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Linie 5 fährt bald seltener Merseburg: Linie 5 fährt abends bald nicht mehr

Von Dirk Skrzypczak 11.04.2016, 09:19
Für Schüler interessant: Selina und Janin nutzen die Straßenbahn, um Freunde in anderen Städten zu besuchen.
Für Schüler interessant: Selina und Janin nutzen die Straßenbahn, um Freunde in anderen Städten zu besuchen. Peter Wölk

Merseburg - Selina und Janin, die beiden Mädchen aus Merseburg, schieben ihre Fahrräder in Bad Dürrenberg in die Straßenbahn. Es ist nach 19.30 Uhr. „Wir haben Freunde besucht. Und dank der Bahn geht das auch noch abends“, sagen sie. Doch damit soll es ab Mai vorbei sein. Der Bahnbetreiber Havag aus Halle will den Fahrplan kürzen, pro Woche 76 von derzeit 414 Fahrten auf der Linie 5 zwischen Ammendorf und Bad Dürrenberg streichen.

Künftig schon ab 19.30 Uhr keine Bahnen mehr

Das geht vor allem auf Kosten des Nahverkehrs in den Abendstunden. Derzeit ist werktags und sonntags 22 Uhr Schluss, am Sonnabend sogar erst 23 Uhr. Künftig sollen montags bis freitags schon ab 19.30 Uhr keine Straßenbahnen mehr über das Land fahren, am Wochenende würde sich ab 18.30 Uhr kein Rad mehr auf den Schienen drehen. Die Havag begründet ihren Vorstoß mit dem finanziellen Defizit und fordert vom Landkreis 2,2 statt wie bisher 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Da der Kreis das Geld aber nicht hat, soll der Rotstift angesetzt werden.

„Im Sommer könnte ich ja das Rad nehmen. Aber im Winter?“

Die MZ hat es getestet: Leidtragende wären Pendler, Einwohner und Touristen, die mit der Tram auch später am Abend unterwegs sind. So wie Alexander Grave. Der junge Mann stammt aus Bielefeld, ist in Bad Dürrenberg zu Gast und will ins Klinikum nach Merseburg - einen kranken Freund besuchen. „Bis 22 Uhr sollten die Bahnen schon fahren. Sonst wäre es ja ein Witz.“ Grave hat es gut, in einer Großstadt wie Bielefeld verkehren Bahnen im Zehn-Minuten-Takt. „So etwas ist im ländlichen Gebiet nicht nötig, aber ein vernünftiger Fahrplan schon.“ Klaus-Peter Bernd flitzt vorbei. Er arbeitet als Glas- und Gebäudereiniger, wohnt in Leuna. Die Schicht ist rum, er will heim. „Ich habe es schon gehört, was die Havag plant. Im Sommer könnte ich ja das Rad nehmen. Aber im Winter? Mal sehen.“

Es ist Abends auch mal weniger los

Sieben Fahrgäste sitzen jetzt in den Abteilen. „Es gibt natürlich Tage, da ist abends weniger los. Aber am Freitag und am Samstag fahren viele Menschen mit der Straßenbahn, weil sie zur Disco oder ins Theater wollen“, erzählt der „Lokführer“. Er sei gern auf der Linie 5 abseits von Halle unterwegs, „weil es hier nicht so hektisch ist“. Und was sagt eigentlich das Havag-Personal zum geplanten Streichkonzert? Der Mann, der seinen Namen lieber nicht nennt, weil er keinen Ärger im Betrieb will, muss nicht überlegen: „Wir wollen das nicht. Na ja, vielleicht einigen sich die da oben ja noch.“

Die Fahrgäste brauchen Verlässlichkeit

In Merseburg sitzt Monika Thieme in einem Wartehäuschen in der Hölle. Sie hatte Spätschicht bei Höffner in Günthersdorf, der Bus hat sie nach Merseburg gebracht. „Ich wohne am Stadtpark. Natürlich könnte ich die Strecke auch laufen. Aber so ist es doch viel angenehmer.“ Auf die Straßenbahn will sie nicht verzichten. „Der Fahrplan ist gut. Wer die Straßenbahn nutzen will, der weiß, wann und wie sie fährt. Wir haben uns daran gewöhnt. Und wir brauchen diese Verlässlichkeit.“ Am Morgen etwas später anzufangen und abends früher aufzuhören, lehnt sie ab. „Wenn die Bahn nicht mehr attraktiv ist, dann werden sich die Leute andere Verkehrsmittel suchen. Und dann bekommt die Havag richtig große Probleme.“

Die Tram rollt heran, der Fahrer grüßt. Die Wagen sind gut gefüllt. Auch viele Migranten sitzen in den Abteilen. Die Linie 5 verbindet Menschen. Auch abends. (mz)

Auch Gäste im Saalekreis wie Alexander Grave aus Bielefeld setzen abends auf das Fahrplanangebot der Havag.
Auch Gäste im Saalekreis wie Alexander Grave aus Bielefeld setzen abends auf das Fahrplanangebot der Havag.
Peter Wölk
Mit einer Streckenlänge von rund 30 Kilometern gehört die Linie 5 zwischen Halle und Bad Dürrenberg zu den längsten Überlandlinien Europas.
Mit einer Streckenlänge von rund 30 Kilometern gehört die Linie 5 zwischen Halle und Bad Dürrenberg zu den längsten Überlandlinien Europas.
Peter Wölk
Die kleine Selina lächelt, ihre Mutter Melanie Jahns nicht. Die junge Familie pendelt regelmäßig zwischen Leuna und Merseburg, auch abends. „Wenn wir diese Möglichkeit bald nicht mehr hätten, wäre das nicht gut. Die Tickets im Nahverkehr werden immer teurer. Da muss der Gegenwert stimmen“, sagt die junge Frau.
Die kleine Selina lächelt, ihre Mutter Melanie Jahns nicht. Die junge Familie pendelt regelmäßig zwischen Leuna und Merseburg, auch abends. „Wenn wir diese Möglichkeit bald nicht mehr hätten, wäre das nicht gut. Die Tickets im Nahverkehr werden immer teurer. Da muss der Gegenwert stimmen“, sagt die junge Frau.
Peter Wölk