In der Kürze liegt die Würze
Trebnitz/MZ. - Stolze-Schrey ist die beste Kurzschrift. Sie ist leicht zu lernen und gut lesbar. Davon sind zumindest Karin Zimmer und Edgar Neubert überzeugt. Entschlossen wehren sie sich gegen das Aussterben der Kurzschrift, denn das steht irgendwie bevor. Bundesweit zählt der Stenografenverband Stolze-Schrey noch etwa 50 Mitglieder, drei leben im Osten.
Wenn der Theißener Edgar Neubert, ehemaliger Abteilungsleiter in der Kohle, Jahrgang 1935, und die einstige Lehrerin aus Trebnitz, Karin Zimmer, Jahrgang 1942, sich die Fotos früherer Treffen des Stenografenverbandes ansehen, dann stellen sie fest, dass die Reihen immer lichter werden. Die meisten Mitglieder sind im Rentenalter, Nachwuchs gibt es im Grunde nicht. Das würden die beiden Kurz-Schreiber gern ändern. Interessenten bieten sie jedenfalls ihre Unterstützung an. Wie dem auch sei, seit 2004 gibt es nur noch den Stenografenverband Stolze-Schrey als bundesweite Vereinigung. Sie hat die Reste der einstigen lokalen und regionalen Vereine gebündelt. Neubert ist übrigens Schriftführer und Kassierer.
Dass die Gegend zwischen Zeitz und Weißenfels eine Hochburg der 1897 aus den beiden Systemen Stolze und Schrey entstandenen Kurzschrift ist, hängt maßgeblich am einstigen Lehrer Ewald Beuchel. Er unterrichtete Steno in der Schule, betreute eine Kindergruppe und besaß laut Neubert die bedeutendste Bibliothek des Steno-Vereins. Bei ihm lernten Karin Zimmer und Edgar Neubert Stolze-Schrey. Und beide nutzten sie auch im Alltag. "Ich habe alle meine Aufzeichnungen in der Kurzschrift gemacht", sagt der frühere Abteilungsleiter. Auch heute schreibe er in der Regel Steno, Frau Zimmer ebenso. Das stellt Mitmenschen mitunter vor Probleme. Als der Schulrat einst ihre Unterrichtsvorbereitung sehen wollte, bekam er Unterlagen in der Kurzschrift vorgelegt. Damit habe er nichts anfangen können, sagt sie, weil er es nicht lesen konnte.
Stolze-Schrey bedeutet für die Schriftkundigen auch ein bisschen Widerstand. Die Nazis verboten dieses System und führten die Einheitskurzschrift ein. Nach dem Krieg änderte sich in der DDR daran nichts, im Westen bekam Stolze-Schrey Aufwind. Allerdings mehr auf Vereinsebene, wie Neubert erklärt, gelehrt worden sei kaum. Und weil die Kurzschrift nur in der Bundesrepublik offiziell existierte, betrieben die Ostdeutschen grenzüberschreitenden Schriftverkehr. Man habe sich an Preisarbeiten beteiligt, sagt Frau Zimmer. Das heißt, es wurden Texte in Steno übersetzt und gen Westen geschickt. Dort vergaben Jurys Bewertungen. Eine bestimmte Anzahl von Preisen mündete dann in Präsenten. Anders gesagt, die Steno-Freunde im Raum Theißen erschrieben sich Westpakete. Manchmal gelangte auch eine Ausgabe der Monatszeitschrift Stolze-Schrey-Post von West nach Ost über die Grenze. Das war dann quasi Schmuggelware.
Die Kurzschrift beinhaltet Zeichen für Buchstaben, Silben oder ganze Worte. Gleiche Zeichen haben unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, ob sie auf der Zeile oder darunter stehen. Im Vergleich zu anderen Systemen können ebenfalls gleiche Zeichen unterschiedlich zu lesen sein. "Die Kurzschriften sind zwar verwandt, haben aber erhebliche Unterschiede", sagt Neubert. Geübte Schreiber schaffen mit Stolze-Schrey 200 Silben pro Minute, Spitzenwerte liegen bei 400 Silben. "Für uns sind 100 Silben schon ganz gut", sagt Frau Zimmer und meint damit sich und Neubert.
Wer mehr über die Kurzschrift wissen möchte, kann sich an Edgar Neubert wenden,
Telefon 03441 / 68 08 34.