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Hohe Abbrecherquoten in der Lehre Hohe Abbrecherquoten in der Lehre: Viele wählen den falschen Job

Von Robert briest 07.04.2018, 09:00
Den Schritt bis zum menschlichen Haupt schaffen viele Friseur-Azubis gar nicht. Oft ist bereits in den ersten Ausbildungsmonaten Schluss.
Den Schritt bis zum menschlichen Haupt schaffen viele Friseur-Azubis gar nicht. Oft ist bereits in den ersten Ausbildungsmonaten Schluss. dpa

Merseburg - Das Problem der Ausbildungsabbrecher kennt Eike Ebert. „Von den letzten vier Lehrlingen, die wir reinbekommen haben, haben zwei abgebrochen“, sagt der Geschäftsführer der Hairstyling GmbH, die in Halle, Leipzig und Merseburg neun Salons betreibt. Die Aussage passt zu einer Meldung, die Mitte der Woche aufschreckte.

Laut Entwurf des Berufsausbildungsberichts brechen 25,8 Prozent der Azubis ihre Lehre ab - der höchste Wert seit langem. In einigen Berufen, etwa bei Köchen und Friseuren, seien es gut die Hälfte. Dazu passen auch Zahlen der Kreishandwerkerschaft Halle-Saalekreis, die für die Friseurausbildungsjahrgänge 2014 und 2015 Abbrecherquoten von 27 respektive 30 Prozent verbucht hat.

Trotzdem gibt es Zweifel an den hohen Abbrecherzahlen

Doch den Zahlen des Bundesberichts gegenüber gibt es in der Region Halle und Saalekreis auch eine gewisse Skepsis. Und die fängt bereits bei Eike Ebert an, der sein Eingangszitat ergänzt: „In den Jahren davor hatten wir eigentlich keine Abbrüche.“

Auch die Handwerkskammer Halle, die wie die Arbeitsagentur keine konkreten Abbrecherquoten für die Region hat, äußert Zweifel, dass die Zahlen so stimmen: Wenn jemand den Betrieb wechsele, tauche er trotzdem als Abbrecher auf. Andere Kritiker monieren zudem, dass die Statistik auch durch Azubis verfälscht werde, die erstmal mehrere Arbeitsverträge unterschreiben und dann logischerweise nur eine Stelle antreten.

„Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Abbrecherquote so hoch sein soll.“

Vielleicht erklärt sich so auch die Überraschung, die Carsten Coppi, Leiter der Berufsbildenden Schulen des Saalekreises, angesichts der Abbrechermeldung empfunden hatte: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Abbrecherquote so hoch sein soll. Das würde heißen, dass bei uns fünf bis sechs Schüler pro Klasse verloren gingen.“

Das sei nicht der Fall, erklärt Coppi und gibt ein Beispiel: Von 75 Chemikanten habe nur einer abgebrochen. Allerdings weist der Berufsbildungsbericht auf große Branchenunterschiede hin. Die berufsbildenden Schulen haben viele technische, Wirtschafts- und Verwaltungsausbildungsrichtungen - mithin also gut bezahlte Berufe. Anders sieht es bei Köchen aus, wie Ausbilder Bernd Lücke beschreibt: Von 21, 22 Jugendlichen, die bei ihm im ersten Lehrjahr anfingen, seien am Ende vielleicht noch acht, neun dabei. Viele würden bereits in der Probezeit abbrechen.

Drei Gründe für hohe Abbrecherquote

Für diese Phänomen sieht er drei Gründe. Geringe Bezahlung ist nur einer davon. Ein anderer sind falsche Berufsvorstellungen – ein Problem, dass alle Gesprächspartner branchenunabhängig als Hauptgrund für Abbrüche hervorheben. Lücke führt die im Fall der Köche auf fehlende Praktika und eine falsche mediale Darstellung in Kochshows zurück: „Viele denken, sie müssen eine Woche lernen, dann sind sie Profis und kommen ins Fernsehen.“

Dabei sei Koch ein harter Beruf. Deshalb fordern fast alle Befragten eine bessere Berufsorientierung in Schulen und durch Praktika als wirksame Prävention gegen Abbrüche.

Etwa die Hälfte der Abbrecher nicht für den Job geeignet

Und dann gibt es noch Lückes dritten Grund. Auch der deckt sich mit Berichten aus anderen Branchen. Viele Ausbildungsverhältnisse würden in der Probezeit nicht durch den Lehrling, sondern durch den Betrieb gelöst. Etwa die Hälfte der Abbrecher sei für den Job nicht geeignet.

Die Ursache dafür ist wiederum das gegenwärtige Grundproblem des Handwerks: Es fehlt durch eine höhere Studierneigung und die geringere Zahl von Schulabgängern in vielen Branchen – gerade in denen mit geringer Ausbildungsentlohnung oder unfreundlichen Arbeitszeiten – an Bewerbern.

Die Folge bringt Michael Röder, im Merseburger Sky-Hotel für die Gastronomie zuständig, auf den Punkt: „Deswegen stellen die Betriebe fast alles ein – auch Bewerber, die sie früher abgelehnt hätten.“ Deshalb erklärt auch Friseur-Geschäftsführer Ebert, der für seine Branche ein Imageproblem sieht: „Die Abbrecher sind nicht das Problem, sondern die fehlenden Bewerber.“ (mz)