Integration in Querfurt Querfurt: Wie Musik einem syrischen Flüchtling neuen Mut gibt

Merseburg - Die Finger Mohammad Allbwanis gleiten flugs über die Saite einer arabischen Laute, die von Kennern als Oud bezeichnet wird. Routiniert halten sie an der vorgesehenen Position. Dann, Stille.
Der 21-jährige Syrer wartet auf seinen Einsatz. Einmal wöchentlich ist er zu Gast in der Burgmusikschule. Seit vergangenem Jahr ist Mohammad Mitglied im Ensemble „Safar“. In dem arabischen Gruppennamen findet sich der junge Mann, der jetzt in Merseburg wohnt, sofort wieder.
Die Musik half Mohammad Allbwani aus Syrien bei der Integration
„Safar bedeutet Reise, nicht im Sinne von Urlaubsreise, sondern im negativen Sinn“, erzählt Musikkollege Christoph Gaertner. Gemeinsam dem Gitarrengelehrten hat Allbwani einen neuen Zugang zur Musik und zur deutschen Kultur gefunden.
Musik und das gemeinsame Musizieren halfen ihm zusätzlich bei der Integration, erzählt der junge Mann in gebrochenem, aber gut verständlichem Deutsch.
Und auch beim Verarbeiten der schrecklichen Erlebnisse auf seiner 30 Tage währende „Reise“ von Syrien nach Deutschland. Sein Blick richtet sich dankbar auf Gaertner. Ohne den Ensembleleiter, der inzwischen zu einem guten Freund der Familie geworden ist, ohne die Stunden und das Musizieren, hätte er sich nicht so gut in die Gesellschaft integrieren können, wie es ihm nun gelungen ist.
Schon in Syrien spielte Mohammad Allbwani die arabische Laute
2015 betrat Allbwani erstmals deutschen Boden. Die Heimat hatte er aus Angst um das eigene Leben verlassen. Nun kam er in ein Land mit fremden Sitten und fremder Sprache. Eines ist aber auch nach der Flucht geblieben: Die Leidenschaft für’s Spielen der arabischen Laute, dem Hobby, dem er in seiner Heimat bereits seit sieben Jahren nachgegangen war.
Lehrkräfte, die ihm die deutsche Sprache vermitteln, machten ihn auf das Ensemble aufmerksam. „Das war ein Glück für mich“, meint Allbwani.
Immerhin ist das Angebot zum Musizieren auch die Möglichkeit, sich ein soziales Umfeld aufzubauen. Medizinstudent Mohammad nutzte seine Chance. Anfängliche Stolpersteine durch Sprachbarrieren wurden zunächst mittels Handzeichen oder auf Englisch bewältigt.
Inzwischen hat Mohammad Allbwani sich eingegliedert und spricht auf auch Deutsch mit seinen Bandkollegen
Intensiverer verbaler Austausch folgte - inzwischen auf Deutsch. Nun, Monate später, war Gaertner schon des Öfteren bei Mohammads Familie zu Gast. „Sie begegnen mir mit großer Herzlich- und Dankbarkeit“, erinnert sich der Ensembleleiter gern an die Treffen zurück.
Der Blick zu den Wurzeln seines Bandmitglieds sei auch eine musisch-kulturelle Bereicherung, ergänzt Gaertner und hebt die noch feiner gearbeiteten Melodien mit ihren Vierteltönen hervor, die nur mit arabischen Instrumenten spielbar seien.
Der Förderverein der Musikschule Querfurt stattete Mohammad zu diesem Zweck durch Vereinsgelder mit einer Oud im Wert von rund 200 Euro aus. Instrumentenmangel solle Integration nicht im Wege stehen, so Burgmusikschulleiter Josef Simeth.
Schlimmster Augenblick der Reise von Mohammad Allbwani: Eine Fahrt ohne Luft in einem völlig überfüllten Wagen
Rund zwei Wochen dauerte es, bis Mohammad im Ensemble den ersten Titel spielen konnte: „Safar“, in dem das Reisen als etwas Kämpferisches, Gefährliches begriffen wird.
Ertönt die Melodie des Liedes kommen in Mohammad die Erinnerungen an seine Reise auf. Daran, dass hilfesuchende Menschen wie er von Schleppern „wie Ware“ behandelt worden sind.
Mit gesenktem Blick spricht er auch über das schlimmste Erlebnis seiner „Reise“: Eine Fahrt in einem kleinen Wagen. Überfüllt mit etwa 50 Menschen, erinnert sich Allbwani.
Es habe kaum Luft, nur schlechte Luft gegeben und der Wagen sei mit mehr als Tempo 100 über unebene Wege gefahren, sagt er. „Es war vielleicht nur eine halbe Stunde, aber es kam mir vor wie ein Jahr“, meint der junge Mann, dessen Mutter und Bruder ebenfalls in Deutschland sind. Der Vater jedoch sei noch nicht angekommen, sei noch im Libanon.
Mohammad Allbwani will auch sein Medizinstudium fortsetzen
Ein Stück weit Lebensfreude hat Mohammad in der Ensemblearbeit wiedergefunden. Der freundschaftliche Kontakt zu den beiden anderen Akteuren – Fagottist Richard Hoppe und dem geflüchteten Ahmad Al Dalati als Sänger – intensivierte sich.
Musik mit Geflüchteten und Einheimischen – damit wollen die „Safar“-Mitglieder arabische und deutsche Tradition vereinigen und bei Auftritten oder sich ergebenen Gesprächen Vorurteile nehmen.
Eine Wunschvorstellung, wie es für den jungen Syrer weitergehen solle, hat er auch schon. Sein Medizinstudium, von dem er zwei Semester in seinem Heimatland absolviert hat, möchte er voraussichtlich 2018 in Deutschland fortsetzen. Die nötige Aufenthaltsgenehmigung hat er bereits. (mz)