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Kapitän geht auf ein anderes Schiff

Von Matthias Bartl 11.01.2008, 17:29

Köthen/MZ. - Wunder nimmt das nicht: Becker ist in den fast neun Jahren in Köthen die Stadt und ihr Umland ans Herz gewachsen. Und umgekehrt haben viele Köthener, nicht nur Kunden der Sparkasse, den langaufgeschossenen Becker schätzen gelernt. Wenn es eines Beweises dafür bedarf, kann die Zahl der Gäste in der Hauptstelle der Köthener Sparkasse als solcher dienen - aus Politik und Wirtschaft, aus Kirche, Kultur, Sport und Medien, aus Vereinen und Verbänden waren mehr als 250 Frauen und Männer gekommen, um Becker würdig zu verabschieden.

Da war auch die ungewöhnlich große Anzahl an Reden erklärlich: Anhalt-Bitterfelds Landrat Uwe Schulze trat ebenso ans Rednerpult wie sein Köthener Vorgänger Ulf Schindler, Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander sprach, gleichfalls Matthias Pokorny, Personalratsvorsitzender der Kreissparkasse, und mit Claus Friedrich Holtmann war der geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) nach Köthen gekommen, um Helmut Becker Richtung Zwickau zu verabschieden.

Solche Verabschiedungen sind für Holtmann eher ungewöhnlich. "Sonst komme ich meist zur Verabschiedung verdienter Vorstände, meist kurz vor der Grabrede", sagte Holtmann und sorgte damit für Heiterkeit im Saale. Mit den Sparkassen sei es so wie es in der Bibel stünde: Sieben guten folgen sieben schlechte Jahre. Becker sei nach Köthen gekommen, als die Sparkasse sich in einer schwierigen Lage befand. Mit großer Kraftanstrengung sei es ihm gelungen, sie wieder in einen guten Zustand zu bringen. "Die Zahlen können sich sehen lassen", hob Holtmann hervor. So könne die Sparkasse heute "erhobenen Hauptes" in die Fusion gehen. "Sie ist ein exzellenter Beitrag für die neue Sparkasse Anhalt-Bitterfeld."

Von einer sehr positiven Bilanz der Sparkasse Köthen sprach auch Landrat Schulze. Dass das Unternehmen einen vorderen Platz im Ranking des OSV einnehme, gehe auf Becker zurück, dem Schulze Zielstrebigkeit und einen entscheidungssicheren Führungsstil attestierte. "Er hat die Entwicklung der Sparkasse nachhaltig beeinflusst." Alt-Landrat Ulf Schindler, der in seiner Funktion als Chef des Sparkassenverwaltungsrates lange Jahre mit Becker zusammengearbeitet hatte, zog maritime Vergleiche heran, um Beckers Wirken in Köthen widerzuspiegeln. Der Kapitän gehe von Bord, sagte Schindler, auf ein anderes, größeres Schiff. Ein Schiff, das in einem Sturm gestanden habe, der die Crew und auch den Reeder durchgeschüttelt hat. Man habe den Kahn wieder auf Kurs bekommen, stellte Schindler fest, auch verbunden mit einem Dank an die Mannschaft, "die in schwerem Wetter in der Takelage gehangen" hat. Die Köthener Sparkasse komme nicht in den Status eines Flugzeugträgers, "aber ein stolzer Dreimaster mit vollen Segeln im Wind" sei sie schon.

Angesichts der erbrachten Leistungen für Unternehmen, Stadt und Landkreis stelle sich freilich die Frage: "Warum geht er dann?" Dies, so Schindler, sei Beckers Entscheidung gewesen - "und ich verstehe sie: Ganze Kerle handeln so."

Aus Beckers Crew gab Matthias Pokorny dem Kapitän ein paar freundliche Worte mit auf die Reise zu neuen Ufern. "Die Risiken im Griff, die Rentabilität im Blick", beschrieb er das Arbeitsmotto seines Chefs und verriet auch dessen Schlagwort in Sachen Arbeitstempo: "ZZ - ziemlich zügig". Und er verwies auf die Bemühungen Beckers um Gesundheitsvorsorge seiner Mitarbeiter. Die müssen fast schon missionarisch gewesen sein, allerdings habe es mit der Einrichtung einer "grippefreien Zone" nur fast geklappt.

Oberbürgermeister Zander, auch persönlich befreundet mit Helmut und Ute Wolf-Becker, verwies auf die Bedeutung der Sparkasse für die Kommunen. Zum einen der verlässlich hohen Gewerbesteuern wegen, zum anderen als ein Unternehmen, das vielen jungen Menschen auch eine berufliche Perspektive eröffnet habe. Dass Sparkasse und Kommune Partner bei der Stadtentwicklung seien, "ist heute in Köthen dank Helmut Becker Realität". Nicht zuletzt habe der scheidende Vorstandschef Sponsoring nicht nur aus den Mitteln der Sparkasse selbst betrieben, sondern auch Geld der Ostdeutschen Sparkassenstiftung für Köthener Projekte akquiriert, zum Beispiel für die Jakobskirche.

Nach all den Reden, so Helmut Becker selbst, der als letzter sprach, stelle er fest: "Ich hätte die erste Rede halten sollen, das wäre mir leichter gefallen." Als er sich im Herbst 1998 von Mainz aus auf eine Anzeige hin um einen Vorstandsposten in Mitteldeutschland beworben hatte, habe er Köthen auf der Landkarte suchen müssen. "Heute sind Mitarbeiter überrascht, dass ich mich im Kreis manchmal besser auskenne als sie selbst."

Der in Bad Brückenau (Bayern) geborene Becker verlässt das anhaltische Köthen mit Wehmut im Herzen. Hierher gekommen sei er mit einem Blumenkasten mit Ahornsetzlingen, "die sind heute fast drei Meter groß". Vor sieben Jahren habe er begonnen, Eichen aus Bad Brückenau, Abkömmlinge der dort im Kurpark stehenden König-Ludwig-Eiche, in Köthen groß zu ziehen. "Sie sind jetzt schon umzugsfertig eingetopft, sie werden in anderer Erde weiterwachsen."

Zwei der Beckerschen Eichen werden allerdings in Köthen bleiben - Ulf Schindler und Kurt-Jürgen Zander, die neuen Besitzer der kleinen Bäumchen, sollen für deren Gedeihen in anhaltischer Erde sorgen. "Es war mir eine besondere Ehre", wandte sich Becker abschließend an seine Gäste, "Sie kennen gelernt zu haben. Ich bedanke mich dafür, denn ich bin jetzt weg."