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Streit um Ruhestörung Schildbürgerstreich in Jessen: Landkreis verhängt Halteverbot auf Parkplatz

In Jessen eskaliert ein jahrelanger Konflikt: Ein Halteverbot am Wochenende für den Parkplatz der Sporthalle sorgt für Empörung beim Handballverein Jessener SV 53. Der Landkreis begründet die Maßnahme mit möglichen Ruhestörungen, doch der Verein kritisiert die Entscheidung scharf.

Von Michael Hübner Aktualisiert: 01.11.2024, 08:53
Für den Parkplatz an der Sporthalle am Gymnasium in Jessen besteht am Wochenende Halteverbot. Grund sind Lärm-Beschwerden aus der Nachbarschaft. 
Für den Parkplatz an der Sporthalle am Gymnasium in Jessen besteht am Wochenende Halteverbot. Grund sind Lärm-Beschwerden aus der Nachbarschaft.  Foto: Sven Wieder

Jessen/MZ. - Das können Kritiker durchaus als Schildbürgerstreich bezeichnen. Der Landkreis sperrt seinen eigenen Parkplatz vor der Turnhalle am Gymnasium für die Wochenenden. Die Premiere der Halteverbotsschilder sorgt am Samstag für größte Empörung bei den Handballfans.

Der Verein spricht von einer „Nacht- und Nebelaktion“. Das Topspiel in der Oberliga wird fast zur Nebensache. Verantwortliche für die Aktion sind nicht vor Ort. Doch sie können die Wut der Jessener nur wenige Stunden später deutlich in den sozialen Medien nach lesen.

Empörung über Halteverbot: Handballverein und Fans sind entsetzt

Der Verein postet ein Verbotsschild mit der plakativen Frage: Sport und Ehrenamt sind dem Landkreis nichts mehr wert? Die Antwort wird gleich mit geliefert. „Traurig, aber wahr. Sportförderung im Landkreis Wittenberg“.

„Für unseren Verein ist dieses Verbot ein weiterer Höhepunkt in einem seit Jahren schwelenden Konflikt mit dem Landkreis. Bereits mehrfach wurde uns nahegelegt, eine andere Sportstätte für unsere 400 Mitglieder zu suchen. Mit dem jetzigen Parkplatzverbot erhöht sich der Druck zusätzlich.

Unverständlich ist zudem die Forderung des Landkreises, dass der Verein eigenverantwortlich für die Einhaltung der Parkplatzsperre sorgen soll“, heißt es auf der Jessener Facebookseite.

Halteverbot auf dem Parkplatz - es geht um Ruhestörung

„Ich parke da auch weiterhin“, kommentiert ein User. Tatsächlich ist das am Samstag problemlos und straffrei möglich. Die Handballer erhalten für ihre heftige Reaktion viel Zustimmung. Auch zwei prominente Sportler aus zwei Wittenberger Vereinen unterstützen die Kritik.

Nur: Es geht in diesem Fall nicht um Sportförderung. Es steht der Verdacht im Raum der Ruhestörung. Das ist in Deutschland kein Kavaliersdelikt, sondern eine Ordnungswidrigkeit.

Die Strafen dafür sind drakonisch: bis zu 5.000 Euro. Dabei geht es nicht um subjektives Empfinden. Der Gesetzgeber hat „unzulässigen Lärm“ genau definiert – in Dezibel-Angaben. Das alles ist leicht kontrollierbar, aber in Jessen bisher nicht geschehen.

Anwohner fordern Maßnahmen gegen Ruhestörung vor Sporthalle in Jessen

Die Geschichte beginnt, so erzählt es der MZ ein Mann, der im Namen der Anwohner spricht, vor etwa zwei Jahren. „Es geht um die allgemeine Geräuschkulisse“, erklärt er der MZ. Deshalb habe er sich an das Rathaus gewandt.

