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Agile Wittenbergerin wirkt lieber im Hintergrund

Von KLAUS ADAM 17.11.2009, 13:03
Annette Byhahn ist in einer Selbsthilfegruppe aktiv. (FOTO: MZ)
Annette Byhahn ist in einer Selbsthilfegruppe aktiv. (FOTO: MZ) CARDO

WITTENBERG/MZ. - Und das macht die 40-jährige Wittenbergerin durchaus stolz. Dabei war es zunächst die Entscheidung ihres Lebensgefährten Uwe Gernert, der sich mit seiner Krankheit nicht länger verstecken wollte, die sie mit ihrem Ehrenamt in Verbindung brachte. Denn er sprach vor einigen Jahren den damaligen Wittenberger Sozialreferenten Engelbert Pennekamp an, ihn bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe für Menschen zu unterstützen, die diese schwere Erbkrankheit haben.

So ist Annette Byhahn "halt reingerutscht in die Hilfe-Arbeit", wie sie sagt. Schon, weil ihr Lebensgefährte Uwe Gernert seither der Landesvorsitzende der Selbsthilfegruppe ist, die nicht in verschiedene Ortsverbände aufgeteilt ist. "Von Neurofibromatose Betroffene scheuen oft die Öffentlichkeit", weiß Annete Byhahn aus familiärer Erfahrung. Diese Nervenkrankheit gibt es zwar in bis zu acht verschiedenen Ausprägungen. Am häufigsten haben sich dabei jedoch zwei Varianten herauskristallisiert, von denen eine, als Morbus Recklinghausen bekannt, am weitesten verbreitet ist. So breit aber nun auch wieder nicht, dass es bislang ausreichende wissenschaftliche Forschungsergebnisse gäbe. Die Krankheit, bei der sich in Haut und Nervensystem zahlreiche Tumore bilden, ist noch nicht heilbar. Was man weiß, es ist eine Erbkrankheit, erklärt Annette Byhahn.

Die gelernte Köchin, die arbeitslos ist und sich aus einer Reha-Maßnahme heraus zur Bürokauffrau umschulen ließ, kümmert sich seit Gründung der Gruppe um den gesamten Schriftverkehr. "Das schafft einer alleine gar nicht", begründet sie ihr Engagement, obwohl sie selbst von der Krankheit nicht betroffen ist. Mittlerweile ist dies für sie ein Volltagsjob. "Dieses Jahr haben wir insgesamt 71 Anträge auf Leistungen bei den Krankenkassen gestellt", fasst sie zusammen. Und solche Formulare hätten beileibe nicht nur ein oder zwei Blätter. "Immerhin haben wir schon 30 Zusagen erhalten", freut sie sich. Denn dies ist aus ihrer Sicht bereits ein enormer Erfolg.

Ursula und Egbert Stübing aus Magdeburg ergänzen in ihrem Vorschlag zur Ehrung Annette Byhahns als Helfer mit Herz, dass allein für das Filmprojekt, das gemeinsam mit der Selbsthilfegruppe Berlin/Brandenburg verwirklicht wurde, über 70 Antragsformulare auszufüllen waren. "Durch ihre Unterstützung haben viele Betroffene sowie Angehörige wieder Mut gefasst und sind aus ihrem sozialen Schattendasein herausgekommen", schreibt Familie Stübing.

Doch für die agile Wittenbergerin ist nicht nur der "Schriftkram" wichtig. Genauso nahe am Herzen liegen ihr die persönlichen Begegnungen. So betreut sie unter anderem oft drei Kinder aus dem Nachbarland Brandenburg, deren Mutter von der Krankheit betroffen ist. Die Drei-, Fünf- und Neunjährigen haben sie so ins Herz geschlossen, dass sie regelmäßig zu ihr kommen, wenn ihre Mutter wegen der Krankheit mal wieder in die Klinik muss. Annette Byhahn nennt ebenso die vielen Telefonate, in denen sie Mitglieder der Selbsthilfegruppe berät, oftmals seelisch aufrichtet, ihnen Mut zuspricht oder einfach Informationen weitergibt. "Wenn sie sagen, dass sie das Wissen von uns haben, dann gilt das schon oft als Türöffner zum Beispiel bei der Kassenärztlichen Vereinigung", sagt Frau Byhahn.

Dies und vieles mehr trug dazu bei, dass Uwe Gerner dieses Jahr Botschafter des Verbundnetzes der Wärme wurde, einer sozialen Initiative der Verbundnetz Gas AG in Ostdeutschland. Ursula und Egbert Stübing wissen indes, dass Annette Byhahn in zahlreiche Fettnäpfchen treten und sich unbeliebt machen muss, um manchen Erfolg für die Betroffenen zu erreichen. Und nicht nur nebenbei ist sie auch Elternvertreterin in der Klasse ihres Sohnes.