriker, die Verantwortung übernehmen müssen in einem Staat, in dem Politiker versagen.
In Charles Chaplins Film „Der große Diktator“ hieß es bereits 1940: „Missgunst hat die Seelen vergiftet und uns im Paradeschritt ins Verderben geführt.“ Dieser Film war eine Warnung, welche tragischerweise wieder an Bedeutung gewinnt. Auch an Charlie Hebdo und Jan Böhmermann können Sie sehr gut erkennen, wie wichtig es ist, Menschenrechte gegen religiöse Fanatiker zu verteidigen. Satire ist der Indikator für die Fragilität demokratisch erworbener Grundrechte.
Aktuell geht die PARTEI in Mecklenburg-Vorpommern in den Wahlkampf mit der ebenso simplen wie weitreichenden Forderung „Seid lieb zueinander!“ Ich sage Ihnen: Würden die Menschen auf Satiriker hören, wäre die Welt um einiges friedlicher.
Und in diesem Zusammenhang: Was will die PARTEI eigentlich (könntet Ihr dafür kurz den Satire-Knapf auf „AUS“ drehen.)?
Kroker: Im Kern verkörpert die PARTEI ein humanistisch ausgerichtetes Menschenbild. Wer allerdings nach konkreten Problemlösungsansätzen fragt, hat das Prinzip der Partei nicht verstanden. Unser Programm beinhaltet deshalb ja auch die Forderung, Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einzuführen. Eben weil wir nicht auf alles eine Antwort haben.
Wir wollen ein Gemeinwesen, in dem sich jeder seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend entwickeln kann und in dem sich jeder seiner Verantwortung für die Gesellschaft bewusst ist. Wir verstehen es als unsere Aufgabe, den moralischen Kompass der Bevölkerung in Richtung Menschlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe auszurichten. Wir sind quasi das Gegenteil der AfD: klug, gutaussehend und kosmopolitisch.
Bei der Aufklärungsarbeit behilflich ist uns das Faktenmagazin TITANIC, welches man auch in Wittenberger Zeitungsläden käuflich erwerben kann.
Wen meinen Sie mit uns?
Kroker: Mit „uns“ meine ich mittlerweile ca. 25.000 Mitglieder, die in 16 Landes- und knapp 400 Kreis- und Ortsverbänden organisiert sind. Das sind Menschen, die bereits abgeschlossen hatten mit der Verlogenheit der etablierten Politik und die mit der PARTEI jedoch seit 2004 nun eine eigene Plattform haben, aus der heraus sie wieder am politischen Geschehen teilnehmen und aktiv eingreifen können, um beispielsweise Lobbyismus und gesellschaftlicher Verrohung entgegenzuwirken. Denn die Behauptung, vor allem junge Leute seien politikverdrossen, stimmt nicht. Sie sind vielmehr politikerverdrossen. Und entern nun langsam selbst den Kahn..
Ist "Die PARTEI" eine reine Spaßpartei?
Wird die PARTEI also verkannt, wenn sie als reine Spaßpartei verstanden wird?
Name: Woher bekommen Sie solche Informationen?
Satire ist zunächst einmal ein didaktisches Mittel der Kritik, sie funktioniert aus einem moralischen Standpunkt heraus, gewissermaßen als Grundeinstellung. Ihre gesellschaftspolitische Bedeutung gewinnt sie jedoch erst durch das Echo der Öffentlichkeit.
Natürlich dient der abwertende Begriff „Spaßpartei“dem politischen Gegner als soziale Distinktion. Geschenkt. Aber ich habe auch ein Gegenbeispiel: nachdem Sonneborn (Europaabgeordneter und Vorsitzender der Partei „die PARTEI“) auf der Frankfurter Messe chinesische Besucher mit den Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land konfrontierte, bekam Guido Westerwelle bei seinem China-Aufenthalt kurz darauf ein nur sehr eingeschränktes Rederecht. Sie sehen also: im Land der aufgehenden Sonne werden wir durchaus ernst genommen und das rate ich Ihnen hier auch.