„Antwort kam vom Bürgermeister. Er werde mit dem Verein reden“, wird der MZ berichtet. „Es sei betont, dass in den vergangenen Jahren weder das Ordnungsamt noch die Polizei Hinweise auf Ruhestörungen an uns weitergeleitet haben“, erklärt dazu der Club. Für das Stadtoberhaupt ist aber mit den netten Schreiben der Fall erledigt.

Michael Jahn hält sich mit „offiziellen Statements“ zurück. „Ich bin Beobachter, Außenstehender“, begründet er seine Zurückhaltung. Er habe seine Fragen an den Landkreis gestellt, aber bisher – Stand Mittwochnachmittag – keine Antworten erhalten.

Lärm auf dem Parkplatz: Polizei sieht Stadt in der Verantwortung

Die Anwohner, so wird der MZ berichtet, sehen im Gegensatz zum Stadtoberhaupt ihr Problem nicht geklärt und schalten „vor etwa einem halben Jahr“ die Polizei ein. „Wir kommen nicht. Die Spiele sind genehmigt“, zitiert der MZ-Gesprächspartner den Beamten.

„Die Entscheidung des Beamten kann nachvollzogen werden und ist demzufolge nicht falsch“, betont Wittenbergs Reviersprecherin Cornelia Dieke. „Hinzu kommt, dass bei ruhestörendem Lärm grundsätzlich die Städte zuständig sind. Bei Fällen außerhalb der Dienstzeiten der Ordnungsämter wird durch die Polizei der Bereitschaftsdienst informiert.

Kann dieser nicht oder nicht rechtzeitig tätig werden, handelt die Polizei in subsidiärer Zuständigkeit. Die Städte müssten ein Dezibel-Messgerät haben. Die Polizei hat kein derartiges geeichtes Gerät zur Verfügung“, so die Polizeihauptkommissarin. Im Klartext: Die Polizei kann mutmaßliche Ruhestörung beenden, aber nicht gerichtsfest dokumentieren.

Jugendliche auf Parkplatz sorgen für Polizei-Einsatz - kein Regelverstoß festgestellt

Und trotzdem gibt es auch in Jessen einen Einsatz. Allerdings werden die Beamten nicht direkt von einen Betroffenen gerufen, sondern von einem Stadtrat, der sich ehrenamtlich für den Verein engagiert. Das Ergebnis veröffentlicht im Internet ein anderer Stadtrat, der ebenfalls im Verein aktiv ist.

„Es wurde aber kein Verstoß festgestellt, weshalb die Jugendlichen laut Polizei weiterhin auf dem Parkplatz bleiben durften. Diese Gruppe stand zudem unabhängig von unseren Veranstaltungen dort und hatte nichts mit dem Verein zu tun – entweder fand an diesem Tag kein Spiel statt oder die Spiele waren längst beendet.“

Landkreis prüft Alternativen zur aktuellen Regelung

Die Faktenlage ist nach zwei Jahren Streit dünn. Es ist noch immer unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Und auch über die möglichen Verursacher gibt es nur Spekulationen. Nun hoffen die Anwohner, dass der Landkreis für Aufklärung und Hilfe sorgen kann.

Doch schon jetzt ist klar: Das Aufstellen der Halteverbotsschilder ist keine Lösung. „Tatsächlich hat kein Mitarbeiter des Landkreises die Situation vor Ort persönlich begutachtet“, schreiben die Sportler in ihrem „Bericht zur Sperrung“. Die Kritik kann nicht wirklich entkräftet werden. Aber das soll sich jetzt ändern, kündigt Alexander Baumbach an.

Nach Angaben des Pressesprechers im Landratsamt werde auch versucht, eine Gesprächsrunde zwischen den Verantwortlichen des Vereins und den Anwohnern zu organisieren. Der Dialog sei ergebnisoffen. „Die Halteverbotsschilder können auch wieder deaktiviert werden“, so Baumbach.