1.000-Jahrfeier wirft Schatten voraus Bier aus dem Springbrunnen - Wie Leser sich an das große Fest 1978 in Naumburg erinnern
Tausendjähriges der Stadt steht in fünf Jahren an doch Tageblatt/MZ schaut mit Hilfe seiner Leser zunächst auf die 950-Jahr-Feier Naumburgs zurück.

Naumburg - Würde heute jemand auf die Idee kommen, Bier aus einem Springbrunnen auszuschenken und öffentlich zu verkaufen, das zuständige Hygieneamt würde wohl im Dreieck springen. Im Juni 1978 aber interessierte das keinen. Da sprudelte der Gerstensaft, gezapft von Klaus Köhler und Manfred Linke, wie die „Kreiszeitung“ damals verriet, aus dem Brunnen am Lindenring. Die Peter-Pauls-Messe war in vollem Gange, zog Scharen von Menschen an und war einer der Höhepunkte der Naumburger 950-Jahr-Feier, die parallel zum Kirschfest stattfand.
Auf der Schwalbe zur Peter- und Paulsmesse
Heute, fünf Jahre vor dem Tausendjährigen, gucken wir auf damals zurück, auch mit Hilfe unserer Leser, die wir aufgerufen hatten. An jenem Tag des sprudelnden Bier-Brunnens war auch die Taugwitzerin Birgit Kunze auf dem Lindenring. Sie erinnert sich: „Mit meiner Freundin fuhren wir mit unseren Schwalben zur Peter- und Paulsmesse. Da wurde richtig was aufgefahren. Es gab mal besondere Angebote mit vielen Handwerkern. Als sich der Hunger meldete, stellten wir uns bei der Fleischerei Priese (Geschäft in der Michaelisstraße) beim Ochsen am Spieß (eine Schwerstarbeit für die Fleischer) eine Stunde lang an. Nachdem wir endlich bedient wurden, schmeckte uns leider nicht das Erstandene. Das Fleisch war zerrig und blutig und landete im Papierkorb.“

Nun ja, immerhin wurde Frau Kunze später versöhnt, als sie Nina Hagen vor deren Auftritt „auf der Balustrade des historischen Gebäudes an der Vogelwiese sitzen“ sah, wo jene „die Beine baumeln ließ“.
An einen anderen Auftritt zum damaligen 950-Jährigen erinnert sich Kerstin Wendling: „Ich war zehn Jahre jung und wohnte mit meiner Familie in der Neustraße. Mit meiner Mutti habe ich das Konzert von Wolfgang Lippert auf dem Marktplatz besucht. Eine schöne Erinnerung. Wann geht man schon mit seiner Mutti gemeinsam zum Konzert? Als Sahnehäubchen gab es ein Autogramm vom Künstler.“ „City“ und der Hit „Am Fenster“ ist hingegen Gabriele Luckmann aus der Weichau in Erinnerung geblieben. Vor dem Lokal „Drushba“, dem heutigen Amtsgericht, habe sie den Auftritt verfolgt. Veronika („Vroni“) Fischer begeisterte mit ihren Hits das Publikum hingegen im „Haus des Volkes“.
Hinweise zu einem historischen Foto
Gabriele Luckmann ist auch eine der Tageblatt/MZ-Leserinnen, die uns Tipps gaben, wer auf dem Titelbild der damaligen „Kreiszeitung“ (siehe rechts) zu sehen ist. Mit den in FDJ-Hemden gekleideten Bettina Schulbach (heute Steinhauer) und Frank Theml (leider bereits verstorben) ging sie zehn Jahre zusammen in die Grotewohlschule (die heutige „Humboldt-Sekundarschule“). Als Reglindis fungierte damals Ina Endt, und Harry Emse gab den Markgrafen Hermann. Für ihn war es eine einmalige Angelegenheit. „Ich weiß noch, dass im Vorfeld des Festumzuges, der ja am Sonntag stattfand und wegen des Jubiläums deutlich größer ausfiel, in den Betrieben gefragt wurde, wer mitlaufen würde.“ Emse erklärte sich bereit und ging zum Sammelpunkt ins Puppentheater, wo die historischen Rollen verteilt wurden und er zum Hermann gemacht wurde. Außer bei diesem Umzug schlüpfte er nicht wieder in das Kostüm. Dass die Stadt Naumburg dem 70-Jährigen aber sehr am Herzen liegt, kann man auch in der neuen Tageblatt/MZ-Serie „1.000 Jahre – 1.000 Köpfe“ nachlesen.
Mit beim Umzug dabei war auch Dieter Müller, der aus seinem Dia-Archiv auch die obige Aufnahme aus der Salzstraße beisteuerte. Den Beginn des Umzugs hatte er noch am Salztor mitverfolgt, „aber es gab ein fürchterliches Gewitter, das für eine längere Verzögerung gesorgt hat“, weiß Müller noch. Es sind, wie bei allen, mit denen Tageblatt/MZ gesprochen hat, nach der langen Zeit nur noch kleine Erinnerungsfetzen. Auch Eberhard Kaufmann, einer der profundesten Kenner der Naumburger Stadtgeschichte, ist die 950-Jahr-Feier nur noch wenig präsent. Er drehte damals mit anderen Amateurfilmern für den „Filmspiegel“ einen umfangreichen Streifen vom Fest, der aber nie gezeigt wurde, da er „der Partei“ missfiel. „Er war denen zu wenig sozialistisch“, sagt Kaufmann.

Was die Festlichkeiten überlebte, sind Souvenirs, etwa ein rot-goldener Anstecker oder der damals für „zehn Groschen“ ausgegebene „Zollschein“, den Steffen Behnke noch in seinem Fundus hat. Und natürlich die „Kreiszeitung“, aus der man so manches über das letzte Juni-Wochenende 1978 erfährt: etwa, dass Thomas Otto und Renate Stenke aus Naumburg sowie Bernd Friedrich aus Memleben Schützenkönige wurden, dass die Thomaner aus Leipzig im Dom auftraten oder, dass Erick Hockecker nicht selbst zugegen war, aber immerhin eine Grußadresse ausrichten ließ.
Besondere Sportwettkämpfe
Man erfährt zudem, dass Frank Lehmann vom „VEB Metallwaren“ beim „Ball der Neuerer“ ausgezeichnet und ein Anbau der „Poliklinik“ übergeben wurde und, dass besondere Sportwettkämpfe stattfanden, bei denen der Gleisbaubetrieb im Volleyball gewann, die DDR-Spitzenspieler Brauer und Kretschmar auf der Tennisanlage zu Gast waren und Dukla Tabor im Freundschaftsspiel die Fußballer der BSG Wi-We-Na mit 3:1 schlug. Und was da ebenfalls steht: Naumburg hatte schon damals eine französische Partnerstadt - aber nicht Les Ulis (wie seit 2019), sondern Hellemes-Lille.
Ach so - und damit ein Blick nach vorn: Wenn der Bauhof, das Hygieneamt und regionale Bierbrauer sich vielleicht mal anschauen könnten, ob man den Brunnen am Lindenring bis 2028 vielleicht... na, Sie wissen schon.