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Astronomie Wissenschaftliche Bildung: Seit 60 Jahren gibt es das Fach Astronomie an allen Schule in Sachsen-Anhalt

Von Wilfried Lassak 22.07.2019, 10:23
Sophie Printky war eine der Schülerinnen, die mit dem „Telementor“-Schulfernrohr arbeiteten.
Sophie Printky war eine der Schülerinnen, die mit dem „Telementor“-Schulfernrohr arbeiteten. Wilfried Lassak

Quedlinburg - Die Astronomie ist die älteste Wissenschaft. Ihr Ursprung liegt im Dunkel der Vorgeschichte der Menschheit. Sie entwickelte sich mit den praktischen Bedürfnissen der Gesellschaft. Zwei Beispiele sind typisch dafür: der Kalender und die Orientierung in der Seefahrt. Der große Zugang für die Allgemeinheit war aber erst im 20. Jahrhundert gegeben.

Im Jahre 1959 hatte die DDR in ihrem Schulsystem das Fach Astronomie für alle Schüler der Klassenstufe 10 mit einer Wochenstunde eingeführt. Sicherlich kam diese Erweiterung des naturwissenschaftlichen Unterrichts nicht von ungefähr:

Der sowjetische Satellit „Sputnik“ könnte ein Grund für die Einführung des neuen Schulfaches gewesen sein

Die Sowjetunion hatte kurz zuvor den ersten künstlichen Satelliten „Sputnik“ ins All geschickt. Als den USA die bemannte Landung auf dem Mond gelang, führte man 1972 in der alten Bundesrepublik ebenfalls Astronomie, aber nur in den Klassenstufen 12 und 13 des Gymnasiums, als Wahlfach ein.

Abgesehen von einigen ideologischen Hintergründen erwies sich die Einführung des regulären Astronomieunterrichts in der DDR als bildungspolitischer Glücksfall.

Denn bereits im 19. Jahrhundert hatten Vertreter der bürgerlichen Pädagogik wie Diesterweg („Des Menschen Antlitz ist nicht zur Erde, sondern aufwärts gerichtet. … Die Wissenschaft, die sich mit dem Himmel beschäftigt, ist die erhabendste im Raume.“) gefordert, die Astronomie als ordentliches Schulfach einzuführen.

Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie sowie Kunst, Musik und Religion fließen in die Astronomie ein

Es bedurfte aber erst der besonderen weltpolitischen Situation, um diese Forderung umzusetzen. Wo es heutzutage in den Schulen nicht nur um Wissensvermittlung, sondern um Kompetenzerwerb, fächerübergreifendes Lernen und Verstehen von Zusammenhängen geht, erweist sich das Fach Astronomie als denkbar günstiges Hilfsmittel bei der Umsetzung dieser Ansprüche. Die Mathematik, alle Naturwissenschaften, die Philosophie sowie Kunst, Musik und Religion fließen in die Astronomie ein.

Diese Zusammenhänge können aber nur in einem eigenständigen Unterrichtsfach und von dafür ausgebildeten Lehrkräften vermittelt werden. Gerade für die junge Generation ist der große Anteil an Begriffen und Theorien wie „Urknall“, „Schwarzes Loch“, „Antimaterie“, „außerirdisches Leben“ oder „Ufos“ durch Science-Fiction-Themen zu einer Art Anreiz geworden.

Astronomie ist obligatorisches Schulfach in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern

In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Astronomie, man möchte fast sagen: „dem Himmel sei Dank“, ein obligatorisches Schulfach geblieben. In den übrigen Bundesländern wird durch die Kulturhoheit dieses Fach, wenn überhaupt, in Projekten, Einlagerungen in das Fach Physik oder als Wahlfach angeboten.

Zur Orientierung am Sternhimmel diente im Unterricht als erstes Hilfsmittel nur die sehr gute und einfach zu handhabende drehbare Schülersternkarte vom Verlag für Lehrmittel Pössneck.

Die wissenschaftliche Bearbeitung und Gebrauchsanweisung erfolgte durch Arnold Zenkert, den Verfasser des Standardwerkes über Sonnenuhren und Gründer des Urania-Planetariums Potsdam. Mit der drehbaren Deckscheibe aus Zelluloid ist das Aufsuchen von Sternen und Sternbildern zu bestimmten Zeiten ein Kinderspiel.

In der Astronomie ist ausschließlich die Beobachtung das Mittel zur Erkenntnisgewinnung. Das Licht ist dabei der wichtigste Informationsträger. Es war also eine ganz normale Sache, dass man sich in den ersten Jahren mit dem Selbstbau von kleinen Fernrohren behalf. Außerdem wurden von verschiedenen Firmen Fernrohrbausätze angeboten.