Wir sind nur so lange Spaßpartei, wie wir nicht an der Macht sind. Das gilt übrigens für alle Parteien. Im Grunde gibt es überhaupt keine glaubwürdige Partei und ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Wahlversprechen unterliegen der clausula rebus sic stantibus, sie dürfen und werden aus diesem Grunde gebrochen. Solange Politiker keine persönlichen Konsequenzen befürchten müssen, werden sie jede noch so dreiste Lüge anwenden, um an die Macht zu kommen bzw. diese zu behalten. Das ist im Prinzip die zentrale Aussage, die wir seit zwölf Jahren gebetsmühlenartig runterleiern: Leute, Ihr werdet verarscht!
Und was ist jetzt mit dem Begriff "Spaßpartei"?
Kroker: Um noch einmal auf diesen etwas deplatzierten Terminus „Spaßpartei“ zurückzukommen: ausgerechnet diejenigen zu belächeln, die den Irrsinn des Politbetriebes dokumentieren und mit Ironie aufbereiten, zeugt von entweder von Naivität oder einer gewissen Arroganz. Ohne Sonneborn wüsste der Pöbel beispielsweise nicht, daß die EU jedes Jahr 180 Millionen Euro dafür ausgibt, um 3000 Mitarbeiter des Europaparlaments einmal pro Monat für vier Tage von Brüssel nach Straßbourg umzusiedeln - in ein Zweitparlament, welches 80% des Jahres leer steht. Niemand hat eine Erklärung dafür. Und an dieser Stelle betritt eben der Satiriker die Bühne und streut diese Information unters Volk - bestenfalls witzig verpackt.
Ich finde, für diese Art Aufklärung kann man schonmal ein bisschen Dankbarkeit zeigen. Zum Beispiel indem man bei der Bundestagswahl 2017 die PARTEI wählt. Ein TITANIC-Abo tut's natürlich auch für's Erste..
Und was sagen Sie zu der Bezeichnung „Satirepartei“? Trifft es dieser Begriff besser?
Kroker: Ja, aber nur bis zur Machtübernahme.
Können alternative Parteien andere Lösungen für politische Probleme finden?
Stichwort Island, Jón Gnarr: Alternativen zu etablierten Parteien können tatsächlich politische Probleme lösen, die als versteinert galten. Politik(er)verdrossenheit ist davon tatsächlich wahrscheinlich eines der schlimmsten. Wenn sie sich die Zukunft der Welt 2030 vorstellen: wie sieht die aus?
Kroker: Jón Gnarr ist ein sehr gutes Beispiel, er war ein absoluter Glücksgriff für Reykjavík. Überhaupt könnten wir viel von Island lernen, wenn wir wöllten.
Mit dem Versuch, Ihre Frage zu beantworten, käme bei mir allerdings sehr wahrscheinlich eine Dystopie zustande. Ich weiß nicht, wie es hier in 14 Jahren aussehen wird. Was ich aber weiß, ist, daß wir nur gemeinsam an einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung arbeiten können. Schon Marx wusste: „Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu.“ Wir müssen uns Ziele stecken, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Die Kapitalhörigkeit und das Duckmäusertum der aktuellen Bundesregierung tragen dazu nicht bei.
Stichwort Volksentscheid/-befragung. Wie unterscheidet sich die PARTEI da von den Piraten?
Kroker: Ach, die Linksliberalen. Gibt's die überhaupt noch? Ja, indem diese kleine Faschingspartei die Volksabstimmungs-Klausel von uns abschrieb, hat sie ausnahmsweise mal was richtig gemacht. Ansonsten sind die ja hauptsächlich damit beschäftigt, sich über ihren eigenen, permanent wechselnden Kurs zu streiten. Diese alberne Idee, jeder dürfe mal an's Ruder und Steuermann spielen, ist der sicherste Weg, auf eine Sandbank zu laufen. Diese Gefahr ist bei der PARTEI ausgeschlossen. (mz)