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Bahnhof Hohenmölsen Bahnhof Hohenmölsen: 23-Jähriger baut sein ungewöhnliches Haus aus

Von Petra Wozny 16.10.2015, 12:01
Dem 23-jährigen Hohenmölsener Chris-Anselm Holtfreter gehört das Bahnhofsgebäude der Stadt. Hier will er einmal wohnen.
Dem 23-jährigen Hohenmölsener Chris-Anselm Holtfreter gehört das Bahnhofsgebäude der Stadt. Hier will er einmal wohnen. Peter Lisker Lizenz

Hohenmölsen - Die Urteile schwanken zwischen „nicht ganz dicht“, „verrückt“ und „durchgeknallt“. Andere ziehen den Hut und finden Chris-Anselm Holtfreters Vorhaben einfach nur abgefahren. Der 23-jährige Hohenmölsener hat vor zwei Jahren das stillgelegte Bahnhofsgebäude der Stadt erworben. Spätestens zu seinem 30. Geburtstag will er in das Objekt einziehen.

Ein langer, harter und finanziell aufwendiger Weg liegt vor ihm. Den jungen Mann erschüttert das nicht. Ruhig, bestimmt, vielleicht auch ein wenig stur sagt er: „Einen Bahnhof wollte ich schon immer haben.“ Menschen suchen Wohnungen oder Häuser, andere Hausboote, Kirchen oder Mühlen. Welche jungen Menschen suchen sich einen Bahnhof? Chris eben.

„Bahnhöfe haben Flair. Sie sind Orte der Begegnung und der Trennung.Von hier aus fuhren die Menschen auf Arbeit, in den Urlaub und zu Verwandten. Mich hat das immer fasziniert“, schildert der junge Mann, der noch bei seiner Mutter Britta Henseleit wohnt und eher mit Autofahrten erwachsen geworden ist. Die Mutter teilt seine Faszination für Bahnhofsgebäude. „Finanziell komme ich da schon allein auf, auch wenn ich mich über familiäre Unterstützung freue“, betont der Hohenmölsener. „Ich habe schließlich meinen eigenen Verdienst.“ Holtfreter ist Industriemechaniker bei der Mibrag und studiert gegenwärtig Techniker für Maschinenbau.

Im Internet-Versteigerungsportal Ebay entdeckt Chris 2012 den Hohenmölsener Bahnhof. Der Vorbesitzer bietet ihn für einen Euro an - Chris schlägt zu. Die Entwürfe für das Objekt stammen aus dem Jahr 1889. Der Zustand des Backsteingebäudes gegenüber der Gaststätte in der Naumburger Straße veranlasst nicht gerade zu Freudensprüngen. Obdachlose hatten es als Domizil aufgesucht. Müll türmte sich, das Dach fehlte. Alles Mobiliar und die Technik der Deutschen Bahn waren bei der Stilllegung des Gebäudes Mitte der 1990er Jahre abgebaut worden.

2.700 Quadratmeter großes Grundstück

Der neue Besitzer von einem 2.700 Quadratmeter großen Grundstück, einem Backsteinhaus von 137 Quadratmetern und dem Ladeschuppen mit 160 Quadratmetern bestellt zunächst Container - insgesamt neun, um den gesamten Schrott abfahren zu lassen und um Baufreiheit zu schaffen. Was nun folgen soll, hat er lange im Kopf. „Hätte ich etwa eine Viertelmillion Euro, dann könnte ich im nächsten Jahr einziehen“, rechnet er. Hat er aber nicht. Also will er gemeinsam mit seinen Freunden so viel als möglich selbst sanieren. Das dauert, kostet aber nicht so viel. Holt-freter rechnet insgesamt mit etwa 150 000 Euro und einer Bauzeit von zirka fünf bis sechs Jahren.

Im inzwischen wieder überdachten Ladeschuppen, wo noch eine alte, verrostete Waage an den Güterverkehr erinnert und zu DDR-Zeiten auch Panzer verladen wurden, geht es gut voran. Die Wände werden gegenwärtig verputzt. Hier soll die Werkstatt für den leidenschaftlichen Motorradfahrer entstehen. Das Bahnhofsgebäude ist für die Wohnung vorgesehen. Noch blättert die Farbe von den Wänden, etliche Scheiben sind kaputt, Türen hängen neben den Angeln. Doch Chris Holtfreter sieht es vor sich: sein Zuhause.

Im ehemaligen ersten Wartesaal wird das Wohnzimmer sein: Kamin, Natursteinboden, Ledercouch. Das Schlafzimmer plant er in der ersten Etage, wo sich der zweiten Wartesaal befand. Draußen wird er eine alte Bahnhofsuhr und den Schriftzug „Bahnhof Hohenmölsen“ wieder anbringen. Die Bahnhofstoilette aus roten Ziegelsteinen, an denen noch die Aufschriften über den separaten Eingängen „Frauen“ und „Männer“ prangen hat der Bahnhofsbesitzer seiner Mutter geschenkt. Er lacht. „Sie macht sich daraus ganz sicher ein hübsches Hexenhaus.“

Chris Holtfreter, der nicht nur Bahnhofsbesitzer ist, sondern auch in der Gewerkschaft mitmischt und bei der Mibrag Jugend- und Ausbildungsvertreter ist, macht eine klare Ansage: „Meine Freundin Alina findet das anspruchsvolle Bahnhofsvorhaben auch toll. Wäre das nicht so, hätte ich mich für den Bahnhof entschieden.“

Mit Kumpel Pierre Körper (li.) verputzt er gegenwärtig den Ladeschuppen.
Mit Kumpel Pierre Körper (li.) verputzt er gegenwärtig den Ladeschuppen.
Peter Lisker Lizenz
Ein Hingucker ist die alte Waage, die weit über 100 Jahre auf dem Buckel hat.
Ein Hingucker ist die alte Waage, die weit über 100 Jahre auf dem Buckel hat.
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