Sitzung des Stadtrates Sitzung des Stadtrates: Polizei und Justiz im Kreuzfeuer
Jessen/MZ. - Die Ratsfraktionen von CDU und FDP haben gestern Abend teilweise harte Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaften und der Gerichte sowie dem Polizeirevier in Jessen geübt. Zuvor hatte Jessens Chef des Polizeireviers Jörg-Peter Kleie dem Stadtrat einen Überblick über das Verkehrsunfallgeschehen und die Kriminalitätsentwicklung gegeben.
Elke Kahl (CDU) forderte angesichts der wachsenden Zahl von Sachbeschädigungen mehr Polizeipräsenz in den Abend- und Nachtstunden. Auch FDP-Fraktionschef Klaus-Dieter Richter plädierte dafür, mehr "Fußstreifen einzusetzen", um unter anderem die Kontrollen auf den Schulwegen zu verstärken. Kleie räumte in diesem Zusammenhang erhebliche Personalprobleme ein. "Ich bin froh, wenn ich in der Nacht einen Streifenwagen und eine Fußstreife zur Verfügung habe", erklärte der Revierleiter.
Vor allem der Ruhestand von sieben Polizisten hatte die Dienststelle auf 58 Beamte schrumpfen lassen. Zudem wurden im Rahmen eines Pilotprojektes und zur Unterstützung einer Ermittlungsgruppe weitere sieben Polizisten nach Wittenberg abgestellt, erläuterte Kleie die Situation. Offen blieb die Frage, welche Auswirkungen die Kommunalreform auf die vier Polizeistationen in der Region und das Jessener Revier hat. "Dazu kann ich nichts sagen", so der Beamte.
Für Irritationen und Diskrepanzen sorgt die Zusammenarbeit zwischen den städtischen Ordnungsbehörden und der Polizei. "Die Kripo führt ihre Ermittlungen nicht in der Konsequenz, wie es eigentlich notwendig wäre", kritisierte Bürgermeister Dietmar Brettschneider (CDU) mit Blick auf die noch immer ungeklärte Randale in einem Jessener Autohaus (die MZ berichtete). Hier gebe es konkrete Hinweise auf die Täter.
CDU-Stadtrat Winfried Musch warf den Justizbehörden eine zu lasche Handhabung der Gesetze vor. "Die Strafen sind viel zu mild. Und wenn ich sehe, dass im Luxusknast sogar ein Schwimmbad vorhanden ist, dann habe ich Lust, morgen ein Ding zu drehen", vermerkte der CDU-Politiker sarkastisch und hielt entsprechende Zeitungsberichte in die Runde der Abgeordneten.
Brigitte Gottwald (CDU) richtete indes schwere Vorwürfe an das Jessener Polizeirevier. So habe man den Beamten in Jessen in einem konkreten Fall die Namen mutmaßlicher Randalierer mitgeteilt. "Nach zwei Tagen wusste Herr Richter von nichts mehr", sagte die Stadträtin, die damit offenbar polizeiinterne Ermittlungen auslöst. "Ich nehme das jetzt als Dienstaufsichtsbeschwerde, und die Sache wird von der Polizeidirektion in Dessau geklärt", sagte der Revierchef.
Kleie hatte in seinem eingangs gehaltenen Vortrag darauf verwiesen, dass in nahezu allen Bereichen des Verkehrsunfallgeschehens und der Kriminalitätsentwicklung eine positive Tendenz zu verzeichnen sei. "Sie leben in einem relativ sicheren Territorium", konstatierte der Beamte. Lediglich der Bereich der Jugendkriminalität und die Sachbeschädigungen seien von einem Anstieg der Fallzahlen betroffen.
Jessens Stadtoberhaupt hatte zudem eine Bilanz der Kontrolltätigkeit seiner Ordnungsbehörde gezogen. In den vergangenen Tagen hatten die städtischen Ordnungshüter vor allem die Schulwege und die Radfahrer ins Visier genommen. Nach Angaben der Verwaltung wurden 300 Radler kontrolliert. Rund ein Viertel davon hatte mangelhafte Gefährte. Die Hälfte davon entfällt auf Schüler des Gymnasiums. Brettschneider appellierte an die Eltern, ihrer Aufsichtspflicht sorgfältiger nachzukommen. Die Eltern der "Sünder" sollen demnächst Post aus dem Ordnungsamt erhalten.