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Köthen Köthen: Ein Doktor im rastlosen Ruhestand

Von ANNE BÖTTGER 19.11.2010, 19:30

KÖTHEN/MZ. - "Seit 1. Oktober bin ich im Ruhestand", sagt Klaus Mehner. In der nächsten Sekunde eilt er in seinem Büro ans Diensttelefon, beantwortet Fragen rund um Stipendienprogramme, Visa und Finanzhilfen. "Wieder ein Antrag mehr zum Bearbeiten", lächelt er und legt seine Mitschriften auf einen Papierstapel.

Anträge über Anträge gehen noch täglich bei dem 65-jährigen Automatisierungstechniker ein. Seit 40 Jahren arbeitet er an der Hochschule Anhalt in Köthen, seit 35 Jahren setzt er sich für internationale Beziehungen ein, leitet das akademische Auslandsamt seit 20 Jahren. Offiziell und feierlich verabschiedet wurde er schon, doch endgültig zu gehen, fällt Klaus Mehner schwer.

Noch immer betreut er Studenten, ausländische wie heimische, pflegt Beziehungen zu Hochschulen in der ganzen Welt. Zweimal in der Woche führt den Doktor nun sein Weg noch an die Hochschule - bis ein Nachfolger für ihn gefunden ist. Seine Arbeit aber ist gefragt wie eh und je. Denn in Sachen Auslandsaufenthalte kennt sich der gebürtige Lausitzer aus.

Nachdem er sein Abitur in Halle und seine Ausbildung als Mess- und Regelungstechniker im Chemiekombinat Bitterfeld abgeschlossen hatte, ging er nach Russland. Ans Moskauer Institut für Chemiemaschinenbau zog es ihn. Die Fakultät für Automatisierungstechnik und technische Kybernetik sollte für fünf Jahre seine Wirkungsstätte sein. "Den Kontakt zur Hochschule in Moskau habe ich dann nach Köthen mitgebracht", erinnert sich Mehner.

Als junger Diplom-Ingenieur fing er zunächst als Assistent an, später wurde er Oberassistent. Er hielt Vorlesungen und Seminare, verlor aber das internationale Geschehen nie aus den Augen. "Schon früh habe ich angefangen, meine Kollegen für das Thema Ausland zu begeistern. Sie sollten selber Kontakte zu ihren Fachbereichen an fernen Hochschulen knüpfen."

Mehr als 100 Kooperationen mit Hochschulen sind so entstanden, darunter Einrichtungen in Frankreich, Finnland, China, Brasilien, Südafrika, Kanada und Australien. "Jemand, der später einmal in einer gehobenen Position arbeiten will, der sollte weltläufig sein", weiß Mehner aus eigener Erfahrung. Entscheidend sei dabei nicht in erster Linie, sprachliche Fähigkeiten auszubauen.

"Wichtiger ist, ein anderer Mensch zu werden." Er selbst habe sich in Russland einen gewissen Pragmatismus angeeignet. "Es muss einfach immer laufen, egal, wie die Randbedingungen sind. Es kann stets eine Lösung gefunden werden. Das lernt man im Ausland."

Lösungen für Langeweile nach der Hochschularbeit hat sich der umtriebige Ruheständler jedenfalls schon längst gesucht: Als Konzertmeister im "Anhaltinischen Zupforchester" ist er seit 35 Jahren tätig, spielt und unterrichtet noch immer Mandoline. Auch in seinem kleinen Garten kann sich der 65-Jährige verwirklichen.

Erst kürzlich habe er sich in sein grünes Refugium eine Sonnenuhr bauen lassen. Die Stundenpunkte wurden - wie sich das für einen Ingenieur gehört - genauestens berechnet und mit Pflöcken markiert. Sobald ein Nachfolger für ihn gefunden ist, kann sich Klaus Mehner vielleicht einmal die Zeit nehmen und beobachten, wie die Minuten darauf vergehen. Ganz in Ruhe.