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Septett von Sechstklässlern zeigt sich als Leseratten

Von MATTHIAS BARTL 28.02.2010, 18:42

KÖTHEN/MZ. - Aber der Junge aus Sandersdorf war auch ein moralischer Sieger. Immerhin besucht Steven die Schule für Lernbehinderte "Erich Kästner" in Bitterfeld und sich unter diesen Bedingungen einem Vorlesewettbewerb mit Schülern und Schülerinnen aus Sekundarschulen und Gymnasien zu stellen, verdient besondere Hochachtung.

Zumal Steven Schmidtke auch noch ein zusätzliches Handicap traf: Er hatte das Buch vergessen, in dem die Geschichte zu finden war, die er beim Vorlesewettbewerb vortragen wollte und auf die er sich vorbereitet hatte. Kurz entschlossen, ließ es sich von Heidrun Janik, Chefin der Köthener "Thalia"-Buchhandlung, einen Band "Tom Sawyer" geben und las daraus vor. Und erhielt seinen verdienten Beifall, wie alle anderen auch.

Sechs sagten ab

Immerhin sieben Mädchen und Jungen nahmen am Sonnabend am regionalen Ausscheid des Vorlesewettbewerbs teil, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nunmehr seit mehr als 50 Jahren für Schüler der 6. Klassen veranstaltet. Das "immerhin" bezieht sich darauf, dass eigentlich deutlich mehr Schulen ihre Sieger zur Teilnahme gemeldet hatten. Aber bedauerlicherweise fehlten - als es ans Lesen ging - die Vertreter der Sekundarschule Zörbig, der Sekundarschule Comenius in Bitterfeld, der Sekundarschule Coswig, der Sekundarschule "An der Rüsternbreite" Köthen, der Sekundarschule an der Biethe in Roßlau und des Gymnasiums Wolfen.

Dafür boten die verbliebenen Vorleser dem Zuhörer durchaus Vergnügliches und der Jury die Chance, sich einmal mehr durch die feinen und nicht ganz so feinen Unterschiede des Geleisteten zu einem Urteil über Sieger und zweite Sieger vorzuarbeiten. Die Lese-Kinder mussten sich gleich zweimal vor ihren "Konkurrenten" und den wenigen mitgereisten Eltern und Mutmachern bewähren, einmal mit einem Text, in den sie sich schon eingelesen hatten, und dann noch mit einem unbekannten Stück Literatur, das ihnen von "Thalia"-Mitarbeiterin Brigitte Bräutigam ausgesucht worden war.

"Der magische Skarabäus" von Eva Marebu erwies sich als durchaus spannendes Stück - und sorgte möglicherweise dafür, das Lukas Hybotter aus Steutz in der Kategorie Gymnasien den zweiten Platz belegte. Der Junge aus dem Zerbster Francisceum erwischte nämlich punktgenau den Abschnitt, an dem von einigen ägyptischen Gottheiten die Rede war, und er kam ohne Stolperer über die Klippen namens Sobek und Basted und Chepre hinweg, was ihm die Anerkennung der aus fünf Frauen bestehenden Jury sicherte. Ansonsten hätte man auch ohne weiteres die Diebzigerin Saskia Puschner aus dem Köthener Ludwigsgymnasium auf den zweiten Rang setzen können, die sich sehr gut präsentierte und ein bisschen unter Wert nach Hause geschickt wurde - zwei zweite Plätze wären eine salomonische Lösung gewesen.

Familie und Lehrerin freuen sich

Die Gewinnerin in dieser Kategorie stand im übrigen schon nach wenigen Sätzen fest. Lena Stade aus Köthen, die an der Freien Schule Anhalt in Osternienburg lernt, war hinsichtlich Modulation, Intonation und schauspielerischer Gestaltung den anderen um Längen voraus. Was nicht nur die fast komplett erschienene Familie freute, sondern auch Lehrerin Grit Schöne. "Bei unserem Schulwettbewerb", erinnert sie sich, "waren drei nach dem Lesen der selbst gewählten Texte gleichauf. Aber nach dem Fremdtext war klar, dass wir Lena zum Regionalwettbewerb schicken würden." Wofür die Zwölfjährige sich ein Stück aus dem Buch "Der siebente Sonntag im August" von Sabine Ludwig ausgewählt hatte, eine Art literarischer "Murmeltiertag", durchaus gut geeignet, das Vor-Lesen zu einem Vergnügen auch für andere zu machen. Die Bücher von Sabine Ludwig lese sie am liebsten, sagte Lena nach dem Ende der Veranstaltung. Was nicht übertrieben ist: Schon beim Schulentscheid hatte sie aus einem Buch der Autorin vorgelesen. Und für das Lesen selbst findet Lena auch immer Zeit - abends nach den Hausaufgaben ein bisschen und in den Ferien viel mehr.

Neben Lena, Saskia und Lukas trat in dieser Kategorie noch Bettina Hoffmann vom Rathenau-Gymnasium in Bitterfeld an, die für die ursprünglich gemeldete Corinna Brand aus Holzweißig ins Rennen ging und ihre Texte ebenfalls sehr ordentlich rüberbrachte, ohne freilich ähnliche Gestaltungsqualitäten wie Lena Stade zu zeigen.

In der durch Absagen dezimierten Gruppe der Sekundarschüler war am Ende ein Zweikampf zu entscheiden, aus dem Leonie Stets aus Zerbst als Gewinnerin hervorging, während Gina Walter aus Weißandt-Gölzau, die auf die Sekundarschule Gröbzig geht, dahinter platziert wurde. Auch das war eine durchaus nachvollziehbare Wertung der Jury, die aus Heidrun Janik, Brigitte Bräutigam, Christiane Flach, Sybille Haase und Angela Meiling bestand und sich der Mühe unterzog, die Leistungen des Vorlese-Septetts in den Rahmen eines Bewertungsbogens einzupassen. Das war eine Aufgabe, um die man die zuhörenden Damen nicht beneiden musste.