Serie: 1.000 Jahre Naumburg - 1.000 Bürger „Sehe mich als Lokalpatriot“ - Steckbrief von Harry Emse
2028 wird Naumburg 1.000 Jahre alt. Tageblatt/MZ hat ein ehrgeiziges Ziel: 1.000 Bürger per Steckbrief vorzustellen. Wir starten mit einem Handwerksmeister: Harry Emse

Naumburg - Die Domstadt an Saale und Unstrut wird 1.000 Jahre alt - und für so ein bedeutendes Jubiläum kann man sich auch mal ein riesiges Ziel setzen. Das von Tageblatt/MZ heißt: 1.000 Bürger unserer Stadt zu Wort kommen zu lassen, und zwar mittels Fragebogen. Jung, alt, einfacher Angestellter, Firmenchef, Arbeitsloser - bunt gemischt. Hauptsache lebendig! Wobei, Letzteres mit Ausnahmen: Der Leiter des Domstiftsarchivs, Matthias Ludwig, wird hin und wieder den Steckbrief für verstorbene Persönlichkeiten, die mit Naumburg zu tun hatten, ausfüllen, Nietzsche etwa, Ekkehard oder vielleicht von Amsdorf. Zum heutigen Auftakt haben wir uns einen Handwerksmeister ausgesucht.
Name, Alter, Tätigkeit:
Harry Emse, 70 Jahre alt. Zunächst gelernter Elektriker bei der Firma Freund in Freyburg, dann als Industriemeister in der Schuhfabrik in Naumburg und im Fernstudium zum Maschinenbauingenieur. 1987 noch mal Tischlerlehre bei der Firma Ulrich in Naumburg mit anschließender Meisterschaft und Übernahme des Familienbetriebes Tischlerei und Möbelhaus Albrecht
Ich lebe in Naumburg seit:
1972. Ich bin auch hier geboren. Aufgewachsen bin ich aber in Freyburg.
Meine schönste Kindheitserinnerung:
Als Freyburger natürlich das Winzerfest mit dem Rummel auf dem Schützenplatz und dem Trubel in den Gassen, wo noch die Hähnchen in der Pfanne gebrutzelt wurden. Nach Naumburg ging es hin und wieder, um Verwandte zu besuchen, manchmal sogar im Postauto, mit dem man ganz regulär mitfahren konnte.
Das macht mich glücklich:
Zufriedene Kunden, denen ich ihre Wünsche erfüllen konnte. Natürlich die Gesundheit meiner Partnerin und meiner beiden Söhne Christian und Gerhard (45/35). Aber auch das Motorradfahren, wenn auch nicht mehr mit einer großen 1300er Yamaha wie früher. Da war ich immer schneller als die Kumpels mit ihren Harleys.
An meinem Beruf mag ich/mag ich nicht:
Ich bin für mein Leben gerne Handwerker und zwar ganz generell. Nur Maurer wäre nicht so meins. Was mir nicht so lag, war das Kreative. Ich habe lieber die Wünsche der Kunden umgesetzt, als eigene Ideen zu entwickeln.
An einem schönen, sonnigen Tag in Naumburg...
verbringe ich am liebsten Zeit auf unserem Wochenendgrundstück nahe der „Rennstrecke“ nach Obermöllern. Da gibt es immer etwas zu tun. Oder ich treffe mich mit unserem Stammtisch, gerne im „Alten Krug“ oder in der „Neuen Welt“.
An einem regnerischen Tag ...
bleibe ich meistens zu Hause. Ein klassisches Hobby habe ich dabei eigentlich nicht. Ich bin einfach ein Handwerker durch und durch und dann meist in meiner Werkstatt, vielleicht um etwas zu restaurieren.
Ich bewundere weltweit/in meinem persönlichen Umfeld:
Hier in Naumburg würde ich da Holger Kunde von den Domstiftern nennen, mit dem ich immer wunderbar bei vielen Projekten zusammengearbeitet habe. Dann noch Curt Becker, der aus Naumburg etwas gemacht hat - mit einer Ausnahme: die Verbannung der Straßenbahn aus der Innenstadt. Das war ein Fehler. Und weltweit? Vielleicht Bill Gates. Ein heller Kopf, der viel Geld gemacht, aber sein Familienleben privat gehalten hat.
In meinem Leben bereue ich:
Gar nichts. Ich würde alles wieder so machen.
Mein Lieblingsgeschäft in Naumburg war/ist:
Für Shoppen ist eigentlich nur im Urlaub mal Zeit. Wenn, dann Mode Hempel. Ansonsten: Bei der Fleischerei Rühlemann bin ich Stammkunde, seit ich früher in der Heinestraße gewohnt habe.
Das war früher hier besser und das schlechter:
Die Straßenbahn habe ich schon genannt. Überhaupt muss ich sagen, dass ich gerne in der DDR gelebt habe. Es gab eine höhere Planungssicherheit, und man musste beispielsweise nicht jedes Jahr gucken, ob es eine günstigere Kfz-Versicherung gibt. Klar, wäre man gerne mal in den Westen gefahren, aber ich wäre auch wiedergekommen. Ich sehe mich schon auch als Lokalpatriot.
Einem Fremden würde ich in meiner Stadt als Erstes zeigen:
Den Dom, auch weil ich da viele Dinge als Tischler bauen und restaurieren durfte, die mich überdauern werden.
Bekäme Naumburg zehn Millionen Euro geschenkt, sollte man damit...
anfangen, die Reichskrone auf Vordermann zu bringen, auch wenn zehn Millionen nicht reichen. Der verstorbene Restaurator Ulrich Böduel, mit dem ich gerne zusammengearbeitet habe, hat mir mal gesagt, es bräuchte 40.
Als einen der Nächsten sollte diesen Steckbrief ausfüllen:
Friedhelm Wittchen, Ex-Restaurator im Naumburg Dom