Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Fernsehen einmal ganz nah
ERFURT/MZ. - "Ohne Fernseher könnte ich nicht leben", sagt Roy Geßner geradeheraus. "Fernsehen macht dumm", ist von Celine Winnemund zu hören. "Es kommt doch darauf an, was man guckt", findet Yannick Schütz. "Ballerei finde ich blöd. Nachrichten aus aller Welt machen einen schlau", erzählt der Neunjährige. Alle drei sind Schüler der MZ-Patenklasse aus der Grundschule in Granschütz. Ihr Klassenlehrer Carsten John weiß: "In den Pausengesprächen dreht sich fast alles um Fernsehsendungen." Darum war er sich mit den Eltern und schließlich mit seiner Klasse schnell einig: Der Wandertag wird dafür genutzt, um Fernsehen einmal ganz nah, nämlich hautnah, zu erleben. Das Ziel: Das Landesfunkhaus des Mitteldeutschen Rundfunks von Thüringen und dort speziell der Kinderkanal KI.KA.
Vor 14 Jahren hoben die ARD und das ZDF den Kinderkanal aus der Taufe. "Wir machen Qualitätsfernsehen ohne Werbung", sagt Programmgeschäftsführer Steffen Kottkamp selbstbewusst. Rund 130 Mitarbeiter seien täglich damit beschäftigt, kindgerechte Unterhaltung, altersspezifische Wissensvermittlung und eine bunte Vielfalt für Sprösslinge zwischen drei und 13 Jahren ab sechs Uhr früh bis abends 21 Uhr auf den Sender zu bringen. Zwei Drittel aller Beiträge entstehen im Erfurter Studio. Es gibt rund 100 verschiedene Sendungen pro Woche. Offenbar gelingen die gut. "Die Kinder lieben uns", meint Kottkamp. Den Sender erreichen täglich rund 1 000 Leserbriefe.
Die MZ-Patenkinder kennen sich im Programmheft des KI.KA bestens aus. Die "Sesamstraße" ist beliebt, die Kindernachrichten "logo" und "Willi wills wissen" werden selten verpasst, die Moderatoren Juri und Singa sind in den Kinderzimmern Stammgäste. Zu den Märchenfilmen am Wochenende gesellen sich dann nicht selten die Eltern, plaudern die Mädchen und Jungen aus.
Doch wie entsteht ein Film? In einem extra eingerichteten Trickfilmstudio für die Besucher des Kinderkanals kann das ausprobiert werden. Benedikt Hommann aus der Zuschauerredaktion nimmt die MZ-Patenkinder unter seine Fittiche. Vier Trickfilme sollen entstehen. Da bedarf es zunächst eines Hintergrundbildes, dann der Figuren und der Kamera. Ja, und einer Geschichte, die die Trickfilmfiguren schließlich spielen sollen. Fantasie ist gefragt, Geduld auch. Eines merken die Mädchen und Jungen schnell: Die Arbeit für einen einminütigen Film zieht sich. Da dauert es gut und gerne eine Stunde, bevor eine kleine Szene steht.
Dann geht es an die Trickbox. Die Kulissen und Utensilien liegen auf dem Tisch, darüber hängt die Kamera, vis-a-vis befindet sich der Bildschirm. "Boah, ist das schwer", stöhnt Nico Stark und sein Zwillingsbruder Eric stimmt ihm zu. Die Figuren werden einen Millimeter geschoben, dann wird die Kamera ausgelöst. Wieder wird geschoben, wieder macht es klack. Aneinandergereiht ergibt das ein bewegtes Bild im Trickfilm. Zwölf Bewegungen sind allein für eine Kopfbewegung notwendig.
Bis zum Mittag sind die vier Streifen der jungen Filmemacher aus Granschütz fertig. Fertig sind auch sie. Carsten John weiß ein Rezept: "Raus auf den Spielplatz." Der befindet sich auf dem Gelände der Erfurter Gartenschau unmittelbar neben dem Landesfunkhaus. Toben, klettern, schaukeln, rutschen - die MZ-Patenkinder sind in ihrem Element. Und hungrig. Der KI.KA spendiert ihnen Spaghetti und Tomatensoße. So gestärkt wird nun beim Fernsehen ferngesehen. Die frischen Trickfilme haben Premiere und bekommen viel Applaus. Dann geht es hinter die Kulissen. Die Mädchen und Jungen kommen aus dem Staunen gar nicht heraus. Hier gibt es ein riesiges Spielzeuglager. In anderen Regalen sind rund 60 000 Filmkassetten aneinander gereiht. "Da könnte ich jahrelang Abenteuer, Märchen oder Trickfilme schauen", rechnet angesichts dieser gigantischen Menge Alexander Fischer.
Neugierig betrachten vor allem die Mädchen die Garderoben und die "Maske". Benedikt Hommann und seine Kolleginnen aus der Redaktion erklären den Kindern, warum schwarze Klamotten vor der Kamera unangebracht sind, dass die Fernsehmoderatoren erst angezogen und dann geschminkt werden. Make up ist auch für Männer unverzichtbar. "Da muss man aber auf viele Sachen achten. Daran denke ich gar nicht, wenn ich fernsehe", sagt Niklas Kretzschmar. "Also ich mache mir keinen Kopf darüber, ob die Ansager schwitzen und glänzen".
Der Junge findet das lustig. Dann endlich geht es ins Live-Studio des KI.KA. Die Klasse staunt. Sie hatten eine riesige Halle vermutet, doch das Studio ist überschaubar und halbrund. An der Decke hängen rund 100 große Scheinwerfer - die imponieren den Besuchern. Es prasselt Fragen: Was ist, wenn die runterfallen? Was ist, wenn die ausfallen? Was ist, wenn die brennen? Benedikt beruhigt. Nix von alledem sei je passiert.
Nun kommt das Sahnehäubchen des Rundgangs, das Allerheiligste des KI.KA: der Regieraum. Eine Wand voller Monitore, ein riesiges Mischpult und tausende Knöpfe. Bei den Drittklässlern geht die Fantasie durch. Jetzt sind sie im Raumschiff Enterprise, jedoch mit einer ganz wichtigen Einschränkung. Hier gilt für sie: nur gucken, nicht anfassen.
Rund 10 000 Kinder nutzen pro Jahr die Möglichkeit, sich mit der Arbeit beim Kinderkanal vertraut zu machen. Auf der Heimfahrt in Richtung Granschütz sind sich die 26 MZ-Patenkinder einig: Kinderfernsehen machen ist nicht kinderleicht. Im Zug sehen manche auf die Uhr. Es ist bereits gegen 18 Uhr. "Da sind wir ja bis zum Sandmännchen zu Hause", meint Celine Teumer. Das will sie nicht verpassen.