Ohne erkennbaren Grund Aken: Mann greift Mitbewohner mit Messer an
Dessau/Aken - Pascal F. ist da. Der Mann aus Afrika sitzt im Flur des Landgerichts in Dessau vor Saal 18 - und wartet. Er ist als Zeuge geladen und soll der Strafkammer, die wegen versuchten Totschlags verhandelt, von der Messerstecherei am 13. Mai in seiner Wohnung in Aken berichten, bei der er verletzt wird.
Beschuldigt ist sein Mitbewohner Saliu K. aus Guinea-Bissau. F. ist freiwillig gekommen, muss nicht vorgeführt werden. Seine Freundin habe angerufen, wie die Vorsitzende Richterin später erklären wird. Zu Beginn der Hauptverhandlung vergangene Woche erscheint er nicht. Nun kann er aussagen.
Dafür fehlt am Dienstagmorgen ein weiterer Zeuge, den das Gericht bisher nicht ausfindig machen kann. Vielleicht gelinge es über die Ausländerbehörde, hofft die Vorsitzende Richterin. F. jedenfalls kann nicht weiterhelfen. Er habe keinen Kontakt.
Der 23-Jährige ist somit an diesem Tag der einzige Zeuge. Er soll schildern, was am Abend des 13. Mai passiert ist. Er habe Essen vorbereitet, erzählt er. Später will man gemeinsam einen Film ansehen. Unterdessen sei sein Mitbewohner, der beschuldigte Saliu K., zu jenem Mann gelaufen, der als Zeuge aussagen soll. Der Grund: Es ist kein Tabak mehr da. F. folgt K. wenig später. Lange bleiben sie nicht. F. fordert seinen Mitbewohner auf, wieder nach Hause zu gehen. Nach etwa zehn Minuten sei K. nachgekommen.
In der Wohnung der beiden in der Straße der Solidarität eskaliert die Situation schließlich. Warum kann sich F. nicht erklären. K. überschüttet ihn mit heißem Tee, schlägt ihn - „das nächste, was ich sah, ist, dass er ein Messer in der Hand hat“. K. sticht zu, F. habe ihn abwehren wollen und fragt: „Warum machst du das?“ K. soll dann gesagt haben: „Ich will dich umbringen.“
Er spürt plötzlich das Messer in sich und zeigt im Saal immer wieder an eine Stelle, links, unterhalb der Rippen. Mit einem zweiten Messer habe der Beschuldigte versucht, ihn weiter zu attackieren. Es gelingt F. trotz seiner Verletzungen und mit abgebrochenem Messer im Rumpf, seinen Mitbewohner in Schach zu halten. Eine Nachbarin ruft unterdessen die Polizei, als die beiden Männer die Wohnung im dritten Obergeschoss verlassen und zum Haus des Zeugen gehen wollen. Jener Mann, der noch nicht angehört ist.
Die beiden Afrikaner kennen sich aus Halberstadt, wo sie 2017 nach ihrer Flucht ankommen. Gemeinsam gehen sie nach Aken, wohnen zusammen, streiten nie. „Wir hatten überhaupt keine Probleme miteinander“, berichtet F. am Dienstag. Er glaubt, „dass Leute ihm gesagt haben, das zu tun“. Und er würde gern die Hintergründe erfahren. Mittlerweile lebt F., der nach der Auseinandersetzung ein paar Tage im Krankenhaus liegt, in Köthen. Er habe Angst gehabt, nach Aken zurückzukehren. „Ich habe bis heute Angst zu schlafen.“
Am Donnerstag wird weiter verhandelt. Vorausgesetzt, die Kammer kann den Zeugen ausfindig machen.
(mz)