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Tüv für medizinisches Gras Hochschule Merseburg: Forscher wollen Cannabis-Institut aufbauen

Von Robert Briest 19.07.2017, 10:30
Anbau von Cannabis.
Anbau von Cannabis. EPA

Merseburg - Cannabis ist nicht nur Droge, sondern auch Heilpflanze. Die ältesten Quellen belegen eine medizinische Nutzung in China vor fast 5.000 Jahren. In Deutschland hat der Bundestag im Januar den medikamentösen Einsatz des Hanfs deutlich erleichtert.

Eine staatliche Cannabisagentur ist für die Beschaffung der Wirkstoffe verantwortlich. Doch praktisch hakt es noch an vielen Stellen, kritisiert die Merseburger Suchtforscherin Gundula Barsch. Sie möchte deshalb gemeinsam mit Kollegen ein interdisziplinäres Cannabisinstitut aufbauen, in dem Wissenschaftler Anbau und Einsatzmöglichkeiten erforschen.

Cannabisinstitut in Merseburg soll Wissenslücken schließen

„Es gibt keine Behandlungsstandards der Ärztekammer, auch keine Ausbildungsstandards, welche Cannabisart wofür eingesetzt werden kann“, beginnt die Professorin die Aufzählung der Wissenslücken. Krankenkassen wüssten teilweise nicht, ob sie die Cannabisbehandlungen übernehmen sollten: „In der Folge verschreiben die Ärzte das nicht, obwohl es einen großen Kreis an Patienten gibt, der darauf wartet.“

Barsch hebt die vielfältige Einsatzmöglichkeit des Hanfes hervor, der etwa bei spastischen Erkrankungen, bei Krebs, Stress oder Schlaflosigkeit verwendet werden könne. „Wir haben leider nach so vielen Jahren, in denen Cannabis nicht verfügbar, abgewertet war, viel Wissen nicht verfügbar.“

Dieses soll nach den Vorstellungen der Forscher nun durch ein Cannabisinstitut geschlossen werden.

Cannabisinstitut in Merseburg: Wann kommt Hanfanbau in Sachsen-Anhalt?

Bisher sind Forscher von den Hochschulen Merseburg und Anhalt an den Planungen beteiligt: „Wir müssen einen Gesprächspartner, eine Art Tüv aufbauen, der Politik und Wirtschaft beraten kann, Gutachten erstellt, Weiterbildungen organisiert“, führt Dietmar Bendix, Professor für Energietechnik in Merseburg, näher aus.

Er sieht im Medizinalhanf durchaus auch eine wirtschaftliche Chance für das Land. „Man muss einen Nukleationskeim setzen, dann siedeln sich auch Industrie und Firmen an. Wir haben in Sachsen-Anhalt viele Flächen, die zu schlecht sind, um Getreide anzubauen, die könnte man für den Hanfanbau nutzen.“ Derzeit sei aber die Vergabepraxis der Bundesagentur ein großes Hemmnis.

Die hat für die Vergabe der Anbaulose, die für einen legalen Anbau zwingend erforderlich sind, als Vergabebedingung unter anderem eine dreijährige Anbauerfahrung gefordert. Kleine und mittelständische Firmen dürften dieses Kriterium kaum erfüllen können, ohne dass die Staatsanwaltschaft auf der Matte steht. Bendix moniert deshalb eine Bevorzugung ausländischer Unternehmen und empfiehlt dem Land gar, gegen die Kriterien zu klagen.

Cannabisinstitut in Merseburg: Forscherin sieht Landesregierung in der Verantwortung

Grünes Licht aus Magdeburg bräuchte auch das Cannabisinstitut. Die Pläne dafür liegen bereits in der Schublade. 200 000 Euro würde es pro Jahr kosten, schätzt Bendix. Der Rest ließe sich über Drittmittel stemmen.

Barsch sucht derzeit noch weitere Mitstreiter, um das Thema Cannabis umfassend abzudecken. Binnen ein bis zwei Jahren könnte das Institut arbeitsfähig sein und seinem Vorbild, einem interdisziplinären Marihuana-Forschungszentrum im kalifornischen Arcata, an dem Barsch zwischenzeitlich arbeitete, nacheifern. Die Landesregierung sieht die Forscherin hier durchaus in einer moralischen Verantwortung: Sie müsse überlegen, ob sie es verantworten kann, die Substanz vielen Menschen vorzuenthalten, die sie benötigen. (mz)