„Uns zerreißt es das Herz“ Trauer um Corona-Tote: Wie eine Uichteritzerin die Trauer um ihren Mann bewältigt
In Weißenfelser Marienkirche wird der während der Pandemie Verstorbenen gedacht.
Weissenfels/MZ - Barbara Löser gehörte am Mittwochabend zu den 70 Frauen und Männern, die in der Weißenfelser Marienkirche vor brennenden Kerzen weiße Rosen ablegten. Damit gedachte die Uichteritzerin ihres im Januar dieses Jahres verstorbenen Mannes Karl-Heinz. Der 74-Jährige gehört zu den 110 Menschen, die in Weißenfels und seinen Ortsteilen während der Corona-Pandemie gestorben waren.
Weißenfelser Oberbürgermeister und Landrat sprachen den Menschen ihr tiefstes Mitgefühl aus
Um aller Toten zu gedenken, hatte der Burgenlandkreis zu einer Zeremonie mit Trauermarsch und anschließendem Requiem in der Marienkirche geladen. Einfühlsam führten die evangelische Pfarrerin Philine Hommel und der katholische Pfarrer Johannes Zülicke durch die würdevolle Veranstaltung, das mit dem Ensemble Merseburger Hofmusik und mit Ansprachen gestaltet wurde.
Der Weißenfelser Oberbürgermeister Robby Risch (parteilos) und Götz Ulrich (CDU) sprachen den Menschen ihr tiefstes Mitgefühl aus. Beerdigungen hätten nur im kleinsten Kreis stattfinden können und damit wurde vielen Angehörigen ein wichtiger Bestandteil der Trauerbewältigung genommen, sagte Robby Risch. Dies könne nicht zurückgegeben werden. „Aber dieser Tag soll Ihnen ein wenig dabei helfen“, so Risch.
Schwierige Entscheidungen in der Pandemie: Was ist menschlicher?
Götz Ulrich erinnerte daran, dass die vergangenen 15 Monate ungewöhnlich waren und dann drohte die Gefahr, der Lage in der Pandemie nicht mehr Herr zu werden. So wurde schließlich der Kontakt mit besonders gefährdeten Menschen, also denen in Krankenhäusern und Altenheimen, verboten. Er habe sich oft die Frage gestellt, ob diese Entscheidungen richtig seien, denn schließlich handele es sich um Eingriffe in Grundrechte.
Ein anderes Grundrecht sei aber auch die Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit. Dennoch habe er sich die Frage gestellt, was unmenschlicher sei: Todkranke alleine sterben zu lassen oder gesunde Menschen in der Pandemie per Gesetz zu schützen? „Ich hatte schlaflose Nächte, weil ich darauf keine klare Antwort gefunden habe“, so der Landrat.
Ich hatte schlaflose Nächte, weil ich darauf keine klare Antwort gefunden habe.
Götz Ulrich (CDU), Landrat im Burgenlandkreis.
Schwere Zeiten für die Pflegekräfte auf den Intensivstationen
Er wisse aber auch von den Menschen, die auf der anderen Seite um das Leben der vielen infizierten Menschen kämpften. Die Augenzeugenberichte, die Ulrich dann vortrug, gingen unter die Haut. So las er die Worte von Sylvia Angermann, Bereichsleiterin der Covid-19-Station vom Asklepios-Klinikum Weißenfels, vor. „Patienten verstanden wegen der Masken kaum unsere Worte und sie sahen kein Gesicht von uns. Sie zogen sich zurück, lehnten das Essen ab, weinten und gaben sich auf. Jeden Tag klingelten die Telefone ohne Ende, weil Angehörige wissen wollten, wie es ihren Liebsten geht. Wir gingen durch die Hölle. Die Patienten riefen weinend und jammernd nach ihren Angehörigen, um dann alleine zu sterben.“
Ulrich gab auch Ina Hoppe, Leiterin der Intensivstation im Asklepios-Klinikum, eine Stimme. Sie hatte aufgeschrieben, wie die Pflegekräfte selber die einsamen Patienten nicht in den Arm nehmen durften und dass die mit Masken vermummten Gesichter es erschwerten, die isolierten, kranken Menschen zu trösten und zu ihnen zu sprechen.
Pfleger lasen den Patienten Abschiedsnachrichten von ihren Angehörigen vor. Uns zerreißt es das Herz.
Ina Hoppe, Leiterin der Intensivstation im Asklepios-Klinikum.
Und dann noch Schwester Marlene vom SRH-Klinikum Naumburg: „Es war und ist eine der härtesten Zeiten unseres Berufes. Patienten sterben und wir müssen machtlos zusehen. Das hat uns psychisch sehr zugesetzt.“
Pfleger legten den Hörer des Telefones an das Ohr eines Covid-Patienten
Er verneige sich vor allen Verstorbenen, vor allen Fachkräften von Krankenhäusern, Hospizen und Altenheimen, die die Menschen in der Corona-Pandemie begleiten und begleitet haben, so der Landrat. Barbara Löser selber durfte ihren Mann noch einige wenige Male vor seinem Tod besuchen - im Vollschutz. Er hatte sich während der Behandlung einer anderen Krankheit im Krankenhaus mit Corona angesteckt. Dann wurde es auch ihr wegen der vielen infizierten Menschen auf den Stationen verboten.
Zuletzt hätten Pfleger den Hörer des Telefones an das Ohr ihres Karl-Heinz gehalten, wenn sie anrief. Er selber hatte dazu irgendwann keine Kraft mehr, sagt sie. Die Beerdigung habe im kleinsten Kreis stattgefunden. Die Abstandsregeln hätten tröstende Umarmungen verboten. Das erschwerte den Trauerprozess und sie könne schlecht abschließen. Aber nun fühle sie sich etwas leichter, sagte sie nach dem Requiem.