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Straße der bemalten Häuser in Sangerhausen Straße der bemalten Häuser in Sangerhausen: Was steckt hinter der Fassadenkunst?

Von Lucas Wölbing 20.05.2016, 10:57
Maler Peter Scheuch setzt die letzten Pinselstriche - entstanden ist ein Blick über die Goldene Aue.
Maler Peter Scheuch setzt die letzten Pinselstriche - entstanden ist ein Blick über die Goldene Aue. Winterfeld

Sangerhausen - Lässig lehnt der Fotograf auf dem Ständer seiner Kamera, ein Exemplar noch vom Beginn des letzten Jahrhunderts. Mit schwarzem Frack, Fliege und angedeutetem Backenbart passt der Mann hervorragend ins Bild dieser Zeit, wie er da vorm Panorama des Sangerhäuser Restaurants „Zur Klemme“ steht. Klaus Winterfeld muss etwas schmunzeln, wenn er auf dieses Wandgemälde in seiner Hofeinfahrt blickt. „Ein Porträt von mir ist das aber nicht“, sagt der Fotograf, der auch für die MZ im Einsatz ist.

Bewohner suchen sich Motive aus

Nur einige Schritte weiter die Tackestraße hinunter, vor einem gelben Wohnhaus, kniet Maler Peter Scheuch auf einem Gerüst, Farbtupfer auf der Hose und den Pinsel in der Hand. Sein Kunstwerk ist so gut wie fertig: Ein Blick über die Goldene Aue mit Kyffhäuser und Fernsehturm im Hintergrund. Die Familie Werfel, die hier lebt, hat sich jetzt auch für ein Motiv aus ihrer Heimat entschieden, freut sich ihr Nachbar Klaus Winterfeld. Und vielleicht könne man ja bald von der Tackestraße als Straße der bemalten Häuser sprechen, sagt er. Es ist schon wieder ein paar Jahre her, seit Winterfeld selbst den Anfang gemacht hat und den Roßlebener Maler Hans-Joachim Tempel zu sich einlud. „Ich sammle ja alte Postkarten und Bilder von Sangerhausen“, erzählt Winterfeld von der Idee zum ersten Motiv. Der Fotograf an der Wand kam auf der ursprünglichen Schwarz-Weiß-Postkarte aber gar nicht vor. Der Künstler hat ihn eingefügt, weil er fand, das passe zum fotobegeisterten Auftraggeber.

Malvorlage über einhundert Jahre alt

Winterfelds Einfahrt ziert noch ein zweites historisches Wandbild: eine Kutsche, die gerade am Brunnen vor dem Sangerhäuser Rathaus vorbeifährt. An der Ecke des Rathauses prangt dort der Schriftzug „M. Loewe“. Es handelt sich dabei wohl um den Namen des jüdischen Kaufmanns Moritz Loewe, der in diesen Räumen ein Schuhgeschäft und einen Briefmarkenhandel betrieb. Die Vorlage wurde wahrscheinlich noch vor 1912 aufgenommen, damals war Loewes Laden bereits in die Göpenstraße umgezogen, wo er blieb, bis der Händler 1933 ins Exil ging.

Spuren hinterlassen

Geschichtsträchtige Motive finden sich in Winterfelds Fotosammlung noch so einige, doch mit Wandbildern ist bei ihm erst einmal Schluss: „Jetzt sind die anderen Nachbarn dran“, sagt er lächelnd. Auch am Haus von Friedel Bieling hat der Künstler Tempel nämlich schon seine Spuren hinterlassen: ein Porträt des Bewohners, der als Malermeister arbeitet.

Diente Bayern als Vorbild?

Und die Landschaft des Gonnaers Scheuch bei Familie Werfel macht die Straße der bemalten Häuser vorerst komplett. „Eigentlich ist es hierzulande ja gar nicht üblich, dass Leute Kunstwerke an ihre Fassade bringen“, glaubt Winterfeld. „Ich denke, das schauen sich viele beim Urlaub in Bayern ab, wo das Tradition hat.“ Wie er gehört hat, haben sich bereits andere Nachbarn Inspiration geholt: „Wir hoffen ja, dass unsere Bilder nicht die letzten in der Tackestraße bleiben.“ (mz)