Im Lehrplan werden Beobachtungen und einfache Messungen mit den Schülern verlangt

Das war aber alles nicht optimal, denn „Der neue Lehrplan für das Fach Astronomie“ forderte: „Die Schüler sind zu befähigen, wichtige Erscheinungen am Himmel zu beobachten und sie mithilfe von Naturgesetzen erklären zu können.

Der neue Lehrplan sieht deshalb die Durchführung von obligatorischen Beobachtungen sowie einfache Messungen mit Schülern vor. Es wird hauptsächlich auf solche Objekte orientiert, an denen Beobachtungen nach klar formulierten Aufgaben durchgeführt und unterrichtliche Erkenntnisse vertieft oder überprüft werden können.“

Nach der Aufgabenstellung des Instituts für Lehrmittel sollte jede polytechnische Oberschule der DDR mindestens mit einem Schulfernrohr ausgestattet sein. Bei der Konzeption des Fernrohrs wurde vor allem eine robuste Ausführung verlangt, die den Anforderungen der Dauernutzung durch die Schüler gerecht wird.

Das Schulfernrohr Telementor 63/840 war einfach und solide

Diese Aufgabe wurde Ende der 60er Jahre dem VEB Carl Zeiss Jena zugewiesen. Der Hauptanreiz für die Leitung der Erzeugnisgruppe Astronomische Geräte bestand darin, eine Schulfernrohr-Generation für Großserien zu entwickeln, mit geplanter Rationalisierung der Fertigung.

Erfahrene Konstrukteure und Technologen, die sonst an großen Teleskop-Projekten tätig waren, schufen ein Schulfernrohr mit hohem Gebrauchswert, das so einfach wie möglich aufgebaut und bedient werden konnte: der Telementor 63/840 war geboren.

Das Gerät ist ein einfaches, solides und mit einem hochwertigen Astroobjektiv ausgestattetes Linsenfernrohr. Ein mitgelieferter Sonnenprojektionsschirm gestattet zudem die gefahrlose Betrachtung der Sonnenscheibe. 

Der Telementor und seine Weiterentwicklung, der Telemator, sind inzwischen zu einer Legende unter den Amateurastronomen geworden. Es dauerte etwa zwei Jahre, bis alle Polytechnischen Oberschulen mit dem Schulfernrohr ausgestattet waren. Größere Schulen erhielten sogar mehrere Fernrohre. Nun konnten die in der Astronomie unerlässlichen Beobachtungen mit geringem Aufwand zur großen Freude der Schüler erfolgen.

Vor einigen Jahren besuchten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Astronomie und Raumfahrt“ Quedlinburg den in Jena lebenden „Industrie-Astronomen“ Hans G. Beck, der maßgeblich an der Entwicklung des Schulfernrohrs beteiligt war.

Viele Schulen in Sachsen-Anhalt besitzen noch heute die Teleskope vom VEB Carl Zeiss Jena

Er berichtete über die Aufgabenstellung durch das Ministerium für Volksbildung, verschiedene Probleme bei der Realisierung und die Endabnahme in Jena durch die staatliche Fachkommission.

Sehr viele Schulen unseres Landes besitzen auch heute noch beide Teleskope und nutzen diese für vielseitige Beobachtungen. Der ältesten und zugleich auch lebendigsten Wissenschaft der Menschheit sollte man in ganz Deutschland das Recht einräumen, ein Schuljahr lang zum Fächerkanon aller Schulen zu gehören.

Zumal sich die Beobachtungsmöglichkeiten und der Einsatz von Unterrichtsmitteln revolutioniert haben. Alles andere ist Aktionismus, der dem eigentlichen Anliegen eines ausgereiften Astronomieunterrichtes nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Ein systematischer und praxisorientierter Astronomieunterricht, so wie in Sachsen-Anhalt, übt auf die Mehrzahl der Schüler einen besonderen Reiz aus.

Viele Astronomen glauben, dass wir „nicht allein“ sind. Mit empfindlichen Radioteleskopen „horchen“ sie seit langem auf jegliche Form reproduzierbarer Signale aus dem All, die vielleicht beabsichtigt von Planeten ferner Sonnen gesendet worden sein könnten.

Die Suche nach außerirdischem Leben ist einer der Aspekte, der zu spannenden Diskussionen führen kann, die weit über die gesteckten Ziele des Lehrplanwerkes hinausgehen. (mz)