1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. DDR-Oldtimer: DDR-Oldtimer: 82-jähriger Autobastler mit Ameise unterwegs

DDR-Oldtimer DDR-Oldtimer: 82-jähriger Autobastler mit Ameise unterwegs

Von Grit Pommer 01.03.2019, 12:51
Joachim Sander aus Riestedt mit seiner Ameise, Baujahr 1963. Das Fahrzeug hat er selbst wieder aufgebaut.
Joachim Sander aus Riestedt mit seiner Ameise, Baujahr 1963. Das Fahrzeug hat er selbst wieder aufgebaut. Maik Schumann

Riestedt - Joachim Sander und seine Ameise - in Riestedt ist das ein vertrautes Bild. Mit dem kultigen Nutzfahrzeug aus dem VEB Fahrzeugwerk Waltershausen ist der 82-Jährige immer mal im Ort unterwegs, um für Freunde und Bekannte etwas zu transportieren. Auch beim Karnevalsumzug des RKC war er wieder mit von der Partie und kutschierte die bunte Fuhre der Freien Grundschule.

Seine Ameise - das sind eigentlich zwei, erklärt der Schmiedemeister, dessen Herz schon seit frühester Jugend für die alte Technik schlug. Mit 16 war er auf einem Motorrad der Marke DKW unterwegs - Baujahr 1928. Dass ihm irgendwann mal eine echte Lastenameise gehören würde war eigentlich nur eine Frage der Zeit. „Entdeckt habe ich sie durch eine Anzeige in ’Such und Find’. In einem Ort bei Schleiz stand sie quasi auf dem Schrott“, erzählt Sander.

Mit Ersatzteilen wieder flottgemacht

Er fuhr hin, nahm das Gefährt in Augenschein - und holte es nach Riestedt. Mit Ersatzteilen aus einem zweiten Schrottgefährt hat er die Ameise dann wieder aufgebaut und zum Laufen gebracht.

Sander klappt die Tür auf, die ab dem Baujahr 1959 den Fahrer vor dem Herausstürzen sicherte. Dahinter kommt der typische Stellplatz zum Vorschein: Rechts der Hebel für die Kupplung und mit dem Drehschalter fürs Gas. Links der Hebel für die Hinterradbremse, der kleinere für die Feststellbremse und der Schalter, mit dem man den Blinker betätigt. Und unten das, was die Ameise so legendär macht: das kippende Fußbodenteil, mit dem man das Fahrzeug allein per Gewichtsverlagerung lenkt.

„Ich fahre sie sehr gern - aber leicht ist es nicht“, sagt Sander und warnt davor, die allererste Tour mit einer Ameise allzu leichtfertig anzugehen. Es erfordert Gefühl und ein bisschen Erfahrung, bis man den Bogen mit der Fußlenkung raus hat.

Unterwegs mit 6,5 PS

Seine Ameise hat er um ein paar technische Verbesserungen erweitert. „Ich fahre ja auch mal nach Hayn und bin zwei Stunden unterwegs“, erzählt er. Da kann einem das ständige Festhalten des Drehgas-Griffs schwer werden. Also baute Sander einen Feststell-Schalter ein. Wenn es auf längere Touren geht, beispielsweise an die Mosel oder in die Lüneburger Heide, dann lädt er seine Ameise aber auf den Anhänger und koppelt ihn an seinen Mercedes der B-Klasse. Denn so ganz ohne modernes Auto kommt auch Joachim Sander nicht aus.

Extra für Oldtimertreffen hat er ein Schild angefertigt, das sich im Handumdrehen auf den Führerstand seiner Ameise stecken lässt. Auf dem können Bewunderer dann alles lesen, was an technischen Daten interessant ist: Baujahr 1963, 600 Kubikzentimeter Hubraum, 6,5 PS.

Doch grau ist alle Theorie. So richtig nachempfinden kann man Sanders Begeisterung für die Ameise erst, wenn er sie anwirft. Ein paar Sekunden vorglühen, mehrmals den Zündhebel betätigen. Der Dieselmotor gibt einen trockenen Ruck von sich. Dann noch einen. Und noch einen. Dann werden die Abstände kürzer.

Und schließlich rattert er auf vollen Touren und klingt nicht nach Oldtimer, sondern nach Tatendrang. „Gestern habe ich für einen Nachbarn was in den Garten gefahren“, berichtet Sander. Kein Zweifel: Für ihn und seine Ameise gibt es noch viel zu tun. (mz)